Ich glaube, deine Mutter hat einfach enorm große Angst. Einerseits um dich, andererseits auch um sich selbst. Deshalb bricht sie dich auch ab, denn sie weiß: Um sich vom Islam loszusagen, brauchst du keine Religionsmündigkeit nach deutschem Recht, keinen offiziellen Austritt, sondern es reicht, wenn du dich öffentlich lossagst. Dann gehörst du nicht mehr dazu. Und das ist für sie sehr schlimm. Denn - da sie eine gläubige Frau ist - ist für sie klar, dass du es verdammt schwer haben wirst, ins Paradies zu kommen. Zudem hat sie vermutlich auch Angst davor, was ihre Freundinnen sagen werden. Das Thema "Schande" hattest du ja schon angesprochen.
Zwei Dinge stoßen hier aufeinander: Traditionen und Glaube. Der Glaube ist vermutlich etwas, was deiner Mutter Halt gibt - einen Halt, den sie sich auch für dich wünscht. Nur leider kann man Glauben halt nicht erzwingen. Das Andere ist die Tradition. Von der sagst du dich ja auch an anderen Punkten los, vermutlich, weil du in einer anderen Gesellschaft und auch in einer anderen Zeit groß geworden bist, dir andere Dinge wichtig geworden sind. Vielleicht kannst du versuchen, darüber vorsichtig mit deiner Mutter ins Gespräch zu kommen. Ihr zu sagen, welche Werte dir wichtig sind, welche davon mit ihren übereinstimmen, welche nicht. Das ist nicht einfach. Denn vieles von dem wird deiner Mutter fremd sein - und einiges trotz aller Erklärungsversuche auch bleiben.
Und noch etwas wird deine Mutter befürchten (und auch wenn es irrational ist, taucht es bei fast allen Eltern irgendwie - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - auf): Dass du selbständig wirst, sie nicht mehr brauchst, sie am Ende vielleicht auch nicht mehr liebst. Versuch ihr deutlich zu machen, dass du auf dem Weg bist, erwachsen zu werden, eigene Wege gehen musst, aber dass sie dir dennoch wichtig bleibt. Dass sie deine Mutter bleibt, auch wenn sich euer Verhältnis verändern wird. Und dass du sie schätzt, auch wenn ihr vielleicht nicht immer einer Meinung seid.