Du liegst aber dennoch falsch, denn an zwei Unis mit zwei unterschiedlichen Profs, heißt es, dass dies keine 5-bindigkeit ist.
Jetzt bist du aber im Zugzwang! :-)
Einfach nur ein "es heißt, dass" gilt in der Wissenschaft nicht, soetwas ist unseriös. "Zwei Unis mit zwei unterschiedlichen Profs" gilt ebenfalls nicht, solange du nicht explizit klarstellst um welche Universitäten es sich handeln soll, um welche Professoren es sich handeln soll, in welchem Wissenschaftszweig diese tätig sind, und vor allem, ob die Professoren selbst diese Aussage getroffen haben, oder irgendein Werksstudent, der die Übung zur Vorlesung gemacht hat. Auch ein "mir wurde persönlich mitgeteilt, dass" erachte ich in diesem Fall als eher unzulänglich. Etwas Schriftliches wäre schön. :-)
Also: Quellenangaben zu seriöser Wissenschaft bitte.
Ich befürchte, du hast, als die Verbindung CH5+ besprochen wurde, nur halbherzig hingehört. Vermutlich hast du mitbekommen, dass das Kohlenstoffatom in der Verbindung CH5+ "nur tetravalent sein kann", oder vielleicht auch so formuliert: "Es kann eigentlich nur vierbindig sein". Könnte es sein, dass dann aber der Part mit dem "aaaaber, wie wir sehen bindet es fünf Bindungspartner und ist daher fünfbindig!" an deiner Aufmerksamkeit vorbeigehuscht ist, weil die Studentin auf dem Nachbarsitz so hübsch war? ;-)
Was meinst du denn, warum ausgerechnet diese eine Verbindung, aus dem Pool aller zig Millionen mittlerweile bekannter und noch viel mehr unbekannter, theoretisch "möglicher" Verbindungen besprochen wurde? Weil sie so besonders entsetzlich langweilig ist, und nur ein weiteres Beispiel für zig Millionen andere, vierbindige Kohlenstoffatome abgibt? Eben nicht: Sie wurde besprochen, gerade eben weil sie ein besonderer Spezialfall ist.
Warum schreibst du nicht einfach mal deinen Professoren von damals und fragst sie, wie sie das sehen? Im Übrigen: Du hast studiert (und ich vermute, ein Examen bestanden), also giltst du als mündig genug, um dir ein eigenes Bild der Dinge zu machen. Es ist sogar so, dass dieses Bild auch mal von der (damaligen, vielleicht nicht einmal mehr der heutigen) Meinung deiner ehemaligen Dozenten abweichen darf! :D
Vergiss bitte übrigens nicht, dass es immer besonders dann, wenn es um leicht schwammige Begriffe wie die "Bindigkeit" geht, auch mehrere Meinungen zur Interpretation existieren. Eine gängige Interpretation für Bindigkeit ist es halt nun mal, sie von "Kovalenz" als Anzahl physikalisch ausgebildeter Bindungen zu unterscheiden, und als Kontrast mit "Bindigkeit" (woher kommt dieser deskriptive Name eigentlich?) die Anzahl der Bindungen zu zählen, die beobachtet werden. Das macht man übrigens nicht nur bei Kohlenstoff, sondern beispielsweise auch bei Bor im Fall von "vierbindigem Bor". Um mal nicht mit "an zwei unterschiedlichen Unis heißt es" zu kommen, ein paar konkrete Beispiele:
Mayr, Herbert (1985): Von Paracelsus zum fünfbindigen Kohlenstoff. Der Einfluß der Carbokationen-Forschung auf die Strukturtheorie organischer Moleküle. In: Focus MHL, Vol. 2: S. 211-221
https://epub.ub.uni-muenchen.de/3914/
Vierbindiges Bor, auf Seite 1410 in diesem Paper von der Uni Mainz:
https://www.degruyter.com/downloadpdf/j/znb.1977.32.issue-12/znb-1977-1210/znb-1977-1210.pdf
Artikel "Fünfbindiger Kohlenstoff" in Chemie in Unserer Zeit, bereits 1978, beachte den Titel in Anführungszeichen, da man sich der Problematik bewußt war, nichtsdestotrotz wurde dieser Titel mit eben diesem Wortlaut verwendet:
https://onlinelibrary.wiley.com/doi/abs/10.1002/ciuz.19780120303
Es ist eine so genannte Dreizentren- Zweielektronen-Bindunf wie schon erwähnt. Deine Erklärung mit "durchschwingen" mag zwar schön und gut sein, aber es werden niemals 5 Bindungen Zeitgleich vorhanden sein. Das belegt auch die Studie: Das Bindende Elektronen-Paar des H2-Moleküls teilt sich die Bindung, daher auch der permanente Wechsel der Positionen der H-Atome (das ist dein Berry-Mechanismus, will ich nicht leugnen).
