Wie kommen diese krassen politischen Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland zustande?

10 Antworten

Man muss aber auch sehen, dass der Osten in sich sehr inhomogen ist.

Mecklenburg-Vorpommern: hier ist die SPD die stärkste Partei
Brandenburg: SPD und AfD sind fast gleich stark im Landtag
West-Berlin: (war BRD)
Ost-Berlin: hier gewinnt die Linke mitunter Direktmandate
Sachsen-Anhalt: die CDU ist die stärkste Partei
Sachsen: die CDU ist die stärkste Partei (AfD ist aber auch recht stark vertreten)
Thüringen: die Linke ist die stärkste Partei (CDU und AfD sind fast gleich stark)

Der Nordosten tickt etwas anders als der Südosten.
Im Nordosten ist die SPD stark (ähnlich wie in Niedersachsen), der Südosten ist tendenziell konservativer. Berlin ist speziell, und die Linken in Thüringen sind durchaus relevant.

Oft gibt es Erklärungsversuche für den hohen AfD-Anteil im Osten, allerdings fände ich es auch spannend, mal zu untersuchen, warum so viele Nachbarn (aus demselben Bundesland) eben NICHT AfD wählen, obwohl sie doch in derselben Gegend wohnen.

Außerdem macht die AfD ja keine "Ostpolitik", sie kümmert sich nicht sonderlich um die speziellen Gegebenheiten der ostdeutschen Wirtschaft, sie hat ihre eigenen Themen wie das "Gendern" und andere Nebenschauplätze, die vielen Menschen aber emotional wichtig zu sein scheinen.

Bei vielen Menschen (auch im Westen!) ist die Nostalgie wichtig: es soll so wie früher werden, wie in den 1950er und 1960er Jahren (und leider bei manchen Menschen noch früher). Zeiten, in denen es noch das Wirtschaftswunder gab, als das Familienbild konservativ war (kein LGTB), als das Sprachbild noch konservativ war (kein Gendern) und als es noch die D-Mark gab (damit fing die AfD an: mit Euro-Kritik). Und am liebsten so frei von Fremden, wie es die DDR auch war (ja, es gab Vietnamesen und andere in der DDR, das weiß ich schon...).

Ich denke, der Unterschied ist, dass die DDR-Zeit im Osten nie wirklich kritisch aufgearbeitet wurde. Die Verantwortung für den Niedergang der DDR wurde nach außen abgetragen.

Außerdem möchte man seine gemütliche DDR mit dem Wohlstand des Westens haben. Gleiche Löhne, auch wenn die Produktivität deutlich niedriger als in den alten Ländern ist.

Die politischen Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland haben verschiedene Ursachen. Die historische Erfahrung der Teilung Deutschlands und die unterschiedlichen Entwicklungen während der Nachkriegszeit haben sicherlich einen Einfluss. In Ostdeutschland spielten auch die Erfahrungen mit dem autoritären Regime der DDR und der abrupten Übergang zur Marktwirtschaft nach der Wiedervereinigung eine Rolle. Diese Umbrüche haben zu Unsicherheit, Unzufriedenheit und einem Gefühl der Benachteiligung geführt, was einige Menschen anfälliger für rechtspopulistische oder nationalistische Ideen gemacht hat. Sozioökonomische Faktoren wie Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Ungleichheit und Perspektivlosigkeit können ebenfalls zu politischer Unzufriedenheit beitragen. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass nicht alle Ostdeutschen rechtsgerichtet sind oder die AfD wählen, und dass es in Westdeutschland ebenfalls politische Vielfalt gibt.

45 Jahre lang in unterschiedliche Zonen mit unterschiedlicher Politik gelebt

Man kann es mit etwas Empathie und aus Sicht einer relativ strukturschwachen, entgegen der Versprechungen von "blühenden Landschaften" vernachlässigten Gegend durchaus nachvollziehen. Die Leute fühlen sich verkohlt, abgehängt und im Stich gelassen, suchen sich ihren Messias und meinen, ihn in der AfD gefunden zu haben; es geht darum, den Volksparteien eine fette und schmerzhafte Backpfeife zu verpassen. Hier sind mal zwei Filmbeiträge, die das grundsätzliche Kernthema ganz gut wieder geben, vor allem der Erste.

https://www.youtube.com/watch?v=eOz6lip7AWc

https://www.youtube.com/watch?v=A27jEdfWSdc

Die Menschen sind dort so frustriert und gleichzeitig enttäuscht von den Volksparteien, die kein Wahlversprechen seit 1990 jemals wirklich gehalten haben, dass man es aus menschlicher Sicht nachempfinden kann. Ich kenne die ostdeutsche Problematik sowie die Malaise des Ländlichen Raums (es gibt auch in den alten Bundesländern AfD-Bastionen in der Peripherie aus dem selben Grund - man fühlt sich abgehängt und verkohlt von CDU und SPD) recht gut: Gerade Gegenden wie Brandenburg im flachen Land oder Sachsen sind typischer Nährboden für die AfD, aber das wäre nie soweit gekommen, wenn die "Volksparteien" ihre Hausaufgaben gemacht und die Versprechen eingelöst hätten.

Letztlich muss man aber sagen, dass die AfD ohne das Versagen der Volksparteien - vor allem die letzte Merkel-GroKo ab 2017 war politisch eine Zumutung und ein Unding - niemals so erstarkt wäre und auch in Ostdeutschland die Volksparteien viel dazu beitrugen, dass es so kam: Hätte man nicht nur gegrüßt, zitiert und versprochen, sondern was gemacht und die Leute ernst genommen, würde die AfD heute eine Außenseiterrolle im Fünfprozentbereich spielen. Ich bin zwar CDU'ler und würde die AfD nicht wählen, aber hier muss ich sagen, dass die CDU ungewollt Steigbügelhalter der AfD war. Wenn z.B. in Ostdeutschland für öffentliche Veranstaltungen Mandatsträger eingeladen werden und der Kandidat der AfD der einzige ist, der überhaupt Interesse zeigt, tatsächlich kommt und sich die Sorgen und Nöte der Leute anhört während die anderen gar nicht mal antworten, sind CDU und SPD selber schuld - und ich kenne aus Ostdeutschland eine ganze Reihe öffentlicher Events aller Couleur, wo es so geschehen ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Rerun360  09.05.2023, 16:56

Die derzeitige Ampelkoalition verhält sich extrem überheblich und bevormundend. Kann man gut beim Thema Gendern sehen, wo man die Menschen einfach überfährt. Man geht soweit, dass man ihnen die Sprache nimmt, ohne dass die Mehrheit den Nutzen und die Notwendigkeit dafür verstehen könnte. Totzdem wird es den Menschen aufgredrückt und sie müssen beim ÖRR sogar dafür bezahlen. Die Mehrheit der Menschen möchte es nicht und es trotzdem zu tun ist einfach respektlos. Das hat dann wenig mit rechts zu tun. Die Linke war im Osten auch einmal stark, aber wenn die sich nicht mehr um die Leute kümmert, sondern nur Geschlechterthemen und Sprachfaschismus kennen, muss sie sich nicht wunden.

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