Schutz der Mutter oder Recht auf Leben? Die Debatte über das Abtreibungsrecht in Frankreich

Frankreich durchlebt derzeit die Folgen eines historischen Votums. Mit einer eindeutigen Mehrheit wurde kürzlich im Schloss von Versailles entschieden, das Recht auf Abtreibung in die Verfassung zu übernehmen.

gutefrage-Redaktion
7.3.2024
Flagge Frankreichs

Straffreiheit oder komplette Verbote - weltweite Regelungen im Umgang mit Schwangerschaftsabbrüchen

Debatten um Schwangerschaftsabbrüche gibt es international - und besonders die politischen Entscheidungen dazu fallen teilweise mehr als gegensätzlich aus.

Ein paar Beispiele zu den unterschiedlichen rechtlichen Lagen weltweit:

Europa


Das strengste Land in Europa - Malta: Bis Juni letzten Jahres war Abtreibung dort unter allen Umständen verboten. Eine kleine Lockerung gab es dann durch das Parlament - erlaubt sind nun Schwangerschaftsabbrüche, wenn die Mutter in akuter Lebensgefahr ist oder durch Ärzte nachgewiesen werden kann, dass eine Fortsetzung dazu führen könnte.

Auch in Polen ist eine Abtreibung nur zur Erhaltung der Gesundheit erlaubt.

Seit 2018 sind hingegen im katholischen Irland Abbrüche bis zur zwölften Schwangerschaftswoche erlaubt.

Spanien hat seit Februar letzten Jahres einen Rechtsanspruch auf Abtreibung eingeführt, die Bedenkzeit, die es zuvor gab, wurde gestrichen. Die Beendigung der Schwangerschaft wird in öffentlichen Gesundheitszentren kostenlos vorgenommen.

Am liberalsten ist die Regelung in den Niederlanden. Bereits seit 1984 sind Abbrüche dort erlaubt, solange der Fötus außerhalb des Körpers der Mutter nicht lebensfähig ist. Das entspricht etwa der 22. bis 24. Woche. Es bedarf zwar eines Beratungsgespräches, doch die Bedenkzeit gilt nicht mehr. Trotz der liberalen Regelungen haben die Niederlande eine der niedrigsten Abtreibungsquoten der Welt.

Deutschland: Offiziell sind Schwangerschaftsabbrüche verboten. Dies gilt nur dann nicht, wenn die Frau sich in einer staatlich anerkannten Einrichtung beraten lässt und bestimmte Fristen danach einhält. Ausnahmeregelungen gibt es bei gesundheitlichen Notlagen und Sexualstraftaten.

Beispiele der Regelungen außerhalb Europas:

In Kanada wurde bereits 1988 das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch ersatzlos gestrichen. Es gibt also weder Einschränkungen durch das Alter, die Gesundheit oder die sozialen, bzw. ökonomischen Bedingungen. Auch gibt es keine Fristen. Eine Abtreibung zählt als medizinische Versorgung.
Ein sprunghafter Anstieg der Abtreibungen nach der Entkriminalisierung blieb entgegen der Erwartungen von Kritikern aus.

USA: Es gibt nach der Aufhebung des Grundsatzurteils "Roe v. Wade" aus dem Jahr 1973 keine einheitliche Regelung mehr. Zuvor war auf nationaler Ebene eine Abtreibung für zulässig erklärt worden. Die Regelungen variieren dort gänzlich und reichen von weitestgehenden Verboten bis zur gesetzlichen Regelung, das ein Recht auf Abtreibung festhält.

Auch in Lateinamerika gehen die Regelungen weit auseinander. Kolumbien beispielsweise legalisierte Abbrüche bis zum sechsten Monat, auch Argentinien und Mexiko haben 2022 ihre Verbote gelockert.
Honduras, Nicaragua und El Salvador stehen auf der gegenteiligen Seite: Abtreibungen sind hier sogar bei Vergewaltigung und Inzest verboten. Die Gesetzeslage in El Salvador ist dabei am striktesten: Faktisch stehen dort sogar Fehl- und Totgeburten unter Strafe.

Afrika: Ähnlich wie in den vorigen Regionen gibt es auch hier unterschiedliche Regelungen. Erlaubt Südafrika beispielsweise innerhalb bestimmter Fristen die Abtreibung, so verbieten es Ägypten oder auch Kongo-Brazzaville komplett.
In
Nigeria gilt noch ein Verbot der Kolonialmacht Großbritanniens aus dem 19. Jahrhundert - nichtsdestotrotz herrscht dort eine der höchsten Abbruchsraten der Welt, ebenso ist die Müttersterblichkeit die höchste weltweit. Der Grund: Abtreibungen werden illegal und häufig unsicher vorgenommen.

In Asien gibt es ebenfalls verschiedene Gesetze. Japan und China erlauben den Eingriff als legale Möglichkeit zur Geburtenkontrolle. Allerdings muss in Japan, wie auch in Taiwan und Südkorea bei einer Abtreibung auch die Zustimmung des Partners vorliegen.
In
Indonesien ist Abtreibung hingegen verboten, Indien erlaubt sie unter bestimmten Voraussetzungen.

In Australien sind Abbrüche legal, jedoch hängt der Zeitpunkt vom Bundesstaat ab - teils kann der Eingriff bis zur 24. Woche vorgenommen werden. In Neuseeland ist der Abbruch bis zur 20. Woche erlaubt.

Eine Übersicht der Regelungen gibt es auch visuell auf einer Karte - diese findet Ihr hier.

Richterhammer

Das Votum in Frankreich und die Hintergründe

Schloss von Versailles, Saal

Im Schloss von Versailles wurde darüber abgestimmt, ob das Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufgenommen werden solle. Ein Vorstoß, der vom Staatspräsident Emmanuel Macron.

780 Parlamentarier stimmten mit "Ja", lediglich 72 mit "Nein". Damit steht fest: Die "Freiheit zur Abtreibung" wird in die französische Verfassung mit aufgenommen. Mit dieser eindeutigen Formulierung und Festlegung handelt es sich dabei um ein weltweites Novum.

Mehrere Redner, die an der Abstimmung teilnahmen, bezeichneten dieses Geschehen als ein historisches Ereignis.

Ausgelöst wurde die Debatte um die Aufnahme des Rechts in die Verfassung tatsächlich durch die Entscheidung des Supreme Courts in den USA, der bereits oben thematisiertes Urteil "Roe v. Wade" 2022 kippte.

In Frankreich begannen daraufhin massive öffentliche Debatten mit der Folge, dass ein politischer Prozess in Gange gesetzt wurde, welcher letztlich zur beschriebenen Abstimmung und nun zur Änderung der Verfassung führte.

Gegenstimmen und Proteste

Auch bei diesem Votum gab es, so wie bei den meisten politischen Entscheidungen, Gegenstimmen und Proteste.

Hunderte Abtreibungsgegner versammelten sich in der Nähe des Schlosses, um gegen die Verfassungsänderung zu protestieren.

Auch die katholische Kirche verfasste ein klares Statement und positionierte klar, dass die Kirche weiterhin gegen Abtreibungen sei.

Protestbild

Kontroverse Themen - erklärt und diskutiert in unserer Meinung des Tages

Jeden Werktag fragen wir über den offiziellen gutefrage-Account unsere Community, was sie über brandaktuelle Themen denkt.

In einem kurzen Abschnitt zu Beginn könnt Ihr dabei eine Zusammenfassung des Inhalts lesen. Wer mehr wissen möchte, findet im Anschluss einige Hintergründe, Erklärungen und gegebenenfalls die politischen Reaktionen darauf. Auch bei diesem Thema wollten wir die Meinung unserer Nutzer wissen.

okieh56 kam beruflich selbst mit dem Thema in Berührung und spricht sich eindeutig für die Entscheidung aus. Die Befürwortung wird von vielen Usern geteilt:

Ich finde es gut. Eine Frau soll selbst entscheiden dürfen, ob sie ein Kind bekommt oder nicht. Es ist ihr Körper und ihr Leben. Diese Entscheidung trifft niemand leichtfertig, sondern nur nach gründlicher Überlegung.

Ich kann das beurteilen, weil ich in der Kundenbetreuung einer großen Krankenkasse gearbeitet habe und viele solcher Fälle kenne.

Natürlich ist die Kirche in ihrer Rückständigkeit dagegen, aber Frankreich ist ein säkularer Staat. Es wäre schön, wenn auch Deutschland wirklich ein säkularer Staat wäre - der wir ja vorgeben zu sein.

