Es gibt keine Menschenrassen.
Solange Rasse in Bezug auf den Menschen verwendet wurde und wird, handelt es sich immer um eine politische Konstruktion.
Das Wort verbreitete sich zuerst im Spanien der frühen Neuzeit und wurde in zwei unterschiedlichen Zusammenhängen benutzt. Zum einen unterschied man die "gute Rasse" des Adels von der "schlechten Rasse" der Bauern.
Zum anderen betrachtete man die Abstammung von Juden, Muslimen oder Häretikern als "rassischen Makel". Den würden ehemalige Konvertiten zum Christentum an ihre Nachkommen weitergeben, die deswegen "unreines Blut" hätten. In beiden Fällen diente das Wort zur Bezeichnung einer genealogisch vererbbaren sozialen Differenz.
Der elisabethanische Hofpoet Edmund Spenser hatte 1596 die Iren als rückständig und barbarisch, als "evil race", eine "üble Rasse" beschrieben.
"Rassenunterschiede" waren kein Ausdruck der spontanen Wahrnehmung von Unterschieden. Die Europäer sahen zwar schwarze Afrikaner, aber weder gelbe Asiaten noch rote Indianer und hielten ihr eigenes Weißsein nicht für exklusiv.
Als das Wort Rasse dann 1684 vom französischen Arzt und Reisenden François Bernier zum ersten Mal zur Einteilung der gesamten Menschheit benutzt wurde, konnte man die "Rassen" zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht an ihren Hautfarben erkennen. Berniers "erste Rasse" umfasste die Bevölkerung Europas, Nordafrikas, Vorderasiens und Indiens und damit alle Farbschattierungen zwischen Schwarz und Weiß. Seine (ost-)asiatische Rasse bezeichnete er als weiß, die (subsaharische) afrikanische Rasse erschien ihm schwarz, und die Amerikaner, die er für olivfarben hielt, rechnete er mangels augenfälliger Unterschiede der "ersten Rasse" zu.
Für die europäische koloniale Expansion war dieser "Rassebegriff" noch nicht brauchbar. Um diesen Kolonialismus zu rechtfertigen mussten die "Rassen" erst konstruiert werden.
Damit wurden zwei Ziele verfolgt: die Europäer von den Bewohnern anderer Kontinente abzusetzen und die dabei erzeugten "Rassen" mit einem alltagstauglichen Erkennungszeichen zu versehen. Dem ersten diente die Unterteilung von "Weißen" und "Farbigen", dem zweiten eine Kennzeichnung der Rassen nach Hautfarben.
Nach Kant waren "Rassen" keine "physische Absonderung", "die die Natur selbst unter ihren Geschöpfen (…) macht", sondern eine "logische Absonderung", "die die Vernunft (…) zum Behuf der bloßen Vergleichung macht".
Als Kind seiner Zeit meinte er aber auch, dass die menschliche Entwicklung ihre höchste Stufe "in unserem Welttheile" erreicht hätte, "der wahrscheinlicher Weise allen anderen dereinst Gesetze geben wird". Und er ordnet die Rassen auch nach ihren angeblich unterschiedlichen kulturellen Entwicklungsmöglichkeiten. Mit dieser diskriminierenden Bedeutung ging das Wort Rasse in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch ein.
"Rasse" war also von Anfang an eine auf soziale Unterschiede gemünzte Kategorie. Sie benannte (in Spanien und Frankreich) zunächst Klassendifferenzen (und auch auf Deutsch wurden noch Mitte des 19. Jahrhunderts selbst im "Manifest der Kommunistischen Partei" "Arbeiter" als "Race" bezeichnet). Gleichzeitig verwies der Begriff aber auch wertend auf religiöse Unterschiede (zwischen Juden, Muslimen und Christen).
Das wurde zunächst auf ethnische Herkunft ausgeweitet und mündete schließlich in eine Rassensystematik der gesamten Menschheit. In beiden Fällen wurden die positiven Eigenschaften der oberen "Rasse" wie die negativen Eigenschaften der unteren "Rassen" nicht als Ergebnis einer sozio-ökonomischen Entwicklung, sondern als naturgegeben interpretiert. Ganz in diesem Sinne wurde diese Interpretation im 18. und 19. Jahrhundert pseudowissenschaftlich aufgeladen.
Nebenbei gesagt, wurde so ja auch die Unterdrückung der Frau versucht zu rechtfertigen, indem beispielsweise über den "physiologischen Schwachsinn der Frau" fabuliert wurde.
Bei allen Unterschieden in der physischen Anthropologie sind sich Sozial- und Naturwissenschaftler einig, dass "Rassen" keine natürlichen Einheiten, sondern soziale Konstruktionen sind.
Hier kann man weiter nachlesen: https://unihamburg.academia.edu/WulfDHund