Irgendwie werde ich den Eindruck nicht los, dass du nicht wirklich liest was ich dir schreibe. Ich hatte oben auf ausführlichste Art und Weise erläutert, dass es einen Gegensatz gibt zwischen der zu einem konkreten Momentan-Zeitpunkt realisierten Anzahl physikalischer Bindungen einerseits, und der beobachteten Anzahl von kovalenten Bindungen andererseits. Wieso ignorierst du das?
Die 2-Elektronen-3-Zentren-Bindung erklärt die Bindungsverhältnisse in der "Momentaufnahme" in einer Art und Weise, die nicht in Konflikt mit den heutigen Modellen der Bindungstheorie steht. Diese vierbindige Momentanaufnahme ist aber aufgrund ihrer enormen Kurzlebigkeit extrem (!) schwierig in der Realität greifbar und wird nicht (!) beobachtet.
Beobachtet wird anstatt dessen ein Molekül, in der das Kohlenstoffatom nach bestem Wissen und Gewissen fünfbindig ist. Man schreibt daher die Verbindung üblicherweise nicht (!) in der Form mit der 2-Elektronen-3-Zentren-Bindung, sondern in der Form mit fünfbindigem C-Atom.
Das ist ein reiner Formalismus, der nicht falsch ist: Das Kohlenstoffatom ist zwar fünfbindig, was die Experimentalchemiker erfreut weil ihre Beobachtungen damit übereinstimmen, aber das Kohlenstoffatom ist trotzdem noch tetravalent, weswegen auch die theoretischen und physikalischen Chemiker damit zufrieden sind.
Lass uns dabei nicht vergessen: Es geht hier nicht darum, die Frage "Wer hat recht, der mit dem fünfbindigen Methaniumion, oder der mit dem Addukt?" mit einem endgültigen ja oder nein zu beantworten. Stattdessen geht es nur darum, ob ein Schüler, wenn er einen Kohlenstoff mit fünf Strichen gezeichnet hat, zwangsweise irgendetwas 100 mal schreiben sollte oder nicht. Angesichts der Tatsache, dass in der chemischen Fachliteratur entsprechende Begriffe nicht ungängig sind, und angesichts der Tatsache dass das CH5+ üblicherweise mit fünf identischen Bindungsstrichen dargestellt wird: Ich rate davon ab, Schüler den von dir vorgeschlagenen Satz schreiben zu lassen, vor allem wenn es gleich 100 mal sein soll.
Schön übrigens, dass du die Möglichkeit der Pseudorotation nicht "ableugnest". :-D
Sie ist leider nicht "meine" Pseudorotation (ich wäre stolz darauf, hätte ich das Konzept erdacht und erstmals beschrieben), sondern ein recht gängiges Konzept in der Chemie, das halt anscheinend einfach nur irgendwie an dir vorbeigeschlüpft ist, während deines Studiums (es gibt viel zu viele Dinge in der Chemie, um sie alle zu lernen, obwohl dieses hier recht nützlich zum Verständnis vieler Dinge ist). Wie ich dir aber gezeigt hatte, ist Pseudorotation nicht nötig, um einen mehr als vierbindigen Kohlenstoff zu "sehen". Es geht auch ohne sie (was natürlich nicht heißen soll, dass der Kohlenstoff trotzdem immer nur tetravalent ist).
Mal ein paar andere Fragen, da du die 2-Elektronen-3-Zentren-Bindung fortlaufend betonst: Ist dir bewußt, dass auch diese nur ein näherndes Modell ist? Wenn ja, ist dir wirklich, auch intuitiv bewußt, dass man in der (Molekül)Orbitaltheorie die Orbitale nur näherungsweise voneinander separiert betrachten darf, dass tatsächlich aber die Orbitale immer als Mehrzentren-Orbitale ("kanonische Orbitale") über alle Atome delokalisiert sind? Wenn ja, was folgerst du daraus, bezüglich der Beantwortbarkeit der Frage, wie hoch die "Bindigkeit" im CH5+ ist?
Und, scherzhaft mit einem Kern Wahrheit, um noch ein Wenig esoterischer zu werden: Ist dir bewußt, dass nicht nur den Elektronen, sondern auch den Atomkernen selbst eine Wellenfunktion zugeordnet werden muss, und dass bei Bewegung der Atome als Pseudorotation, Vibration, etc., "infolge" der Unschärferelation, deren exakter Ort zu keinem Zeitpunkt absolut exakt festgelegt werden kann, dass also strenggenommen auch diese Dynamik achselzuckend als "können wir halt nicht so genau machen, brauchts aber auch nicht" hingenommen werden müsste? :D
Die Realität ist oft anders, als man sie gerne hätte.