Blickwechsel 01. September 2019
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Was genau machen Freimaurer?

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo, DarkPhoenix08.

> Meine Frage ist: Was genau machen Freimaurer eigentlich Einfach nur wissenschaftliche/gesellschaftliche Themen diskutieren, wie es in Wikipedia steht?

Grundsätzlich gibt es drei Arten von Veranstaltungen, die durch eine Freimaurerloge abgehalten werden:

  1. Konferenzlogen/philosophische Abende/Bruderabende:
  2. Tempelarbeiten
  3. Gesellschaftliche Events (Feste, Ausflüge, kulturelle Veranstaltungen).

zu a)

Hier wird ein gewisser Themenkomplex bearbeitet - entweder durch die thematische Einleitung des „Redners“ einer Loge - ein Logenamt, das zur Aufgabe hat, Themenkomplexe aufzugreifen, die im Bruderkreis aufgeworfen oder thematisiert wurden und dazu einen Vortrag zu erarbeiten.

Auf diesen Vortrag erfolgt ein Diskurs nach einem spezifischen Gesprächsmodell:

Jeder, der einen Beitrag bringen möchte, meldet sich und wird auf eine Rednerliste gesetzt.

Diese wird der Reihe nach abgearbeitet und der aktuelle Redner kann sich frei und ohne unterbrochen zu werden äußern.

Die Redebeiträge äußern die eigene Ansicht/Meinung, ohne den Beitrag des vorherigen Redners in Frage zu stellen. Es werden lediglich weitere Aspekte oder Interpretationsmöglichkeiten hinzugefügt.

Das klingt möglicherweise trivial, ist jedoch der Umstand, der interessenten, die eine Loge im Rahmen von Gästeabenden besuchen, oft am tiefsten beeindruckt.

zu b) „Tempel“ ist hierbei vor dem Hintergrund seines Wortstamms („templum“ - Geschützter Raum) zu verstehen. Es handelt sich um einen festen, immer gleichen Ablauf, der aus der philosophischen Ausbildung der Bauhütten-Mitglieder des Kathedralenbaus in der Gotik in die Freimaurerei überliefert wurde.

Hierbei werden Motive des „Bauens“ rezitiert - jedoch nicht in Bezug auf das physische Bauen (Kathedrale), sondern vielmehr als des konstruktiven Akts eines „Bauens“ am eigenen Lebensmodell.

Hierbei gibt es keine expliziten (dogmatischen) Vorgaben, wie das in vielen Religionen der Fall ist. Auch geht es nicht zwingend um einen religiösen Bezug.

Der Einzelne soll sich vielmehr unter Zuhilfenahme symbolischer Werkzeuge, wie sie auch im Kathedralenbau zum Einsatz kamen, sein eigenes Lebensmodell erarbeiten - bis hin zur einzelnen Fragestellung, die ihn aus dem täglichen Leben heraus umtreibt.

Der Austausch über die dabei gewonnenen Erkenntnisse kommt wiederum den Anderen zugute (getreu dem Motto: „Wie der das sieht, ist interessant - muss mir mein Thema ebenfalls einmal unter diesen Vorzeichen durchdenken…).

Höhepunkt der Tempelarbeiten ist in der Regel auch der Vortrag eines Redners, der dieses Amt übernommen hat und gewisse Aspekte, die er für Durchdenkenswert erachtet, dabei vorträgt.

Bei der Aufnahme neuer Mitglieder oder der Beförderung in den jeweils nächsten Grad (Lehrling -> Geselle -> Meister) findet zudem eine Art Theaterspiel statt, in dem der Aufzunehmende/zu Befördernde mitspielt.

Er wird hierbei aus dem Handlungskontext heraus mit gewissen Aspekten bekannt gemacht - bisweilen auch konfrontiert, die zwar wenig spektakulär sind (man könnte boshaft behaupten, sie stünden auf jedem Abreiß-Küchenkalender).

Aus dem situativen Kontext heraus prägen sich diese Themenanstöße jedoch tief ein und führen zu einer automatischen, unbewussten Auseinandersetzung mit diesem Themenkomplex.

