Wie stellte sich Friedrich Nietzsche seine Idealgesellschaft vor?

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Er war kein Systemdenker mit einer idealen Zukunftsgesellschaft.

Sein Ansatz war die ätzende Kritik an der "Dekadenz" der modernen Gesellschaft. Er kritisierte den materialistischen Kapitalismus, das satte, konservative Bürgertum, den bürokratischen Staat, "das kälteste aller Monster", das Christentum als "Religion der Schwachen" und den Sozialismus als gleichmacherisch und kulturzerstörend.

Sein Denken empörte sich gegen die "Verhausschweinung" des modernen Menschen, der abgestumpft, als Massenmensch und Rädchen im Getriebe, mit banalen, freudlosen Massenvergnügen abgefüttert, dahinvegetiert.

Sein Traum war ein befreites Individuum, das wieder selbstbewusst, kämpferisch und hart seinem Schicksal trotzt und auf den bürgerlichen Mief verzichtet. Das wäre nach N. nur ein Programm für einzelne Ausnahmemenschen, und zwar Männer. Frauen und der breiten Masse traute er das nicht zu. Sein Denken war also in höchstem Maße elitär.

Von den Deutschen seiner Zeit hielt er gar nichts, er verachtete sie ebenso wie den deutschen Patriotismus.

Eine NS-Diktatur hätte er voll Verachtung abgelehnt, weil sie die Abrichtung des Einzelnen ja auf die Spitze trieb und weil er die NS--Führungsclique als persönlich erbärmlich angesehen hätte. Ihn als Vorläufer des NS zu sehen, ist Unsinn.

Nach heute geltenden Kriterien würde N. dennoch als Rechtsextremist gekreuzigt werden.

Ergosum17  11.04.2022, 15:21
Sozialismus als gleichmacherisch und kulturzerstörend.

Sozialismus als Kulturzerstörer? Jedem Menschen den gleichen Wert zuzuschreiben bedeutet nicht, man müsse daher die Kultur, mit der man lebt, ablegen. Kannst du diese Beschreibung nachvollziehen?

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neinxdochxoh  11.04.2022, 17:33
@Ergosum17

Da hatte N. sicher recht. Sozialisten misstrauen genialen Einzelpersönlichkeiten, lieben das Mittelmaß, auf das alle nivelliert werden und nehmen der Kultur die Freiheit zugunsten eines "Auftrags" (von Partei, Proletariat oder einer "woken" Elite).

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Ergosum17  11.04.2022, 17:48
@neinxdochxoh

Welche Kultur denn speziell? Liegt es wirklich im Interesse des Sozialismus, ganze Kulturen zu neutralisieren? Dürften Bayern beispielsweise keine Lederhosen tragen, wenn es nach den Köpfen von Sozialisten ginge? Stand die Einheitlichkeit im Sozialismus wirklich schon immer dermaßen weit über einzelnen Kulturen, dass man versuchte, sie auszuradieren?

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Tonis9706  12.04.2022, 09:13
@neinxdochxoh

Völlig korrekt. Nietzsche war niemand, der allen Menschen den gleichen Wert zuschreiben würde. Der Sozialismus ist eine Ideologie für jenes Mittelmaß. Oder sogar vollkommen für die Schwachen. Und wenn sie nicht schwach sind, so stellen sie sich als Opfer der Ausbeuter dar. Und das macht sie auch seelisch arm.

Ich denke aber nicht, dass jemand der stellenweise machiavellische Gedanken hegt, ein Problem mit Rechtsstaatlichkeit und gleichen Rechten hätte. Nur eben die gesellschaftliche Wertung ist eine andere. Der Sozialismus lebt die Phrase "Schwäche ist gut und Stärke ist schlecht", und das ist typische Sklavenmoral. Nietzsche würde wahrscheinlich sagen "Schwäche ist gut, Stärke ist gut". Denn manchmal kann auch Schwäche ein Antrieb des Geistes sein. Wer stark ist, hält länger aus. Aber vielleicht geht es nicht nur ums aushalten.

LG

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Wie war er politisch einzuordnen?

Jenseits von Gut und Böse. Jenseits von Links und Rechts, von oben oder unten.

Was war seine Vorstellung von einer Gesellschaft?

Eine Gesellschaft, die ihre Ideale aus ehrlicher Selbsterkenntnis bezieht. Die sich nicht vor moralisch "falscher" Handlungen scheut, um den Kern des erstrebenswerten zu ermöglichen und gleichzeitig zu blockieren. Die Herausforderungen die damit einhergehen und der wahrscheinliche Untergang. Und dieser wäre das Ziel. Der Untergang einer Epoche und um alles, was danach kommt.

Lese das Buch "Schöne neue Welt" und nehme immer das genaue Gegenteil an.

Woher ich das weiß:Hobby – Bewunderer Nietzsches Philosophien.

"Wer Nietzsche ernst nimmt, wer ihm glaubt, ist verloren!" Das hat einmal Thomas Mann gesagt. Bestätigt wird diese Auffassung durch Nietzsche selbst. So hat er bei seinen Lesern den ironischen Vorbehalt für sein Werk eingefordert, es sei ’durchaus nicht nötig, nicht einmal erwünscht, Partei..... für mich zu nehmen: im Gegenteil, eine Dosis Neugierde, wie von einem fremden Gewächs, mit einem ironischen Widerstande, schiene mir eine unvergleichlich intelligentere Stellung zu mir’ (s. Zitat bei Rüdiger Safranski, S. 310).

M.a.W. Nietzsche hat seine Thesen nur zur Diskussion gestellt; ein politisch-gesellschaftliches Konzept wollte er mit seiner Philosophie auf keinen Fall hervorbringen.

Woher ich das weiß:Recherche

Ich nehme an, du kennst die 5 Hauptpunkte seiner Philosophie; (er war Syphilis krank!) 1. Die ewige Wiederkehr, 2. Gott ist tot, 3. Der Wille zur Macht etc.