Wieso spezialisieren sich Zellen plötzlich?


13.05.2023, 11:40

Zellen können auch nicht denken also wie kann das sein

1 Antwort

Alle Zellen stammen ja von einer einzigen Zelle ab. Diese Zelle muss natürlich den gesamten "Bauplan" zum Bau des vollständigen Lebewesens in sich tragen und zwar gespeichert in der DNA. Die DNA ist eigentlich nicht wirklich ein "Bauplan", sondern eher so etwas wie ein "Rezept" mit einer Anleitung welche Zutaten benötigt werden und wie man die "verrühren" muss. Das heißt auch, dass jede Zelle des Körpers die gleiche Erbinformation enthält. Eine Herzmuskelzelle ist beispielsweise genetisch identisch mit einer Zelle in der Bauchspeicheldrüse oder einer Darmzelle.

Bis zu einem gewissen Zeitpunkt sind die Zellen eines Embryos totipotent, d. h. jede einzelne Zelle hat das Vermögen einen ganzen Menschen zu bilden. Bei eineiigen Zwillingen passiert genau das, in diesem frühen Stadium wird der Embryo in zwei Zellhaufen getrennt, die zu zwei Kindern werden. Und weil sie aus derselben befruchteten Eizelle hervorgingen, sind sie genetisch identisch.

Etwa mit dem Erscheinen des Primitivstreifens verlieren die Zellen ihre Totipotenz. Würde man den Embryo jetzt teilen, könnten daraus keine zwei Nachkommen mehr werden. Die Zellen beginnen nun, sich zu determinieren, also festzulegen, welche Zelltypen aus ihnen werden können. Einige Zellen bleiben etwas flexibler und werden dann pluripotente Stammzellen genannt. Die Stammzellen im Knochenmark können z. B. zu roten Blutzellen (Erythrocyten), weißen Blutzellen (Leucocyten) und Blutplättchen (Thrombocyten) werden. Andere determinieren sich noch strenger. Aus einer Herzmuskelzelle können nur andere Herzmuskelzellen werden, aber nicht z. B. glatte Muskelzellen oder Skelettmuskelzellen.

Die Determinierung geschieht aber wie gesagt nicht dadurch, dass die Zellen sich genetisch ändern. Die Deteeminierung geschieht dadurch, dass bestimmte Gene einfach abgeschaltet werden, die nicht benötigt werden. Man nennt das auch genetic imprinting. Das geschieht durch die sog. Epigenetik wie z. B. DNA-Methylierung. An bestimmte Bereiche der DNA können Methylgruppen geheftet werden. Diese Bereiche kann die Zelle dann nicht mehr ablesen, das Gen wird "stumm". Methylierung ist also sowas wie ein Lichtschalter für die Gene. Auf ähnliche Weise kann die Aktivität eines Gens auch durch Modifikation der Histone, das sind Proteine, auf die die DNA platzsparend aufgewickelt wird, reguliert werden.

Die Determinierung wird u. a. durch regulatorische Gene gesteuert, die für bestimmte Signalproteine codieren. Erinnerst du dich, dass ich sagte, dass die DNA kein Bauplan, sondern ein Rezept ist? Die Signalmoleküle, die durch die regulatorischen Gene codiert werden, sind sozusagen Anleitungen für das Rezept. Statt "jetzt sieben Minuten kräftig kneten" stehen diese Anleitungsschritte aber eher für Anleitungsschritte wie "ab hier jetzt nicht mehr teilen" oder "ihr Zellen hier müsst euch jetzt stärker teilen und diese oder jene Gene schaltet ihr jetzt ab".

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig