Du schreibst in der Frage "nicht gläubig", in der Erläuterung aber im "Glauben oft schwankend". Da liegt meiner Meinung nach aber ein entscheidender Unterschied. Wer von sich selbst sagt, er sei nicht gläubig, dem fehlt oft eine Bereitschaft und Offenheit, sich auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Glauben auseinanderzusetzen. Wer aber sagt, er sei im Glauben schwankend, der setzt sich mit seinem Glauben auseinander - da ist Dynamik und Beschäftigung in seinem Fühlen, Denken ... und Glauben. Rede Dir selbst nicht ein, Du wärst nicht gläubig. Was soll das überhaupt bedeuten, "nicht gläubig" zu sein? Was hieße es denn, "gläubig" zu sein? Frage Dich lieber, ob Du vielleicht nur noch nicht ganz verstehst, was "glauben" bedeutet.

Man kann im Internet viele "Definitionen" davon lesen, viele Wortherleitungen und viel Unsinn über die Bedeutung dieses Wortes im christlichen Sinn. Gerade im Internet werden viele Debatten von Möchtegern-Atheisten beherrscht, die der felsenfesten und grundfalschen Überzeugung sind, zu glauben hieße, entgegen besseren Wissens oder entgegen dem logischen Verstand irgendwelche empirisch nicht überprüfbaren Behauptungen als wahr anzunehmen. Aber das ist kein Glaube. Auch die Aussage, dass glauben heißt zu vertrauen, ist zwar sachlich richtig, aber kaum verständlich für jemanden, der nicht weiß, was mit diesem "Vertrauen" denn bezeichnet werden soll. Aber das ist ja nicht Deine Frage ...

In einem evangelischen Theologiestudium an einer staatlichen Universität wirst Du vor allem die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Christentum, seiner Geschichte und seinen Grundlagen lernen und Du wirst lernen, was es überhaupt bedeutet, wenn Menschen von Gott reden (wörtlich übersetzt heißt Theo-logie schließlich die "Rede von Gott"). Du wirst Griechisch und Hebräisch lernen, um die antiken (rekonstruierten) Vorlagen der Bibel nachvollziehen und erforschen zu können, Latein, um dasselbe mit mittelalterlichen Texten tun zu können, Du wirst viel über die Geschichte Europas in den letzten 2000 Jahren lernen und viel über die Geschichte Nordafrikas/Ägyptens und des Nahen Ostens, beginnend in der Bronzezeit. Du lernst also Menschen und Kulturen im Lauf der Zeit bis in die Gegenwart hinein ganz nah kennen. Du wirst systematisch-theologisches Denken lernen (wovon die Ethik ein Teilbereich ist, zusammen mit der Dogmatik) und Du wirst lernen zu predigen, zu unterrichten, seelsorgerlich und liturgisch zu handeln. Später im Studium kannst Du noch lernen, wie man eine Gemeinde leitet, wirtschaftliche und rechtliche Grundlagen von Kirche und Gemeinde usw. Bevor Du also ein Theologiestudium beginnst, solltest Du Dir im Klaren sein, dass es wesentlich umfangreicher (und m.E. auch schwieriger) ist als viele andere Studiengänge, aber dafür so vielseitig wie kaum ein anderes Studium. Wenn Du Dich für all das interessierst oder meinst, dafür bei Dir Interesse wecken zu können, dann sehe ich keine Bedenken. Natürlich hat jeder Theologiestudent auch seine Lieblingsdisziplinen und die Fächer, durch die er sich eher quälen muss.

Ob ein Theologiestudium zum Glauben hinführt oder davon weg, hängt zum großen Teil von Dir selbst und Deiner Erwartungshaltung ab. Ich kenne Studenten, die als vollkommen überzeugte Christen ins Studium gegangen sind und nach zwei Semestern am Boden zerstört waren, weil sie meinten, sie hätten ihren Glauben verloren. Meiner Erfahrung nach sind diejenigen, die mit einem offenen Geist, echtem Interesse und Wissbegier ins Theologiestudium gehen jene, die sich darin auch wohlfühlen. Der Glaube kommt durch das Hören, Lesen und Verstehen des Wortes Gottes in der Bibel. Und um ein Lesen der Bibel wirst Du im Theologiesturdium kaum herumkommen. Zu einem weiteren Teil hängt es von Deinen Dozenten und Professoren ab. Ein sehr guter Theologieprofessor wird Dich nicht nur für seine Themen begeistern, sondern auch Dein Herz ansprechen und Dir Zugänge zum Glauben vermitteln können.

Wenn Du denkst, dass Du jemand bist, der mit ernstem Interesse nach Gott fragen und die menschliche "Rede von Gott" verstehen und im Detail nachvollziehen können will, dann solltest Du es unbedingt versuchen.

Dein späterer Beruf ist dadurch übrigens keineswegs festgelegt. Du kannst mit so einem Studium natürlich Pfarrer, Lehrer oder Wissenschaftler werden ... aber im Grunde auch alles andere, was man mit einem geisteswissenschaftlichen Studium werden kann. Auch in der freien Wirtschaft sind Theologen aus verschiedenen Gründen oft sehr gefragt. Und falls Du feststellen solltest, dass Dir Theologie überhaupt nicht liegt, kannst Du immer noch wechseln. Das machen viele und ist auch kein Beinbruch.

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