Servuz,
junger Ossi hier. Lebe zwar seit einem Jahr in Bayern, aber gebe mal dennoch meine Meinung zum Guten.
Ich denke, dass die "Niedergang des Ostens" bereits nach dem 2. WK begonnen hat. Es fing schon damit an, dass die Amerikaner und die anderen West-Alliierten (vor allem USA) Geld in ihre Gebiete von Deutschland gepumpt haben, um davon wirtschaftlich auf lange Sicht profitieren zu können, während Russland / SU hingegen den Osten deindustrialisiert hat.
Fairerweise: Die USA hatten kaum eigene Kriegsschäden und konnten daher Milliarden in den Marshallplan pumpen, während die SU selbst durch den Krieg massiv zerstört war und ihre Reparationsforderungen gegenüber der DDR eher aus der eigenen Not entstanden.
Den Erzählungen meiner Eltern nach war es nicht so, dass es im Osten gar nichts gab. Es gab genug. Aber eben auch nicht mehr. Und Schokolade, Obst und andere Extras waren selten und teuer. Das ist wohl der Abschottung hin nach Osten geschuldet gewesen.
Allerdings hatte jeder einen Job, es gab quasi keine Arbeitslosigkeit und niedrige Obdachlosigkeit, jeder hatte gerade so das, was er brauchte. Das Leben war schwer, aber machbar.
Die Wiedervereinigung sollte ja ein Segen für beide Teile Deutschlands werden. Und keine Frage: Ich bin froh über die Wiedervereinigung. Aber sie war für die ostdeutsche Wirtschaft quasi der Gnadenschuss. Kapitalismus aus dem Westen prallt ungebremst auf annährend sozialistische, planwirtschaftliche Strukturen im Osten.
Folge: Unternehmer aus dem Westen haben Reihenweise Unternehmen im Osten aufgekauft und dicht gemacht - Konkurrenzeliminierung.
Die Wirtschaft, die schon fast am Boden war, wurde nun noch mal niedergetreten. Klar, man hat versucht das mit Investitionsspritzen etwas aufzuholen. Und ja, es gibt wieder einige Unternehmen im Osten. Aber sind wir mal ehrlich: Das war eher halbherzig und hat auch die Probleme nicht wirklich gelöst.
Zu den wirtschaftlichen Problemen kommen natürlich auch noch gesellschaftliche Probleme. Das Ost- / West-Denken ist noch tief in den Köpfen drin. Im Osten reden viele, gerade ältere und jüngere (die "mittleren" weniger) abwertend von "den Wessis". Im Westen nicht viel anders: "Ach ja, Ostdeutschland. Das gibt's ja auch noch. "
Wenn man sich diese ganzen Konflikte anschaut und das Politikversagen aller etablierten Parteien (abgesehen von der AfD - die hat noch nie regiert), dann ist klar, wieso so viele AfD wählen. Jede Partei hat viel versprochen, war in der Regierung, hat im Osten aber nicht viel geändert. Bis auf die AfD. Sie verspricht, verspricht und verspricht - war aber noch nie in der Regierung. Dazu kommt, dass sie natürlich auch Populismus betreibt, für den frustrierte Menschen empfänglicher sind. Deswegen glauben ihr vermutlich viele. Oder, weil sich viele auch einfach nach rechts radikalisiert haben.
„Frust ist der Nährboden für Populismus, Verschwörungsideologien und Hass.“
Deswegen auch so viel Rechtsradikalismus, Anti-LGBTQ-Haltung und Gewaltbereitschaft.
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Ich hoffe ich konnte das etwas verständlich rüber bringen. Und ja, eine Selbstschuld hat sicher jeder. Aber ich denke, dass die "Wessis" auch einen beachtlichen Beitrag zu der aktuellen Situation geleistet haben. Ob bewusst oder unbewusst. Fragen einfach drunter schreiben :)