Will ich wirklich ein Pferd?

11 Antworten

Ich kenne diese Frage... Sehr gut sogar.

Ich stand vor ein paar Monaten vor der selben Frage. Ich hatte schon immer viel mit Pferden zu tun, bin jahrelang geritten (ohne es je gelernt zu haben), habe mein eigenes Pferdeverständnis entwickelt, eine Reitbeteiligung gehabt, die jetzt nur noch eine Pflegebeteiligung ist und bin immer noch an ihrer Seite und ich werde auch da bleiben, bis zum Schluss. Ich habe mein erstes Reitpferd (die Hannoveranerstute einer befreundeten Familie) mit stolzen 31 Jahren über die Regenbogenbrücke galoppieren sehen, ich war dabei als sie krank wurde, als es ihr besser ging, bis zum letzten Atemzug und so wird es auch mit meinem Pflege-Pony sein.

Doch dann trat meine Mutter an mich heran. Sie würde ja schon auch gerne mal wieder reiten, traue sich aber nicht so recht. Für mein Pflegepony ist das nichts, die kann nicht mehr geritten werden und zum spazieren gehen ist sie wirklich nicht für Anfänger geeignet, daher dachte ich daran, meiner Mutter Reitstunden zu bezahlen als Geschenk. Aber die meisten Reithöfe die ich kenne, machen das um Profit zu machen und das unterstütze ich nicht, da die Behandlung der Schulpferde oft unter aller Sau ist.

Ich wollte sowieso mal ein Pferd besitzen und mit ihm nach meinen Methoden arbeiten, also machte ich mich mal ganz locker auf die Suche, ohne jemals damit zu rechnen, etwas zu finden, das auf meine Wünsche passt.

Keine drei Wochen später saß ich zum Probereiten im Sattel einer etwas älteren Stute, die wegen aufkommender Arthrose verkauft werden sollte und dachte mir noch: Neeee, das ist nichts auf Dauer. Das Tier ist älter, hat eine degenerative Krankheit...

Aber, was soll ich sagen. Ich saß da oben und es hat Klick gemacht. Ich habe mich einfach in dieses Gefühl verliebt und egal auf welchem anderen Tier ich saß, jung, alt, sportlich, Stute, Wallach... Es war nicht so wie auf ihr. Und so entschied ich mich, sie zu kaufen.

Ich verrate dir was:
Es ist nicht alles Gold, was glänzt.

Es macht unfassbar viel Arbeit, du machst dir wegen alles einen Kopf, wenn dein Pferd hustet oder tiefer schnaubt, geht eine Kette an Gedanken in deinem Kopf los. Wenn das Tier sich hinlegt, stellst du dir tausend mal die Frage, ob es alleine wieder hoch kommt. Hat es eine Schramme, machst du dir Gedanken, du fragst dich zig mal, ob der Hufschmied jetzt schon kommen muss, oder ob es nicht schon längst Zeit wäre, du fragst dich, ob der Sattel passt, ob alles Gut ist, ob du alles richtig machst und das ist völlig normal, denn du sorgst ja schließlich für dein Tier.

Ich will dir nichts vormachen, ein Pferd ist teuer, je nachdem wie bei euch die Stallmieten so sind, zahlst du locker mal 400€ nur für eine Box. Dann kommen noch Hufschmied, Tierarzt, Zahnarzt, Sattler und dann kann ja jederzeit noch etwas sein, von Kolik bis Verletzung.500-700€ monatlich musst du übrig haben, ohne dass du dich dabei selbst kastrierst. Denn auch für dich selbst musst du Rücklagen schaffen können (Auto defekt, Wohnungswechsel, Kühlschrank kaputt, etc.)

Wenn das Finanzielle passt, kommt noch der Zeitfaktor.

Ein Pferd ist extrem Zeitintensiv, wenn du es wirklich arbeiten willst oder musst. Ich muss meine Stute täglich bewegen, das heißt für mich, ich arbeite nach Stechuhr im Winter, da es bald dunkel wird. Ich bin in der früh um 7 im Büro, trotz einer halben Stunde Anfahrt, damit ich zeitig gehen kann und fahre sofort in den Stall. Nicht mit den Kollegen zum Essen, nicht noch mal ein bisschen Quatschen oder Freunde in der Stadt treffen. Knöcheltiefer Matsch und Pferdemist, statt Designerschuhe und Restaurant.

Wenn ich mal keine Zeit habe, habe ich Gott sei Dank am Stall eine nette Dame, die in der Mittagspause immer ihr Pferd bewegt und meine Stute gerne mit auf den Trail nimmt, das sind dann immerhin 20 Minuten mittags.

Motivation ist natürlich auch so eine Sache, bei 2 Grad und Nieselregen habe ich auch nicht so viel Lust und meine Madam auch nicht, aber was solls? Wenigstens eine halbe Stunde Stangenarbeit oder wenn es ganz eklig wird, auf dem befestigten Paddock mit Pads trainieren oder eben ab durch die Mitte, wir werden nass. Da musst du dich aber selbst an der eigenen Nase packen und glaub mir, es lohnt sich, denn eure Bindung wird extrem fest und dein Tier wird es dir danken. Du merkst es, wenn Pferde länger stehen.

Es lohnt sich, dieses Abenteuer anzupacken und es ist genau das:

Ein Abenteuer (man weis also nicht, wie es laufen wird, aber es kann das coolste sein, was du je gemacht hast)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

wenn du zweifel hast - und du hast welche, wie du in der frage schreibst, dann solltest du es lassen.

du weisst selbst, dass es zumindest zum jetzigen zeitpunkt nicht sinnvoll wäre.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Sachgerechter Umgang ist aktiver Tierschutz!

Ob du es schaffst kann Dir keiner beantworten.

Ob Du 500 Euro im Monat verbrennen kannst und zusätzlich Reserven anlegen für schlechte Zeiten weißt nur Du selbst.

Ebenso mit der Zeit, als Schüler hat man noch die meiste Zeit, im Studium geht es noch, je nach Arbeit ist es aber in der Ausbildung schon hart und im Job eine echte Herausforderung.

Ohne familiäre Hilfe ist es immer nochmals eine andere Herausforderung.

Ich teile mir meine Verantwortung mit meiner Angestellten, meinem Verpächter und 2 Aushilfen.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ausbildung Pferdewirt, ganzheitlicher Pferdetherapeut

Geld: Es müssen mindestens 500€ pro Monat nur für das Pferd übrig sein plus ein leicht wieder aufzufüllendes Polster von mehreren Tausend Euro für den Tierarzt bei Krankheit/Verletzung

Zeit: Man braucht 365 Tage im Jahr täglich mindestens 2h Zeit nur für das Pferd

Wissen: Reiten ist nicht alles, man braucht sehr gute Kenntnisse in artgerechter Haltung, Fütterung, Verhalten, Erziehung, Krankheiten, Biomechanik, etc.

Mach Dir selbst ein Bild darüber, ob Du alle diese Punkte erfüllen kannst.

Du könntest dich jetzt schon mal so einschränken, als wenn du ein Pferd hättest. Also jeden Monat ein paar hundert Euro zur Seite legen, jeden Tag mehrere Stunden für Stall- und Pferdearbeit einplanen und freihalten, usw. usw.

Wenn du das ein halbes Jahr lang ohne Probleme durchhältst, kannst du dir sicher sein.

FelixFoxx  22.11.2019, 09:00

Wenn man es 12 Monate durchzieht, hat man als angenehmen Nebeneffekt schon ca. 6000€ für die Anschaffung gespart.

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