Kriegsgefahr in Europa - purer Alarmismus oder bittere Realität?

Verteidigungsminister Boris Pistorius erklärte kürzlich in , dass Deutschland "kriegstüchtig" werden müsse. Eine Aussage, die die Gemüter erregt - in unserem Format "" haben wir nachgefragt, was die Community von dieser Aussage hält.

gutefrage-Redaktion
3.11.2023
Die Silhouette von drei Soldaten, die viel Gepäck und auch Waffen tragen

Es ist deutlich zu sehen, dass immer mehr Konflikte militärisch ausgetragen werden. Doch nicht nur das, die Kriege rücken näher. Das wird spätestens deutlich, wenn ein Blick auf den Ukraine-Konflikt geworfen wird. Länder- und Bündnisverteidigungen sind kein historisches "Relikt" mehr, sie sind vielmehr wieder an der Tagesordnung - und das auch für Deutschland. Derzeit besteht zwar noch keine direkte Involvierung der BRD, doch es ist nicht im Bereich des Unmöglichen, dass sich dies ändert. Doch ist Deutschland dafür bereit? Verteidigungsminister Pistorius hat Zweifel.

Die Gefahr eines Krieges in Europa - eine Einschätzung

Pistorius ist mit seiner Aussage einen Schritt gegangen, den sich der ein oder andere Politiker zwar vielleicht bereits gedacht haben mag, jedoch vor der Umsetzung bisher zurückschreckte.

Stefanie Babst, Politologin und ehemalige Strategin bei der Nato, äußert ihre Meinung diesbezüglich relativ klar: Deutschland habe ein Problem damit, seinen militärischen Werkzeugkasten in die politische Debatte einfließen zu lassen und ein klares Statement zu setzen, dass es sich verteidige. Sie forderte besonders im Bezug auf den Ukraine-Konflikt, der ihres Erachtens bereits in Deutschland angekommen ist, eine strikten Kurswechsel. (Mehr dazu hier). Zustimmung erhält sie im Punkto strategischer Umgang mit militärischen Themen von Militärhistoriker Sönke Neitzel. Berlin fahre nach ihm eine Strategie der Konfliktvermeidung - als Folge resultiert laut dem Militärhistoriker daraus der Verlust von internationalem Einfluss.

Doch ist ein Krieg in Europa tatsächlich im Bereich des Möglichen?
Chistian Mölling, Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik, bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik hat mit der Tagesschau über genau diese Frage gesprochen. Das Ergebnis: ernüchternd - die Gefahr eines Krieges in Europa innerhalb der nächsten sechs bis zehn Jahre schätzt er als real ein.
Deutschland müsse auf die Möglichkeit vorbereitet werden, dass es zu einem Krieg auf NATO-Boden kommen könnte und es anders als in den vergangenen um die aktive Verteidigung des eigenen Territoriums gehen könnte.

Weiter führte er aus, dass der Verteidigungsminister lediglich ausgesprochen habe, was bereits seit zwei Jahren allgemeiner Konsens in der NATO ist. Dass ein Krieg in Europa nicht mehr ausgeschlossen werden kann, wurde bereits vor zwei Jahren im Natostrategischen Konzept festgehalten - mit der Zustimmung aller 31 Mitgliedsstaaten.

Die Karte Europas wird dargestellt mit einem Fokus auf Deutschland.

Bedeutung für die Gesellschaft

Krieg ist kein Thema, mit dem sich viele Menschen innerhalb der Gesellschaft beschäftigen möchten. Umso mehr treffen Aussagen wie die des Verteidigungsministers - besonders, wenn diese bestätigt und sogar konkretisiert werden.
Laut Mölling war es ein richtiger Schritt, zu thematisieren, was die Nato bereits seit zwei Jahren diskutiert. Es sei wichtig, über den Sachverhalt zu sprechen, der seit Beginn des Ukraine-Kriegs ausgeblendet wurde. Was sind die Konsequenzen dieses Krieges für die Sicherheit in Deutschland - und was geschieht, wenn der Konflikt endet, Russland wieder die Möglichkeit hat, die eigenen Ressourcen aufzustocken?

Doch es gibt natürlich nicht nur Zusprache für Pistorius Aussage. Viele werfen im reine Kriegsrhetorik und Alarmismus vor.

