Worum geht es in dem 1. Kapitel in dem Buch "Vor dem Fest" von Saša Stanišić?

1 Antwort

Mein illustrer Confrère!

Der Fährmann ist tot! Er ertrank, keiner sah's, aber was willst du beim Ertrinken auch sehen wollen, schön ist das nicht.

Das Dorf trauert um den Fährmann, weil der Fährmann wichtig war für das Dorf. Wie wichtig war er? So wichtig, dass das Dorf um ihn trauert.

Wer ist dieses Dorf aber überhaupt, und wie können Dörfer trauern, fragst du dich vielleicht jetzt, und wenn du dich das fragst, dann fragst du dich ganz richtig, und wenn nicht, dann frage ich mich das für dich, und ich sage: Dieses Dorf ist die Gesamtheit aller jemals an diesem Ort lebenden Menschen, Füchse und Fährleute, nicht nur heute, sondern immer gleichzeitig seit Anbeginn der Besiedlung.

Und jetzt verfällt das Dorf. Das Dorf verschwindet. Es gehen ihm Jung und Alt verloren, und nun eben auch der Fährmann, verdienter Bürger, Handwerker, Ratgeber.

Aber weißt du was, my dear brother: Das Dorf gibt sich nicht geschlagen, das Dorf ist trotzig, das Dorf hat Schlimmeres überlebt, da kann noch so eine Wende kommen wie die 1989 oder noch so eine Pest - das Dorf wird kämpfen, es kann nicht anders.

Bloß ist jetzt der Fährmann tot. Wer soll für die Besucher aus Großraum Berlin Schatzschnitzeljagden auf den Inseln so gut veranstalten, dass kein Schatz je gefunden wird und danach die Kinder auf der Fähre leise heulen und die Mütter sich höflich beim Fährmann beschweren und die Väter Tage noch grübeln, wo man den Fehler gemacht hat, und erst ihre Männlichkeit, dann die neuen Bundesländer in Frage stellen, und am Ufer angekommen essen sie einen bio Apfel und radeln auf ihren desillusionierten Fahrrädern weiter Richtung Ostsee und kommen niemals wieder? Wer?