Vorweg:
Eigentlich sind wir als Kinder ziemlich katholisch aufgewachsen, aber nie autoritär, sondern immer frei. Wir sind sonntags zum Gottesdienst, haben bei Prozessionen mitgemacht und haben andere katholische Traditionen gelebt. Kirche war für mich als Kind immer ein Ort der Gemeinschaft und Begegnung. Wir haben von Jesus gelernt und von Nächstenliebe.
Bei uns war es aber trotzdem ziemlich liberal und frei. Ich hab als Kind nackt Fußball gespielt, mit Mädchen gefummelt, schon sehr früh viele körperliche Lüste genossen und andere Sachen und niemand hat mir irgendwie ein schlechtes Gewissen gemacht. Wir sind nie mit dem Verständnis aufgewachsen, dass es da eine "Heilige Mutter Kirche" gäbe, der man gehorchen und dienen müsse.
Hauptteil:
Jetzt im Studium komme ich zum ersten Mal mit sämtlichen Dogmen und Regeln der katholischen Kirche in Berührung. Und gegen das, was die Kirche manchmal formuliert hat, ist "Mein Kampf" eine harmlose Gute-Nacht-Lektüre.
Jedenfalls komme ich immer häufiger zu hören, dass sich das Prinzip der Freiheit und Liberalität wohl mit der katholischen Lehre nicht vereinbaren lässt. Unter den Kommilitonen gelte ich als ziemlich rebellischer Freidenker, weil ich eben ohne diese kirchliche Autorität aufgewachsen bin.
In der kirchlichen Lehre ist alles ziemlich auf Strenge, Pflicht, Autorität und Bestrafung ausgerichtet. Dogmen, die im Mittelalter verfasst wurden, z.B. 'außerhalb der Kirche ist kein Heil', was heute zurecht als unmenschlich gilt, können nicht aufgehoben werden, weil sich der Papst irgendwann mal als unfehlbar bezeichnet hat.
Und meine Kommilitonen glauben fest an diese Unfehlbarkeit. Dogmen der Kirche können niemals aufgehoben werden, weil sie eben unfehlbar sind.
Ich persönlich finde, dass alle Menschen fehlbar sind und somit auch alles, was wir sagen und tun. Dass der Papst unfehlbar ist hat ja auch ein Papst, also ein Mensch, gesagt und somit ist es in meinen Augen genauso fehlbar und zeitabhängig wie alles andere. Die Unfehlbarkeit des Papstes ist keine göttliche Offenbarung, sondern menschliche Vorstellung und somit auch fehlbar. Schon allein, weil der Papst von sich selbst behauptet, dass er unfehlbar ist, finde ich es höchst fehlbar.
Aber der Professor meint, das wäre eine ziemlich steile These. Der Professor sagt, Unfehlbarkeit ist göttliche Offenbarung. Wenn man Dogmen aufhebe, verkomme die Kirche zu Beliebigkeit und Relativismus.
Ich persönlich glaube aber, der Papst hat seine Unfehlbarkeit vorallem aus Machtinteresse verkündet, womit sie schon rein christlich ad absurdum wäre, weil man göttliche Offenbarung nicht zum eigenen Vorteil nutzen darf.
Aber mit dieser Meinung stehe ich ziemlich allein da.
Wie denkt ihr darüber? Schließlich geht es hier darum, ob die Kirche den Menschen Freiheit zusprechen kann oder ob der Papst die absolute und unfehlbare Autorität hat.