Die gutefrage Community haben wir deshalb dazu befragt, wie sie zu dem Thema stehen. Einige der Meinungen haben wir unten eingeblendet, um aufzuführen, welch vielfältige Perspektiven dieses Thema mit sich bringt.

Zu sehen ist eine Gedankenblase mit einem Stift

Community-Mitglied Zwitscherling kritisiert zwar die Wortwahl, plädiert jedoch dafür, dass der Kerninhalt der Wahrheit entspricht:

Wie schätzt ihr die Aussage von Pistorius ein?

Das Wort "kriegstüchtig" ist ungünstig gewählt. Aber natürlich sollte Deutschland in der Lage sein, sich zu verteidigen, aber bitte auch nur das.

Muss Deutschland kriegsfähig(er) werden oder handelt es sich bei seiner Aussage tatsächlich um reinen Alarmismus?

Es ist traurig, aber wenn die Welt schon aufrüstet, sollten wir nicht all zu sehr hinten dran stehen.

Auch wenn wir meiner Meinung nach, nicht militärisch intervenieren sollten, sondern, was das Weltgeschehen angeht, so neutral wie möglich sein sollten, wenn es geht.

In meinen Augen, wird der große knall kommen. Das hat die Geschichte der Menschheit gezeigt. Wenn Nationen militärisch aufrüsten geht das selten gut aus.

Ich denke nicht, dass ich mich da irre, aber ich hoffe es.

LG.

Zur Antwort

Etwas kritischer sieht es Aiuola. Vermutet wird hier, dass es sich nicht nur um reine Verteidigungsmaßnahmen handeln soll:

"Verteidigungsfähig" - Ja! Aber das was Pistorius da abgeliefert hat, ist Kriegsrhetorik.

Der Duden definiert "kriegstüchtig" so: "Gut gerüstet für einen Krieg". Krieg ist mehr als Verteidigung. Das bedeutet auch Präventivschläge, Angriffe, Eroberung.

Ich denke nicht, dass das " nur eine ungünstige Wortwahl" war, sondern dass es genau so gemeint ist. Sagt Pistorius ja selber in dem Interview: Deutschlands Bundeswehr, die Politik, "die ganze Gesellschaft muss kriegstüchtig werden". Die Regierung soll "den militärischen Wekzeugkasten in den Mittelpunkt unserer politischen Kommunikation stellen." Die Vorbereitung auf Krieg soll etwas Normales und Alltägliches werden.

Und dann alle gemeinsam in den Abgrund.

Zur Antwort

hologence hat einen anderen Ansatz: Im Zentrum dabei steht die Art und Weise, wie Kriege stattfinden und die Frage, inwiefern die Bundeswehr (derzeit) sinnvoll ist:

Die Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr ist schon gemessen an ihren Kosten lächerlich, selbst ohne Feinde. Rein wirtschaftlich wäre es besser, gar keine Bundeswehr zu haben. Und wenn man doch eine Bundeswehr haben muss, dann dürfen das vor allem keine Kasernen voller tumber Muskelmänner sein, sondern Spezialisten, die Drohnen und andere automatische Systeme bedienen können. Und diese langfristigen Steinzeitverträge mit Faustkeil-Lieferanten müssen weg.

Die Kriege, die jetzt gerade stattfinden (und ja, die Einschläge kommen näher), zeigen, dass heute der gewinnt, der die modernere und zuverlässigere Technik hat (und war das nicht eigentlich schon immer so?)

Der Traum vom Weltfrieden hat eigentlich mit 9/11 geendet (Peter Scholl-Latour damals: das ist das Ende der Spaßgesellschaft), und die Kriege, die jetzt stattfinden, gehen auf Europäische Konstrukte nach dem ersten Weltkrieg zurück - der halbe Nahe Osten wurde von England und Frankreich designt, und was für ein jämmerliches Design... Historische Wechselwirkung droht nun, die Folgen wieder nach Europa zurückzubringen, so wie Europa schon die Folgen der Kolonialpolitik zurückbekommt.

Zur Antwort

Ein Thema, das derzeit viel erschreckender wohl kaum sein könnte. Es bleibt an dieser Stelle zu hoffen und abzuwarten, dass sich etwaige Befürchtungen nicht bewahrheiten.

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