Wieso gibt es nach Aristoteles nur fünf Sinne?

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Aristoteles waren fünf Sinne bekannt und der damalige naturwissenschaftliche Stand kannte keine weiteren Sinne.

Für die Vollständigkeit der Sinne mit den fünf Sinnen argumentiert Aristoteles wesentlich mit einer Angewiesenheit der Wahrnehmung (αἴσθησις) auf Organe der Wahrnehmung. Wenn dann gezeigt werden kann, daß es keine weiteren Organe der Wahrnehmung als fünf gibt, ergibt sich, daß daß es auch keine weiteren Sinne gibt.

Bei der Durchführung der Argumentation verwendet Aristoteles einige anfechtbaren Annahmen.

Für ein Erfassen der Argumentation ist ratsam, den Text, eine Übersetzung und einen Kommentar/Erläuterungen heranzuziehen.

Aristoteles, Peri psyches (Περὶ ψυχῆς; Über die Seele; lateinischer Titel: De anima) 3, 1

Der Gedankengang ist verwickelt und nicht leicht zu verstehen, weil ein äußerst langer Satz vorkommt, nicht alles Zugrundegelegte ausdrücklich dargelegt wird, die Reihenfolge der Darstellung nicht immer genau die der Schritte einer logischen Systematik ist und innerhalb der Argumentation noch eine Auseinandersetzung eingebaut ist.

These: Es gibt keinen weiteren Wahrnehmungssinn außer den fünf Sinnen Gesichtssinn (ὄψις), Gehörsinn (ἀκοή), Geruchssinn (ὄσφρησις), Geschmackssinn (γεῦσις) und Tastsinn (ἁφή).

Die angenommenen spezifischen Wahrnehmungen sind also Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Die Organe sind Augen, Ohren, Nase, Mund und Haut (insbesondere Hände).

Ein Kernstück ist die Annahme, jeder Wahrnehmungssinn sei an ein Organ gebunden/auf es angewiesen.

In Kurzform kann der Beweisversuch so mit Voraussetzungen und Schlußfolgerung dargestellt werden:

Prämisse 1: Wenn ein Wahrnehmungssinn fehlte, würde auch ein Sinnesorgan fehlen.

Prämisse 2: Es fehlt kein Sinnesorgan.

Konklusion: Also fehlt auch kein Wahrnehmungssinn.

Annahmen, auf denen Prämisse 1 beruht:

1) Das Wahrnehnmungsvermögen ist eine erste vollendete Wirklichkeit (Aktualität) einer bestimmten Materie, nämlich des Organs, und ein Organ ist auf diese Aktualiät angewiesen, um seine Funktion erfüllen zu können, Wahrnehnmungsvermögen und Organ sind also aufeinander bezogen und voneinander abhängig.

2) Das Organ ist Werkzeug der Seele, denn sonst hätte es keine Funktion (Aristoteles lehnt für natürliche Dinge als widersinnig ab, sie hätten keinerlei Funktion), was aber das Organ gebrauchen kann, ist die Seele.

3) Das Wahrnehnmungsvermögen kann nicht unmittelbar ein Objekt der Sinneswahrnehmumg wahrnehmen, sondern ist auf das Organ als Vermittler der Einwirkung vom Objekt her angewiesen.

Überlegungen zur Prämisse 2 (kein Fehlen eines Organs)

1) Aus allem, aus dem ein Sinnesorgan hätte entstehen können, ist tatsächlich ein Sinnesorgan entstanden.

Als Grundbausteine der Materie gibt es nach der von Aristoteles vertretenen Auffasssung die vier Elemente Erde, Wasser, Feuer und Luft (im irdischen Bereich) sowie ein fünftes Element (im himmlischen Bereich, jenseits des Mondes). Das fünfte Element kommt bei der Sinneswahrnehmung nicht in Frage, es ist weit weg und unvergänglich, während Organe zerstört werden können. Erde und Feuer sind für sich genommen zur Bildung eines Organs nicht geeignet. Sie können nur in Beimischung mit anderen Elementen ein Sinnesorgan bilden. Geschmackssinn und Tastsinn haben Anteil an der Erde und Feuer (Wärme) gibt es in allen Sinnesorganen. Für die Bildung eines Sinnesorgans bleiben als nötige zuständige Elemente Wasser und Luft. Aristoteles meint, der Sehsinn beruhe auf Wasser, der Gehörsinn auf Luft, der Geruchsinn auf Wasser und Luft. Daraus folgert er, aus allem, aus dem ein Sinnesorgan hätte entstehen können, sei wirklich ein Sinnesorgan entstanden.

2) Wenn ein Sinnesorgan fehlte, würde auch ein Erfassen des zum ensprechenden Wahrnehmungssinn gehörigen Objekts nicht möglich sein.

