Hallo.
Du solltest unbedingt die Romane lesen, dann werden dir die Zusammenhänge klarer.
Ja, er genießt innerhalb der magischen Gesellschaft teilweise eine Vorzugsbehandlung, was schlicht daran liegt, dass er das berühmte Wunderkind ist, welches als Kleinkind auf unerklärliche Weise über Lord Voldemort triumphieren konnte – mit Ausnahme von Dumbledore und einigen Auserwählten weiß schließlich keiner, was in der Halloweennacht 1981 geschah. Harry wird als Held und Retter angesehen, doch für die breite Masse ist vollkommen irrelevant, wie er den Dunklen Lord besiegt haben soll, lediglich das Ergebnis zählt. In unserer Gesellschaft gibt es ebenfalls Berühmtheiten, die eigentlich nichts gemacht haben, um diesen Ruhm zu verdienen, aber trotzdem bejubelt werden.
Dass Harry der Liebling aller Lehrer sein soll, stimmt so nicht ganz. Die meisten Lehrkräfte wie McGonagall, Flitwick oder Sprout behandeln ihn ganz normal, selbst Snape kann man nicht wirklich unterstellen, dass er Harry mit seinen Gemeinheiten eine besondere Rolle zukommen lässt, weil Snape ziemlich eklig zu allen Nicht-Slytherins ist, und bspw. Neville hat mindestens ebenso unter Snapes Schikanen zu leiden wie Harry Potter.
Die einzigen Lehrer, die Harry irgendwie besonders behandeln, sind Lockhart, der gerne im Rampenlicht steht und sich deswegen an den berühmten Harry Potter ranschmeißt, Lupin, der immerhin der beste Freund von Harrys Vater war und deswegen wahrscheinlich ein bisschen sentimental ist, Crouch jr. (als Moody), der gezielt Harrys Vertrauen gewinnen will, Umbridge, die Harry im negativen Sinne eine besondere Rolle zukommen lässt, weil sie glaubt, er wäre eine Schachfigur in Dumbledores vermeintlichem Plan, das Ministerium zu übernehmen, Slughorn, der sich, ähnlich wie Lockhart, gerne mit Berühmtheiten oder potenziellen Berühmtheiten in spe umgibt, und natürlich Dumbledore.
Dumbledore bevorzugt Harry Potter, weil er um die Prophezeiung weiß und deren Inhalte kennt, aber man könnte sich streiten, ob sein Verhalten nun machiavellistisch oder beschützend ist, wahrscheinlich trifft letztlich beides zu. Die Aufmerksamkeit, die er Harry vor allem in den späteren Romanen zukommen lässt, dient einem größeren Wohl, er bildet Harry zu Voldemorts Nemesis aus, bereitet ihn sukzessive auf seine besondere Rolle im Kampf gegen den Dunklen Lord vor. Den Krieg – Dumbledore ist einer der wenigen, die nie an Voldemorts Vernichtung geglaubt haben – zu gewinnen, das ist Dumbledores Lebensziel und da Harry Potter durch die Prophezeiung und durch Voldemort zu etwas Besonderem gemacht wurde, behandelt Dumbledore ihn freilich ebenfalls als etwas Besonderes. Dass Harry ständig mit seinem Schulleiter „abhängen“ würde, stimmt so aber auch nicht. Da Harry besonderes Vertrauen in Dumbledore hat, wendet er sich freilich bevorzugt an ihn, aber er ist ein Kind/Jugendlicher, er sieht die Welt anfangs schwarz und weiß und in dieser Welt ist Dumbledore der allmächtige Heiland, der alles zum Guten wenden kann. In einer Schule ist der Direktor natürlich die mächtigste Instanz und da Harry sich teilweise selbst für überaus wichtig nimmt, sieht er es als gerechtfertigt an, in allen Belangen sofort zum Schulleiter zu rennen. Harry bemerkt logischerweise, dass Dumbledore ihn anders als die anderen Kinder behandelt, aber bis zum Ende des fünften Bandes versteht er gar nicht, wieso das so ist. So etwas kann einem Kind schon zu Kopf steigen.
Aber ja, es gibt einige Szenen, in denen Harry Potter definitiv bevorzugt wird. Bspw. als er in das Hausteam aufgenommen wird und sich nicht mit einem jämmerlichen Schulbesen begnügen muss, sondern seinen eigenen Rennbesen haben darf, obwohl es eigentlich gegen die Schulregeln ist, und nicht irgendeinen, sondern das modernste und teuerste Modell, welches zu dieser Zeit käuflich erwerbbar war, und das wahrscheinlich auch noch von der Schule bezahlt wurde. Oder als Dumbledore so viele Hauspunkte an Harry, Hermine, Ron und Neville verteilt, dass Gryffindor den Hauspokal gewinnt, wobei es sich dabei eigentlich mehr um Nepotismus als Bevorzugung Harrys handelt.
Harrys Fehlverhalten hat durchaus Konsequenzen, in seinen sechs Schuljahren muss er mehrmals zum Nachsitzen und Strafarbeiten erledigen, allerdings herrscht in Hogwarts eine autarke „Rechtsprechung“, wodurch teilweise der Eindruck entsteht, dass Harry und Co. ungeschoren davonkommen. Nachsitzen als Bestrafung dafür, dass er Draco fast umbringt, scheint natürlich ungerechtfertigt milde, aber andererseits wird Draco gar nicht dafür bestraft, dass er Katie Bell und Ron schwer verletzt – in „Halbblutprinz“ genießt Draco nämlich unwissentlich auch eine gewisse Vorzugsbehandlung durch Dumbledore.