Das Leben hat nur dann einen Sinn, wenn sich der Mensch bei allen seinen Entscheidungen nicht zu weit von Gott entfernt. Ansonsten hat das Leben keinen Sinn.
Zunächst einmal ist festzuhalten: Ich empfinde einen radikalen Abscheu gegenüber dem Atheismus. Denn dieser will uns verkaufen, die Erde und all das Leben auf ihr sei aus dem Nichts entstanden. Mit anderen Worten: es gebe keinen Gott. Doch wer hat all den Lebewesen den Atem eingegeben, damit sie sich bewegen können, damit sie essen und trinken können? Wenn man also davon ausgehen muss, dass es einen Gott gibt, dann lautet die zweite Frage: wie steht es mit der Liebe dieses Gottes zu den Menschen. Hier muss man allerdings sagen, dass es mit dieser Liebe nicht weit her ist. Die Menschheit wird von Gott sogar in einer Weise herabgesetzt und diskreditiert, dass man befürchten muss, das Todesurteil in Form einer endgültiger Vernichtung lässt nicht mehr lange auf sich warten (Man denke nur daran, dass das Mittel zur Selbstzerstörung bereits in Erscheinung getreten ist und von Leuten, die sich bereits meilenweit von Gott entfernts haben, schon mehrfach massiv angedroht wurde).
Doch worin zeigt sich das abwertende und herabsetzende Verhalten Gottes gegenüber der Menschheit? Erwiesenermaßen in zahlreichen berechnenden Planmäßigkeiten: Man überlege einmal, wie Gott die Menschheit, die ihm ausgeliefert ist, im Allgemeinen behandelt: Allein schon die Tatsache, dass er uns während unseres Daseins auf der Erde irgendwann die physische Vernichtung zumutet, obendrein noch, ohne uns Menschen den genauen Zeitpunkt unseres Todes mitzuteilen, liegt doch ein deutlicher Hinweis vor, dass er es mit uns Menschen nicht besonders gut meint. Hinzu kommt, dass er uns in dieses Leben einfach hineingestoßen hat, ohne uns vorher zu fragen. Zum Beispiel hat er uns ein Leben zugemutet, das uns zu völliger Einsamkeit im Kosmos verdammt. Wenn wir heute - was möglich ist - von irgend einem Satelliten, z.B. vom Saturn aus, auf die Erde blicken, was sehen wir? Ein winziger Lichtpunkt steht mitten in der fürchterlichen Leere und Einsamkeit des Kosmos. Zwar sind wir - wie wir wissen - von einer Riesenzahl funkelnder Sterne umgeben, die aber sind derart weit entfernt, dass wir tausende von Jahren reisen müssten, um den nächsten Stern zu erreichen - tausende von Jahren! Stärker kann das beängstigende Alleinsein unseres irdischen Aufenthaltsortes nicht wiedergegeben werden. Und die Planeten in unserer unmittelbaren Nachbarschaft, was ist von ihnen zu sagen? Sie alle sind tote, lebensfeindliche Welten. Man könnte einem solchen Kritiker unseres irdischen Aufenthaltsortes entgegenhalten, das er die liebliche Natur unseres Planeten vergessen hat oder den blauen Himmel und die uns wärmende Sonne. Doch das sind alles nur Verschleierungen unserer gigantischen Einsamkeit im Weltall. Außerdem ist die Natur alles andere als lieblich. Es herrscht dort ein Kampf aller gegen alle, bis hin zum Gefressen-werden. Und zur Menschenwelt sagte ein Philosoph, sie sei eine Art Vorhölle (Schopenhauer), ein anderer nannte sie ‘Wille zur Macht!