Was ist die katastematische und kinetische Lust nach Epikur?

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Das Wort "Lust" würde man heute besser mit "Summe guter Gefühle" übersetzen und das Gegenteil, "Schmerz" mit "Warnsignale der Gefährdung des Überlebens". Wie Epikur ausführt, sind das erst mal Signale der Natur an alle Lebewesen, ob sie sich im positiven Bereich des Überlebens befinden oder im gefährdeten. Zwischen beiden Extremen als Endpunkte gibt es eine ganze Skala der Befindlichkeiten. Und, das ist wichtig, diese Skala ist nicht irgendwo im luftleeren Raum und einmalig einzunehmen. So wechselhaft wie das tägliche Leben ist, mit hecktischen Phasen und mit ruhigen Phasen, so hat man auf dieser Skala eher ruhige Zeiten (katastematische) oder auch mal aufgewühlte (kinetische). Nicht nur die Lust kann katastematisch oder kinetisch sein, das gilt für die ganze Skala, auch für die Lebensbedrohung. Eine schwelende Terrorwarnung ist katastematisch, ein Terrorakt wie jetzt in Paris war für die Beteiligten höchst kinetisch.

Betrachte das Leben wie eine Wasserfahrt, mit ruhigen Gewässerphasen und mit hecktischen Wirbeln und Wildwasserbereichen. In den ruhigen Phasen kann man sich in den katastematischen Teilen der Empfindungsskala einrichten, möglichst in der Mitte im ruhigen Gewässer, weg von Klippen und Felsvorsprüngen. Gerät man in wilde Gewässer (wozu man auch selbst beitragen kann), wird es kinetisch, gibt es die "wilde Freude", wenn man die Herausforderungen der Hindernisse, Strömungen und Wirbel beherrscht, aber auch die Gefahr heftiger Lebensgefährdung. Da werden die Emotionen hochgeputscht, positiv wie negativ. Wissen durch Aufklärung, Besonnenheit und ein guter Familien- und Freundeskreis helfen, kinetische Phasen zu meiden, zumindest gut gewappnet zu sein, wenn sie auftreten. Dadurch wird das Gefühl der Gelassenheit gestärkt, in dem man die kommenden Herausforderungen des Lebens, die Tag um Tag neu auf uns zukommen, in größerer Selbstsicherheit angehen kann.