Diese Art der Themen-Bearbeitung nennt man Initiation, die weit in die Anfänge der menschlichen Kultur zurückgeht, aber nur noch in Naturvölkern (Mannwerdungs-Riten), religiösen Vereinigungen (dort aber „verschüttet“ - z. B. Katholische Taufe) oder eben in der Freimaurerei heute noch zu finden ist.

> Wenn ja, warum braucht es dazu "Logen", eine interne Hierarchie, "Tempel", Tempelrituale über die nicht gesprochen werden darf, Aufnahmerituale und so weiter? Könnte man sich nicht einfach regelmäßig treffen und diskutieren? Warum dieses ganze Konstrukt darum?

Diskussionsabende gibt es ja durchaus (siehe oben). Die Tempelarbeiten erweitern die Möglichkeiten des Einzelnen zudem um die Möglichkeit, sich in festlicher, kontemplativer Atmosphäre aus dem Alltag zurückzuziehen und den eigenen Betrachtungen zu gerade selbst in Bearbeitung befindlichen Themenkomplexen nachzugehen.

Die hierbei angewandte initiatorische Methode ist ausgesprochen nachhaltig und beteiligt auch unbewusste Ebenen an diesem Prozess, der einmal in Gang gesetzt - im Unbewusstsein automatisch voranschreitet.

Die von Dir angeführte "Hierarchie" ist kein Stufensystem im Sinne von "wer hat mehr zu sagen", sondern eine Gliederung nach Erkenntnisstufen. Ich muss mich mit gewissen Themen erst einmal beschäftigt haben, bevor ich meinen Fokus ausweiten kann und mich ausgehend von ersten Ergebnissen einem weiteren Themenfokus widmen kann.

Selbst ein Großmeister wird immer davon sprechen, auch weiterhin Geselle und Lehrling zu sein - denn dieser Kreislauf thematischer Beschäftigung findet nie sein Ende. Er muss sich vor jeder neuen Herausforderung des alltägliche Lebens erneut bewähren.

Passendes symbolisches Detail am Rande: Der Großmeister trägt letztlich dann auch wieder einen neutral-weißen Schurz - so wie der Lehrling.

> Das klingt ja alles sehr religiös und verschwiegen, weshalb ich schon verstehen kann, woher die ganzen Verschwörungstheorien kommen. :D

Deshalb stehe ich ja hier auf GuteFrage.de auch für Fragen zur Verfügung. Die meisten Verschwörungstheorien beruhen auf unfreiwilligen - manchmal auch boshaft zusammengereimten Miss-Interpretationen gewisser Aspekte, die es in der Freimaurerei tatsächlich gibt.

> Mich würde einfach interessieren, was Ihr konkret so macht und wozu das (religiöse) Konstrukt nötig ist?

Religiös klingt es in dem Sinn, dass die initiatorische Praxis auch von religiösen Kreisen (z. B. der Katholischen Kirche) genutzt wird (auch wenn heute noch kaum jemand die Inhalte dahinter kennt und die gegebene Atmosphäre kaum geeignet ist, initiatorische Prozesse im Einzelnen in Gang zu setzen).

Im Gegensatz zu religiösen Vereinigungen, beschränkt sich das „Betrachtungsfeld“ der Freimaurerei hingegen auf das menschliche Leben von Geburt bis zum Tod - für Fragen nach dem „Danach“ kann logischerweise keine Antwort gegeben werden. 

zu c) - Gesellschaftliche Events

Die Beschäftigung mit den „Schönen Künsten“ gehörte schon immer zur Freimaurerei. So gibt es Musikveranstaltungen, Theatervorträge, Podiumsdiskussionen - aber auch einfach nur gemeinsame Ausflüge mit den Familien oder gemeinsame Grillevents.

Das ist als bewusster Kontrapunkt zur intensiven thematischen Beschäftigung gedacht. So wie sich ein Muskel durch wechselnde Anspannung und nachfolgende Entspannung entwickelt, hat auch die Geselligkeit der Brüder, Schwestern und deren Familien ihren festen Platz in der Freimaurerei.

Herzliche Grüße

krato333

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung