Wie kommt es, dass Persisch und Deutsch Verwandte Sprachen sind?

5 Antworten

Wie die anderen bereits sagten, ist das Deutsche ist mit dem Persischen (Farsi) verwandt, da sich beide Sprachen auf denselben Vorfahren bzw. dieselbe Ursprache zurückverfolgen lassen, nämlich das Urindogermanische (im Englischen Proto-Indo-European oder kurz PIE).

Es handelt sich dabei nicht um den nicht direkt nachgewiesenen Vorläufer aller indogermanischen Sprachen, der – einfach gesagt – anhand gemeinsamer regelmäßiger Entwicklungen und Entsprechungen von Lauten und Formen rekonstruiert werden konnte. Dazu gehören z. B. das Deutsche (germanischer Zweig), das Spanische (italischer Zweig), das Russische (slawischer Zweig), das Irische (keltischer Zweig), das Griechische und das Persische (indo-iranischer Zweig).

Es wird davon ausgegangen, dass das Urindogermanische (auch Urindoeuropäisch genannt) etwa im Zeitraum von 4500 bis 2500 v. Chr. in der pontisch-kaspischen Steppe im Gebiet der heutigen Ukraine gesprochen wurde (→ Kurgan-Hypothese). Möglicherweise stellt die zu der Zeit dort lebende Jamnaja-Kultur die indogermanische Urheimat dar. Das Urindogermanische darf jedoch nicht als einheitliche Sprache angesehen werden, da sie sich über eine große Region erstreckt und sich über viele Jahrhunderte entwickelt hat. Aus sich herausbildenden Dialekten sind letztlich die verschiedenen Sprachzweige schrittweise entstanden.

Das Deutsche gehört innerhalb des germanischen Zweiges zu den westgermanischen Sprachen wie das Englische, Niederländische und Friesische. Zu den nordgermanischen Sprachen gehören u. a. Schwedisch, Norwegisch, Dänisch und Isländisch, die vom Altnordischen (ca. 8. Jh. bis 15. Jh.) abstammen. Das Ostgermanische, wovon nur das Gotische ausreichend überliefert ist, ist ausgestorben. Diese Sprachen gehen auf das Urgermanische bzw. Proto-Germanische als gemeinsamen Vorläufer zurück.

Das Persische zählt innerhalb des iranischen Zweiges zu den westiranischen Sprachen, worunter auch beispielsweise Kurmandschi (Nordkurdisch), Lurisch, Talisch, Gilaki, Mazandaranisch, Zazaisch und Belutschisch eingeordnet werden. Im ostiranischen Sprachzweig befinden sich u. a. Paschtu und Ossetisch. Avestisch ist ein seit etwa 400 v. Chr. ausgestorbener Zweig der iranischen Sprachen. Der gemeinsame Vorläufer dieser Sprachen ist das Proto-Iranische. Weiter zurück liegt das Proto-Indo-Iranische, das als ältere Urspache auch die indoarischen Sprachen einschließt, zu denen u. a. Hindi, Urdu, Bengalisch, Panjabi, Marathi, Gujarati, Bhojpuri und Sanskrit gehören.

Diese Verwandtschaft lässt sich z. B. am deutschen Wort Vater und dem persischen Wort پِدَر (pedar) gut erkennen. Ersteres stammt von mittelhochdeutschem vater (ca. 1050–1350 n. Chr.) und althochdeutschem fater (ca. 750–1050 n. Chr.), welches auf protowestgermanisch *fader (ca. 2. bis 7. Jh. n. Chr.) und gemeingermanisch *fadēr (ca. 500 v. Chr. bis 200 n. Chr.) zurückgeht. Letzteres kommt von mittelpersisch 𐭓‎𐭐𐭃‎ (pidar) (ca. 300 v. Chr. bis 800 n. Chr.), altpersisch 𐎱𐎡𐎫𐎠 (pitā) (ca. 525 v. Chr. bis 300 v. Chr.), proto-iranisch *pHtā́ (2. Jahrtausend v. Chr.) und proto-indo-iranisch *pHtā́ (spätes 3. Jahrtausend v. Chr.).

Gemeingermanisch *fadēr und proto-indo-iranisch *pHtā́ gehen auf das gemeinsame indogermanische Urwort *ph₂tḗr zurück. Davon abstammend sind beispielsweise auch lateinisch pater und altgriechisch πατήρ (patḗr). Wie man sieht, entwickelte sich im Germanischen das indogermanische *p zu *f.

Weitere Beispiele urverwandter Wörter im Deutschen und Persischen sind:

  • Mutter und مادر‎ (mâdar), von indogermanisch *méh₂tēr
  • Bruder und برادر‎ (barādar), idg. *bʰréh₂tēr
  • Tochter und دُخْتَر (doxtar), idg. *dʰugh₂tḗr (das x wird etwa wie ein ch ausgesprochen)
  • Maus und موش‎ (mūš), idg. *múh₂s
  • rechts und راست (râst), idg. *h₃reǵtós
  • Name und نام (nâm), idg. *h₁nómn̥
  • Stern und سِتارِه (setâre), idg. *h₂stḗr
  • Lippe und لب (lab), idg. *leb-

Die Sternchen (*) kennzeichnen rekonstruierte und damit nicht schriftlich bezeugte Formen. Die frühesten Überlieferungen des Deutschen sind auf das 8. Jh. zu datieren (→ lateinisch-althochdeutsches Glossar Codex Abrogans). Die ältesten Zeugnisse des Persischen stammen aus dem 5. Jh. v. Chr. (→ Behistun-Inschrift).

Je weiter zwei verschiedene Sprachen sprachgeschichtlich auseinanderliegen, desto größer sind tendenziell die Unterschiede in Vokabular und Grammatik. So lässt sich bspw. die Verwandtschaft des Deutschen mit dem Schwedischen noch gut erkennen, aber die mit dem Persischen deutlich weniger.

Nicht zur indogermanischen Sprachfamilie gehören Finnisch, Estnisch und Ungarisch, die Teil des finno-ugrischen Zweiges der uralischen Sprachfamilie sind. Das Baskische gilt als isolierte Sprache, da keine Verwandtschaft mit irgendeiner anderen Sprache festgestellt wurde, und stellt wohl die letzte verbleibende Sprache aus vorindogermanischer Zeit dar.

Hier zur Veranschaulichung zwei Grafiken zu den unterschiedlichen indogermanischen Sprachzweigen:

Bild zum Beitrag

Quelle: https://www.christianlehmann.eu/ling/sprachen/indogermania/RomGesch/idg.php

Bild zum Beitrag

Quelle: https://flic.kr/p/8Xug8m

 - (Deutsch, Sprache, Linguistik)  - (Deutsch, Sprache, Linguistik)
KameltreiberII 
Fragesteller
 15.01.2024, 15:41

Vielen lieben Dank!

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Ja das stimmt, man sagt heute aber eher "Indo-Europäisch". Das sind Srachen mit gemeinsamen Wurzeln. Diese liegen für die sehr viele Sprachen von Europa bis Nordindien irgendwo im Nordkaukasus-Nordanatolien Gebiet (genau sagen kann man das nicht).

Ob Schwedisch, Deutsch, Italienisch, Giechisch, Polnisch oder Iranisch/Persisch.... da gehören sehr viele dazu - auch wenn es oft auf den ersten Anschein nicht so wirkt.

Bild zum Beitrag

Quelle; https://www.mpg.de/20666229/0725-evan-origin-of-the-indo-european-languages-150495-x

Woher ich das weiß:Hobby – intensive Kenntnisse
 - (Deutsch, Sprache, Linguistik)

Wenn Du die deutsche Sprache in der Zeit zurückverfolgst, dann kommst Du zum Früh­neu­hoch­deutschen (also das, was Luther gesprochen hat, ≈16. Jhd), weiter zum Mittel­hoch­deutschen (z.B. das Nibelungenlied, 13. Jhd) und zum Althochdeutschen (z.B. Muspilli, ≈9. Jhd). Weiter zurück gibt es keine Texte, aber vereinzelte Inschriften u.ä., die grob zu den Vorfahrensprachen des Deutschen gehören oder damit zumin­dest eng verwandt sind. In den ersten Jahrhunderten n.Chr. würdest Du auf die letzte gemeinsame Vorfahrensprache des Deutschen, Holländischen und Englischen tref­fen, und ein paar Jahrhunderte vorher auf die mit Schwedisch, Dänisch und Gotisch.

Dasselbe kannst Du theoretisch auch mit Persisch machen, obwohl dort die Details verworrener sind.

In einer bestimmten Zeittiefe, die ungefähr 5000 Jahre oder mehr beträgt, stellst Du dann fest, daß der damalige Vorfahr des Deutschen und der Vorfahr von modernem Fārsī dieselbe Sprache sind. Diese Sprache („spätes Indogermanisch“) ist auch der Vorfahr von Latein (→Italienisch, Französisch, Spanisch), Griechisch, Keltisch (→Bre­to­nisch, Walisisch), Sla­visch (→Russisch, Makedonisch) und einigen weiteren. All die­se Sprachen sind also verwandt, weil sie von einem gemeinsamen Vorfahren ab­stam­men. Die Sprachen Nordindiens (z.B. Hindī, Bāṅlā, Nepāli) sind mit Persisch sogar noch enger verwandt, weil sich deren Linien erst ca. ein Jahrtausend später getrennt haben.

Jetzt wirst Du vielleicht fragen, woher man das auch in Abwesenheit von überliefer­ten Texten so genau weiß. Die Antwort ist, daß die heutigen Sprachen, und noch mehr die historisch überlieferten, noch genug Gemeinsamkeiten miteinander haben, daß man diese Verwandtschaft durch Vergleich erschließen kann. Man stellt z.B. fest, daß Fra­ge­wörter im Deutschen mit w beginnen, im Lateinischen mit qu, im Griechischen mit τ oder π und im Persischen mit k. Das klingt auf den ersten Blick ziemlich zufällig, aber wiederholt sich bei anderen Wörtern, die zufällig mit demselben Laut beginnen, und bei anderen Lauten findet man auch regelhafte Entsprechungen.

Ähnliche Entsprechungen findet man auch in der Grammatik, obwohl beide Sprachen, Deutsch und Persisch, ihre Grammatik sehr stark umgebaut haben und daher nicht mehr so viele leicht erkennbare Ähnlichkeiten miteinander aufweisen, z.B. است āst das inhaltlich und formal genau unserem ist entspricht, und genau wie im Deutschen ist das auch im Persischen ein historisches Relikt und unterscheidet sich von der 3 P Sg anderer Verben.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik
KameltreiberII 
Fragesteller
 15.01.2024, 11:08

Vielen Dank! Das ist bis jetzt die mit Abstand hilfreichste Antwort. Ich danke dir, und dass du dir die Zeit genommen hast, eine ausführliche Antwort zu formulieren.

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mulan2255  18.01.2024, 20:13

Nicht „āst“ sondern „ast“, denn ersteres wäre mit gedehntem a zu lesen, was im persischen fast wie schwedisches å klingt. … Es gibt manch weitere Wörter, die verwandt sind, z.B. pedar (Vater, was lateinischem pater recht nahe kommt), māder (Mutter, wie lateinisches mater), dokhtar (Tochter), brāder (Bruder), yek (eins, wie griechisch eka), do (zwei, wie in romanischen Sprachen deux/dos/due…), pandj (fünf, was griechisch wie penta ist), ferdous (Paradies), pāypūshī (Puschen, kurz von Pambuschen), esfenādj (Spinat), nām (Name), gāu (Kuh), kūshk (Kiosk), dshangal (Dschungel), …

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Weil sich zwei Gruppen Menschen vor tausenden Jahren getrennt haben. In geografischer Isolation entwickeln sich Sprachen auseinander, dies ist völlig natürlich und lässt sich auch beobachten in den romanischen Sprachen (Vulgärlatein) oder Dialekten des Englischen.

In der Indogermanischen Großfamilie ist dieser Prozess weiter fortgeschritten. Wörter und Grammatik sind zur Unkenntlichkeit verzerrt, lassen sich aber über Lautwechsel rekonstruieren!

Beispiele findet man unter "Wort" + Etymologie z. B. in Wiktionary oder dem Duden genügend.

Persisch, Baltisch und Anatolisch sind leider Zweige, mit denen ich mich kaum auskenne.

Zumindestens für das Altenglische und Altnordische lässt sich diese Verwandschaft schön sehen. Altgriechisch, Sanskrit und Alt-Litauisch sind am nächsten an der "Ursprache". Hethitisch ist die älteste schriftliche Sprache des Indogermanischen, aber ein älterer Zweig als der Rest. Das andere sind 3400 Jahre altes Altgriechisch von Kreta und mündlich rezitierte Veden aus derselben Zeit.

Wir reden hier über eine Sprache von Reiternomaden und Bauern, die über tausende Kilometer und etwa 2000 Jahre Kontakt hatten. Gemeinsamkeiten der Indogermanen sind, nicht nur sprachlich:

  • Kasussystem (stark abgebaut)
  • komplizierte Verben, teils Aspektsystem
  • grausame Konsonanten und Laryngale, Ablaute
  • Götternamen wie dyeus pchter (später Zeus und Tywaz)
  • Wörter wie Vater, Mutter, Tochter, Schwager...
  • Pferde- und Wagen-Nomaden, aber auch Ackerbau und Milchvieh
  • patriarchale Steppenkultur aus Ukraine/Kaukasus/Anatolien.
Wie kommt das zu Stande?

Sie haben einen gemeinsamen Vorfahren: Indoeuropäisch. Aus diesem haben sich ganz verschiedene Sprachen entwickelt, zwei von diesen sind Deutsch und Persisch.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Doktor der Englischen Sprachwissenschaft
Helios91  15.01.2024, 09:36

Also stimmt es doch 😂😂

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