Die Trauung vor Gott in der Bibel (AT) fand vor dem Patriarchen statt, also vor dem Familienoberhaupt. Zeugen waren alle, die zur Familie gehörten. Also ist "ein großer Bruder" durchaus richtig am Platze. Oder "eine große Schwester".
Wie das im NT war, weiß ich im einzelnen nicht. Die Trauung fand vor Gott statt, im Rahmen der Gemeinde, und die ganze Gemeinde war Zeuge. Ob das Verwandte waren, was anzunehmen ist, oder nicht, spielt keine Rolle. Man ist vor Gott verheiratet, vor seinem Gewissen, das wissen dann alle, und kein "großer Bruder" wäre befangen.
Die Trauzeugen im juristischen Sinne sind eine römisch-katholische Einrichtung, die Protestanten nicht mittragen. Nach kath. Auffassung ist die kirchliche Trauung eine juristische Angelegenheit. Man hat nie die standesamtliche Praxis wirklich akzeptiert, sondern nur zähneknirschend geduldet. Die im Standesamt schon offiziell verheiratete Frau wird in der kath. Kirche bei der Trauung immer noch mit ihrem Mädchennamen angeredet, denn "der liebe Gott weiß ja noch nicht, dass sie verheiratet ist" (wörtliches Zitat eines Priesters).
Wenn nun diese kath. Ehe mal "annuliert" werden soll, weil eine richtige Heirat stattfinden soll, dann muss die erste "nichtige" Eheschließung vom Ehegericht (Rota) annuliert werden. Dazu braucht man die Zeugen, die vor dem kirchlichen Gericht erklären, dass z. B. die Eheschließung unter Zwang stattfand o.ä.
Protestanten haben zwar oft auch "Zeugen" dabei, aber diese spielen keine juristische Rolle. Es sind Freunde, die z. B. in einer späteren Ehekrise helfend eingreifen können.
Wenn eine vor Gott geschlossene Ehe bei dem Paar im Herzen gebrochen und zerbrochen ist, hilft auch kein Zeuge mehr weiter. Da kann man nur noch mitleiden.
Man kann aber, grundsätzlich, keine Bräuche aus der Bibel eins zu eins in unsere heutige Wirklichkeit übersetzen. Das Kirchenrecht hat sich ständig weiterentwickelt, und das staatliche auch.