Wenn gezeigt werden kann, daß alle Dinge erfaßt werden können (die in der Nähe durch Tastsinn, die in Entfernung durch ein Medium), also sowohl das unmittelbar als auch das mittelbar Wahrnehmbare), ergibt sich, daß kein Sinnesorgan fehlt.

Als Medien (das Dazwischen) kommen Wasser und Luft als einfache Elemente in Frage. Durch ein Element können verschiedene Gattungen von Objekten (wie Farbe, Ton und Geruch) erfaßt werden.

Im Fall, daß für dasselbe Objekt verschiedene Medien bestehen wie z. B. Luft und Wasser für das Transparente/Durchsichtige (also für die Farbe), könnte vermutet werden, daß ein Organ fehlt, weil es zwei Dinge gibt, die Farbe vermitteln können, als Organe aber nur die Augen vorhanden sind. Aristoteles vertritt aber die Meinung, daß durch ein einzelnes Organ beides erfaßt werden kann. Das aus Wasser bestehende Organ, das Auge, kann demnach durch beide Elemente als Medium tätig sein.

Aristoteles schlußfolgert, es könne nur drei Sinnesorgane geben, die auf einem Medium beruhen, und sie könnten nur aus Luft und Wasser zusammengesetzt sein. Den drei möglichen Sinnesorganen entsprechen als Wahrnehmungssinne Gesichtssinn, Gehörsinn und Geruchssinn (Geruch aus den beiden Elementen Luft und Wasser zusammengesetzt). Wenn es demnach kein anderes Element, aus dem ein Sinnesorgan bestehen könnte und keine andere Einwirkung gibt, fehlt wohl auch kein Wahrnehmungsssinn und kein Sinnesorgan.

kein spezifisches Sinnesorgan der gemeinsamen Wahrnehmung

Außer spezifischer Sinneswahrnehmung gibt es auch Objekte, die von allen oder zumindest mehreren Wahrnehmungssinnen wahrgenommen werden.

Wenn es einen spezifischen Wahrnehmumgssinn solcher Objekte gäbe, wären sie von den einzelnen Wahrnehmungssinnen nur akzidentell (beiläufig) wahrnehmbar. In Wirklichkeit werden aber die Objekte gemeinsamer Wahrnehmung der Sinne durch die einzelnen Sinne nicht akzidentell wahrgenommen. Es gibt demnach kein spezifisches Organ für eine Wahrnehmung gemeinsamer Wahrnehmungsobjekte

Einzelne Wahrnehmungssinne können gemeinsam tätig sein und in einem gemeinsamen Sinn zusammengeführt werden. Wenn z. B. ein Farbe von Honig und ein Geschmack der Süße zusammenen wahrgenommen werden, kann über Einnerung und Vorstellung bei einem folgenden Sehen der Farbe der Eindruck des Süßen hervorgerufen werden. Dies ist aber nur beiläufige und irrtumsanfällige Wahrnehmung. Grundsätzlich kann die Wahrnehmung immer auch von den einzelnen Wahrnehmungssinnen wahrgenommen werden.

Die gemeinsamen Objekte werden nur zusammen mit den eigentümlichen Objekten der spezifischen Wahrnehmungssinnen wahrgenommen. Sie sind begleitende oder nachfolgende Objekte.

herangezogen:

Andree Hahmann, Aristoteles’ »Über die Seele« : ein systematischer Kommentar. Stuttgart : Reclam, 2016 (Reclam Taschenbuch ; Nr. 19390), S. 156 – 167

Es gibt auch noch den Gleichgewichtssinn-aber das ist etwas neueres-also nicht vom alten Griechen:-)

Nach den damaligen Naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, gab es nur 5 Sinnesorgane: Haut, Nase, Augen, Ohren, Mund. Darauf hat Aristoteles seine Sinneswahrnehmungen gestützt und einen sechsten Sinn ausgeschlossen. Dass das Ohr nicht nur zum hören da ist, sondern auch für den Gleichgewichtssinn verantwortlich, wusste man da noch nicht.

Den Gesichtssinn kenne ich nicht.

Ich kenne den
Tastsinn, Hören, Sehen, Riechen, Schmecken

Eventuell noch Gleichgewicht, gehört aber zum Gehör und zum Sehen.

xcmkv 
Fragesteller
 17.01.2017, 11:29

Gesichtssinn ist der Sehsinn, ich hab nur den Originalbegriff von Aristoteles verwendet :)

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Lexa1  17.01.2017, 11:30
@xcmkv


Die moderne Physiologie kennt für den Menschen noch vier weitere Sinne:



Temperatursinn, Thermorezeption
Schmerzempfindung, Nozizeption
Vestibulärer Sinn, Gleichgewichtssinn
Körperempfindung (oder Tiefensensibilität), Propriozeption


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Aristoteles wusste es halt nicht besser.