Das ist eine sehr interessante Frage, bei der es tatsächlich auf mehrere Faktoren ankommt, die man näher betrachten sollte. Zunächst einmal spielt der genaue Hintergrund der Untersuchung eine große Rolle – also aus welchem Anlass eine Urinprobe abgegeben wird und mit welcher Fragestellung sie im Labor analysiert wird. Denn Urin ist nicht gleich Urin – beziehungsweise: Eine Urinprobe kann auf ganz verschiedene Dinge untersucht werden, je nachdem, was der Arzt oder die Ärztin vermuten oder ausschließen möchten.
Nimmt man zum Beispiel eine klassische Blasenentzündung als Verdachtsdiagnose, dann wird in der Regel ein sogenannter Urinstatus gemacht. Dabei geht es vor allem um Hinweise auf Entzündungszellen, Bakterien, Nitrit, eventuell Blut und Eiweiß im Urin. Diese Untersuchung kann entweder über Teststreifen (Schnelltest) erfolgen oder genauer im Labor – manchmal sogar mit einer Urinkultur, bei der versucht wird, die verantwortlichen Bakterien anzuzüchten. Diese Vorgehensweise ist in der Hausarztpraxis weit verbreitet, da sie zügig Informationen liefert, um zum Beispiel über die Gabe eines Antibiotikums zu entscheiden. Allerdings konzentriert sich diese Analyse fast ausschließlich auf Bakterien, die typischerweise Harnwegsinfekte auslösen – etwa Escherichia coli.
Jetzt ist natürlich die Frage, ob im Zuge dieser Standarduntersuchungen auch gleich Informationen zu sexuell übertragbaren Infektionen (STIs) sichtbar werden. Und hier wird es interessant – denn obwohl einige STIs durchaus im Urin nachweisbar sind, bedeutet das nicht, dass sie automatisch mituntersucht werden. Tatsächlich hängt das stark davon ab, ob gezielt ein Test auf bestimmte Erreger beauftragt wurde. Das Labor schaut also nicht „einfach mal mit“, sondern führt spezifische Tests nur dann durch, wenn sie ausdrücklich angefordert wurden.
Man muss sich also klarmachen: Der Urin kann zwar viele Informationen liefern, aber es kommt sehr auf die Fragestellung an. Ein Beispiel: Wenn jemand Beschwerden beim Wasserlassen hat, könnte das sowohl ein Harnwegsinfekt als auch eine sexuell übertragbare Infektion wie Chlamydien oder Gonorrhö sein. Der Unterschied liegt dann in der ärztlichen Einschätzung: Besteht ein STI-Verdacht, wird in der Regel ein sogenannter Erreger-Nachweis durchgeführt – meist durch einen PCR-Test, bei dem gezielt nach dem Erbgut bestimmter Bakterien oder Viren gesucht wird. Diese Tests sind aufwendiger und kostenintensiver als ein einfacher Urinstatus und müssen deshalb gezielt angefordert werden.
Hinzu kommt: Nicht alle STIs lassen sich im Urin nachweisen. Manche Infektionen – etwa Syphilis oder HIV – erfordern Blutuntersuchungen. Andere wiederum, wie Herpes genitalis, lassen sich nur durch Abstriche oder durch das Erkennen typischer Hautveränderungen diagnostizieren. Und dann gibt es noch die Situation, dass eine Person gar keine Symptome hat, aber dennoch eine STI übertragen kann – ein weiterer Grund, warum solche Infektionen nicht zufällig bei Routineuntersuchungen auffallen.
Insgesamt zeigt sich also: Eine Urinprobe kann viele Informationen liefern, aber sie zeigt nicht automatisch alles. Es kommt ganz darauf an, was gesucht wird – und ob der Arzt oder die Ärztin einen begründeten Verdacht hat oder eine gezielte Untersuchung auf Geschlechtskrankheiten für sinnvoll hält. Die Entscheidung dafür ist individuell, hängt vom Gespräch mit der betroffenen Person ab und davon, ob Risikofaktoren oder Symptome vorliegen, die den Verdacht in diese Richtung lenken.
Es ist also nicht unbedingt so, dass bei jeder Urinuntersuchung „nebenbei“ auch gleich sexuell übertragbare Infektionen mitgeprüft werden. Dafür braucht es in der Regel einen gezielten Auftrag – und manchmal auch den Mut, das Thema offen anzusprechen.