Woher weiß man in der Notfallmedizin, ob jemand Medikamente nimmt?

9 Antworten

Von Experten iwaniwanowitsch und DorktorNoth bestätigt

Hi,

im Grunde genommen gibt es drei Varianten, die infrage kommen

  • man fragt den ansprechbaren Patienten nach den Medikamenten,
  • man findet eine Medikamentenliste oder
  • man weiß es einfach nicht.
ob die Person Medikamente nimmt, mit denen es gefährliche Wechselwirkungen geben könnte?

Wie iwaniwanowitsch schon gesagt hat: die "Klassiker" an Notfallmedikamenten haben generell entweder von Haus aus oder situationsabhängig wenig relevante Wechselwirkungen.

Absolute Sicherheit gibt es nie - auch wenn es nicht zu erwarten ist, können bedrohliche Nebenwirkungen auftreten.

Daher erfolgt die Medikamentengabe erst, wenn alle Basismaßnahmen abgeschlossen sind - das bedeutet vorneweg mal abgeschlossene körperliche Untersuchung, vollständige apparative Überwachung und ein sicher liegender venöser Zugang, plus ggf. Vorbereitung für den "Ernstfall".

Oder muss man dann einfach die Risiken abwägen, wenn es lebensnotwendig ist?

Die Medikamentengabe in der Notfallmedizin ist immer eine Risiko-Nutzen-Abwägung. Kritische Situation, unbekannter Patient und eine Anamnese, die oft eher wenig aufschlussreich ist.

Einige Medikamente sind sehr potent und auch durchaus mit relevanten Nebenwirkungen behaftet - aber oft auch alternativlos.

Im Zweifelsfall muss man also das Risiko eingehen, wenn der angestrebte Nutzen überwiegt - und wenn etwas schief geht, muss man darauf entsprechend reagieren können. Eben die Medikamentengabe mit allem drum und dran beherrschen.

LG

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Notfallsanitäter, Blogger, Medizinstudent

Man fragt natürlich den Patienten und seine Angehörigen. Oder versucht, die Medikation anderweitig in Erfahrung zu bringen. Genau aus dem Grund sollte man ja auch daheim eine Liste griffbereit haben, welche Medikamente man wie oft nimmt.

Dann kann man sich einiges auch aus der Vorgeschichte erschließen; wenn ein Patient z.B. mal einen Schlaganfall oder ein Thromboseproblem hatte, kann man davon ausgehen dass er "Blutverdünner" nimmt und wenn er schon seit Langem "Wasser in den Beinen" hat, hat er wahrscheinlich auch ein Medikament zur Entwässerung.

Wenn es sich nicht sicher erschließen lässt, wird man Risiken abwägen und tendenziell "einfach machen". Grundsätzlich gibt es nicht viele gefährliche Wechselwirkungen zwischen den üblichen Dauermedikationen und den üblichen Notfallmedikamenten und zum Teil gibt es ohnehin keine Alternative, auch wenn bekannt ist dass die Kombination eher unglücklich ist. Es bleibt der Grundsatz bestehen, dass man immer einen Plan haben muss, für den Fall dass der Patient ein Medikament nicht verträgt oder atypisch darauf reagiert.

Von Experte Rollerfreake bestätigt

Die Medikamente des Rettungsdienstes sind recht "allgemein verträglich" und verfügen kaum über Wechselwirkung, wobei man natürlich bei der Vielfalt an Vorerkrankungen und Medikamente niemals eine absolut verbindliche Sicherheit geben kann. Da der Patient nach Medikamentengabe aber sowohl personell als auch maschinell überwacht wird und einen Venenzugang hat, ist das Risiko Recht überschaubaren.

Übrigens werden Patienten nahezu nie von mehreren Notärzte behandelt, sondern sogar öfter von nichtärztlichem Personal.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung

Das weiss man nicht, wenn der Patient kein entsprechendes Band trägt. Das ist bei Unverträglichkeiten lebenswichtig (Penicilin u. a. m.), aber bei der Einnahme herkömmlicher Medis weiss man das nicht; das ist auch ein Risiko der Notfallmedizin.

Wenn ein Notfallpatient "nicht ansprechbar", also bewusstlos ist, dann schwebt er in akutester Lebensgefahr und würde man nicht's machen, dann ist dass sein sicherer Tod oder es drohen schwerste Folgeschäden, die "Nutzen- Risiko- Abwägung" geht hier also ganz klar in Richtung der Medikamentengabe aus. In einer Notfallsituation, sind die Patienten umfassend medizinisch überwacht und sollte es zu unverwünschten Reaktionen kommen, kann unverzüglich darauf reagiert werden. Viele Substanzen, die als Medikament verabreicht werden können, kommen sogar natürlicherweise im Körper vor.

Mfg

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Rettungsdienst🚑, sehr großes Interesse an Notfallmedizin.