Zumindest bei bestimmten Indikationen bzw. unter bestimmten Auflagen ist auch bei uns eine Abtreibung straffrei. Frankreich ist nur noch einen Schritt weiter gegangen, was ich sehr begrüße.

Zur Antwort

Doch es gibt auch einige Gegenstimmen, die an der Entscheidung zweifeln. Nutzer wolfruprecht fasst das beispielsweise wie folgt zusammen:

Fakt ist: Bei einer Abtreibung wird ein ungeborener Mensch mit Vorsatz getötet.

Ein weiteres Faktum ist, dass sich der Mensch nicht zum Menschen, sondern als Mensch entwickelt, und zwar von Anfang an.

Ein Recht auf Abtreibung bedeutet das Recht, einem wehrlosen Menschen sein Leben zu nehmen, um für sich einen Vorteil zu haben oder einen Nachteil abzuwenden.

Für jede Gesellschaft besteht die Gefahr, in die Barbarei abzugleiten und Gesetze zu erlassen, die Menschen ihren Wert, ihre Würde und ihr Lebensrecht absprechen.

Es ist für mich erstaunlich, dass eine Gesellschaft so leben will. Das gilt natürlich nicht nur für Frankreich, sondern auch für Deutschland.

Meine persönliche Einstellung dazu ist: Ich will es nicht.

Und meine Meinung dazu ist: Es ist gut, dass sich Widerstand dagegen zeigt und Menschen dafür einstehen, dass alle Menschen in jeder Phase ihres Lebens das Recht auf Leben haben und dieses ihnen nicht genommen werden darf.

Zur Antwort

Einige Nutzer finden auch den Mittelweg nach wie den Richtigen. Mahliman beispielsweise findet, dass die Umstände entscheiden sollten, ob eine Abtreibung vorgenommen werden darf oder nicht:

Ich finde das Recht zur Abtreibung Wichtig, zB. im Falle einer Vergewaltigung usw. ist dass sehr wichtig, natürlich nur wenn man es früh genug macht. Aber nur weil Personen unvorsichtig sind und nicht nachdenken sollte keine Abtreibung erlaubt werden. es kommt also darauf an.

Zur Antwort

Ein kurzes Fazit und ein paar Hinweise zur Meinung des Tages..

Es ist wenig überraschend, dass die Meinungen auch in der Community gespalten sind - schließlich sind sie das weltweit auch. Das wird allein durch die international stark abweichenden Regelungen deutlich.

In Deutschland wurde durch die Ampelregierung ein lange existentes Verbot gekippt - und zwar das Werbeverbot für Abtreibungen, einst festgehalten durch den §219a. Bis Juni 2022 durften Ärzte öffentlich keine Informationen über Ablauf und Durchführung von Schwangerschaften bereitstellen. Seit der Abschaffung des Paragraphs ist es ihnen nun beispielsweise möglich, auf der eigenen Website sachlich darüber aufzuklären. Von Relevanz ist dabei die "sachliche" Aufklärung.
Das Thema ist also auch hierzulande noch vor nicht all zu langer Zeit politisch (in)direkt wieder verstärkt ins Gespräch gekommen.

Ob und was sich an der rechtlichen Lage in Deutschland in Zukunft ändern wird, bleibt abzuwarten. Zu stark tendieren derzeit die Meinungen der Parteien auseinander.

Hast Du auch eine Meinung zu dem Thema? Dann diskutier doch einfach direkt hier mit.

Über die Meinung des Tages:

Jeden Werktag recherchieren wir nach brandaktuellen Themen und stellen dazu eine kontroverse Frage. Themen, die besonders gut diskutiert wurden, werden von uns anschließend hier in einem Highlightseiten-Artikel nochmal ausführlicher beleuchtet - man lernt schließlich nie aus! Dabei lesen wir auch immer sorgfältig nochmal all Eure Meinungen dazu - diejenigen, die am besten bewertet wurden und fundiert eine Meinung darstellen, werden von uns in den Artikel eingebaut. Mit etwas Glück kann also auch Deine Antwort beim nächsten Artikel dabei sein - und Du kannst bei Deinen Freunden mächtig damit prahlen.

Wir freuen uns auf Deine Meinung!

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