‘ (Nietzsche). Von einem Gott, der uns Menschen so eine ‘stachelige‘ Existenz zumutet, kann man doch nicht sagen, dass er uns liebt! Aber neben all dieser gewaltigen Einsamkeit, neben der unerreichbaren Wüstenei und Kargheit toter Sterne in unserer Nachbarschaft, bürdet uns Gott außerdem noch eine gefährliches und knüppelhartes Leben auf dem Planeten Erde auf, auf das wir wohl lieber gerne verzichtet hätten. Jemand sagt dann aber: wer so redet, der vergisst das Positive unserer Welt. Das Positive? Der Betreffende meinte z.B. die Jugend, den Lenz des Lebens! Zwar erscheint vielen, wenn nicht den meisten zunächst einmal das Leben auf dem tödlich einsamen Planeten in einem angenehmen, hoffnungsvollen Licht, man bildet sich manch Gemütvolles, Sympathisches, ja Seelenverbindendes ein, doch da täuscht man sich leider. Denn das Licht erlöscht nach und nach oder auch ziemlich rasch, und statt seiner erscheinen uns bald nur noch Leid, Qual und Jammer als das eigentliche Credo unseres Lebens. Mit dieser Deutung des irdischen Lebens stimmt man vollkommen mit Schopenhauers Analyse der menschlichen Schicksale überein; ich zitiere mal: ‚Will man wissen, was die Menschen, moralisch betrachtet, im ganzen und allgemeinen wert sind, so betrachte man ihr Schicksal, im ganzen und allgemeinen. Dieses ist Mangel, Elend, Jammer, Qual und Tod. Die ewige Gerechtigkeit waltet. Wären wir nicht, im Ganzen genommen, nichtswürdig (vor Gott!), so würde ihr Schicksal, im Ganzen genommen, nichts so traurig sein. In diesem Sinne können wir sagen: die Welt selbst ist das Weltgericht.‘ Und dieses ständig tagende Weltgericht, abgesehen von der ungeheuren, totalen Einsamkeit und der gefährlichen, brutal harten Existenz auf der Erde, zeugt auch nicht von einer mildtätigen und einfühlsamen Zuwendung Gottes zu den Menschen.
Wie aber könnten wir dieses rücksichtlose Verhalten Gottes uns Menschen gegenüber erklären? Das heißt: Welches sind die Motive, dass Gott uns Menschen so behandelt?
Ganz einfach: Gott mag die Menschen nicht! Anders ist diese auffällige Rücksichtslosigkeit nicht zu erklären. Und es gibt Gründe dafür: Schopenhauer hat sie genannt: die Menschen sind nichtswürdig, minderwertig, schuldig! Oder wie sonst würde man sich diesen totalen Liebesentzug Gottes gegenüber uns Menschen erklären, diese Unnachsichtigkeit, diese Erbarmungslosigkeit? Wer sich so gegenüber uns Menschen insgesamt verhält, wie es Gott tut: Leben auf einem völlig einsamen, dabei gefährlichen, stets vom Tod umlauerten Kleinplaneten, wo wahllos unsere physische Existenz auslöscht werden kann, wo die Menschen in einer Welt leben, die vom Willen zu Macht regiert werden und wo sie zwar inmitten einer herrlichen Natur leben, die aber nur deshalb bestehen kann, weil die tierischen Wesen sich gegenseitig auffressen - diese leidtragenden Menschen müssen es ja mit Gottes guten Willen, mit dessen Sympathien vollkommen verscherzt haben!
Doch mancher wird antworten: Nicht alle haben es mit Gott verscherzt: Viele werden mit hohen Begabungen ausgestattet, sie haben gegenüber den Talentlosen, schlichten und einfachen Menschen jede Menge Vorteile im Leben. Dem antworte ich: Und wie viele der Hochbegabten müssen ein ähnlich dürftiges Leben fristen wie zum Beispiel Van Gogh, Beethoven oder Hölderlin. Diese Begabten wie auch die Dürftigen werden doch im Leben durch die gleiche Mangel gedreht. Außerdem: je älter alle zusammen werden, desto schlimmer werden ihr Leiden, ihre Gebresten, ihre Hinfälligkeit!“
Ein anderer wird sagen: Wie war es mit Goethe? Ihn haben die Götter doch in Schutz genommen. Er hat sein Leben sogar als ein Kunstwerk angesehen! Ja, das könnte sein, eventuell war tatsächlich Goethe die großen Ausnahme, wenn man mal von seinen unzähligen unglücklich verlaufenden Liebschaften absieht.
Jetzt wird man natürlich fragen, was wir gegen die Rücksichtslosigkeit Gottes tun können, damit sich diese nicht mehr so in Form von Vergeltung, sondern mehr - sagen wir: als Wohlwollen oder Freundlichkeit zeigt?“
Leider habe ich da auch kein Rezept. Oder soll ich sagen, wir sollen unsere Schuld bereuen, das heißt: in Zukunft ohne jede Schuld weiterleben? Also wie ein Heiliger sein Dasein fristen? Wer leben will, muss auch Schuld auf sich laden, wer aber zu einem Heiligen wird, ist doch nicht mehr lebensfähig!"
Aber man könnte sagen, dass man in Zukunft so wenig Schuld wie nur irgend möglich auf sich nehmen kann. Aber allein ein Leben fast ohne Schuld bedeutet: der Mensch lebt einsam, isoliert. Wer viele Freunde haben will, muss eine Persönlichkeit sein; die aber wird man nur, wenn man etwas darstellt, wenn man es in seinem Beruf zu etwas gebracht hat, wenn man von den anderen, die von dem Ansehen dieser Persönlichkeit hören, anerkannt wird. Aber der mit viel Persönlichkeit Begabte macht sich dann wieder schuldig, weil er über solche, die über wenig Persönlichkeit verfügen, die Nase rümpft, sie oft verhöhnt, auf jeden Fall gering schätzt."
Wenn man in diesem Zusammenhang wieder mal an den Philosophen Schopenhauer denkt, dann könnte man einer Lösung der Frage, wie man leben soll, näher kommen. Aus Schopenhauers Sicht gesprochen müsste es eigentlich heißen: was können wir Menschen dafür, das wir von Geburt an mit so einem bösen Willen ausgestattet sind, der uns immer wieder dazu anleitet, alle die schönen Dinge dieser Welt zu lieben und sie uns gerne auch anzueignen? Gott selbst hat uns doch diesen bösen Willen eingepflanzt. Wenn er dann uns Menschen deswegen nicht leiden kann, dann ist er... ist er doch selber schuld, dass die Menschen so böse sind."
Doch ich sage dazu: der Wille bei Schopenhauer ist etwas anderes als der Wille, den uns Gott gegeben hat: Schopenhauers Wille hat etwas Zwanghaftes, Böses an sich. Wer sich ihm total ergibt, begibt sich sozusagen auf die Spur des Teufels. Dieser Wille verspricht dem Menschen das Heil auf der Welt, und auf ihn zu verzichten bedeutet, auf sein ganzes Glück auf Erden zu verzichten. Man erkennt diese "Willensleute" daran, dass sie im Leben groß herauskommen wollen, dass sie ein möglichst tollen Leben führen wollen, das sie berühmt werden wollen. Gott kann man für derartige Bestrebungen nicht verantwortlich machen. Derartige "Bestrebungen" werden nur von Schopenhauer behauptet, und der war Atheist, das heißt, für ihn bleibt Gott aus dem Spiel. Gott liebt eher denjenigen, der sich von der Welt zurückzieht, der zur Welt und ihren Freuden Abstand hält.
Aber darf man nicht auch ehrgeizig sein auf der Welt? Jedenfalls nicht ehrgeizig, in dem man sich dem Schopenhauerischen Willen unterwirft, denn der führt den Menschen zu weit weg von Gott. Der Wille, den Gott anerkennt und den er selbst im Menschen geschaffen hat, ist eben nicht 'von Grund auf böse', sondern er ist bescheidener, indem man sich nicht zu weit von Gott entfernt. In dieser maßvollen Form darf der Mensch - meine ich - auch im Leben ehrgeizig sein.
Ich glaube, die Abneigung Gottes gegenüber den Menschen hängt mit der Tatsache zusammen, das die allermeisten sich einem Willen unterwerfen, der von Grund auf böse ist, also dem schopenhauerischen Willen. Wer sich also nicht zu weit von Gott entfernt, könnte auf Erlösung von dieser (bald dem Untergang ausgelieferten) Welt rechnen. Ich sage: "könnte". Denn er muss der christlichen Lehre folgen, und die ist eine reine Glaubensangelegenheit.