Wie ist der Gedanke von Friedrich Nietzsche eigentlich genau gemeint?

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Die «ewige Wiederkunft/Wiederkehr des Gleichen» ist ein Gedankenexperiment. Friedrich Nietzsche hat es vor allem 1881 unternommen und in Zusammenhang mit seinem Werk «Also sprach Zarathustra». Dort kommt es als Lehre vor, die ein Geheimnis zu sein scheint und ein besonders abgründiger Gedanke, den es aber auszuhalten gilt und zu einer Bejahung des Daseins fähig zu sein.

Nach dem Gedanken kehren alle Dinge ewig wieder. Dazu gehören auch die Menschen. Alles ist schon unzählige/ewige Male dagewesen und wird aufs Neue kommen.

Der Gedanke Friedrich Nietzsche richtet sich gegen feste, zeitlose Begriffe, gegen religiöse Sinnstiftung von einer göttlichen Ordnung der Dinge her mit Schöpfung und Heil/abschließender Erlösung in einem Jenseits, gegen egalitäre Erlösungsversprechen, gegen dem Weltgeschehen zugrundeliegende letzte Ziele und Zwecke.

Ein Kreislauf der Dinge war schon ein antiker Gedanke (in der Philosophie bei Herakleitos/Heraklit und bei den Pythagoreern) und Nietzsche wollte wohl auch eine Verbindung mit dem Zeitpfeil neuzeitlicher Physik.

Wer ist seiner Selbsterziehung erfolgreich ist, erträgt nach Nietzsches Auffassung den Gedanken der ewigen Wiederkunft des Gleichen, nimmt die Dinge nicht nur einfach hin, wie sie eben sind, sondern bejaht sie.

Friedrich Nietzsche, NF [Nachgelassene Fragmente] 1881, 11 [161]: „Nicht nach fernen unbekannten Seligkeiten und Segnungen und Begnadigungen ausschauen, sondern so leben, daß wir nochmals leben wollen in Ewigkeit so leben wollen! — Unsere Aufgabe tritt in jedem Augenblick an uns heran.“

Friedrich Nietzsche, Ecce homo - wie man wird, was man ist. Also sprach Zarathustra : ein Buch für Alle und Keinen. 1.

„Ich erzähle nunmehr die Geschichte des Zarathustra. Die Grundconception des Werks, der Ewige-Wiederkunfts-Gedanke, diese höchste Formel der Bejahung, die überhaupt erreicht werden kann —, gehört in den August des Jahres 1881:“

Vorausgesetzt sind Unendlichkeit der Zeit und Endlichkeit von Raum und Kraftmenge. Daraus wird der (nicht selbstverständliche und logisch zwingende) Schluß auf eine nur endliche Anzahl unterschiedlicher möglicher Gesamtlagen der Kraft gezogen, woraus sich in der unendlichen Zeit die Notwendigkeit einer Wiederholung ergibt.

Darlegungen der Aussagen und Erörterungen, wie der Gedanke gemeint ist:

Marco Brusetti, Wiederkunft, ewige; Wiederkehr, ewige. In: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 12: W – Z. Basel : Schwabe, 2004, Spalte 746 - 751

Volker Gerhardt, Friedrich Nietzsche. Originalausgabe. 4., aktualisierte Auflage. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe : Denker ; 522), S. 193 – 205

Beatrix Himmelmann, Nietzsche. Originalausgabe. 1. Auflage. Leipzig : Reclam, 2006 (Reclam-Bibliothek : Grundwissen Philosophie ; 20305), S. 90:  

„In diesem Zusammenhang formuliert er seine Lehre von der »ewigen Wiederkehr des Gleichen« als Negation aller Vorstellungen einer Veränderung der Welt hin zum Besseren, zum Guten und Idealen. So, wie die Welt nun einmal ist und war und sein wird - und zwar in allen ihren Zügen -, sollen wir sie nach Nietzsche wollen und und »lieben« können. »Die Mitte ist überall«, heißt es entsprechend im Zarathustra (ZA III: 4, 273). Dass auch das Verächtliche, Hässliche und Niedrige ewig wiederkehrt und bejaht werden soll, will Zarathustra denn auch lange nicht einleuchten. Aber gerade in der Anerkennung des Ganzen ohne Abzug und Ausschluss bewährt sich für Nietzsche der »Pessimismus der Stärke« und die mit ihm verbundene negative »Theodicee« (N 1887: 12, 467 f.).“

S. 126 – 127:„Ewige Wiederkunft des Gleichen Zentraler Gedanke Nietzsches, dem zufolge alles schon einmal da gewesen ist und ewig wiederkehrt. In der Kreisfigur lässt er sich veranschaulichen. Aller Teleologie (von griech. télos – Ende, Ziel, Zweck), das heißt allen Vorstellungen von (letzten) Zielen und Zwecken im Weltgeschehen wird damit eine Absage erteilt. Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkunft hat verschiedene Facetten: kosmologische, ethische, ästhetische und auch eine politische. Sie verbindet sich überdies mit dem Gedanken einer uneingeschränkten Bejahung der Welt in ihrer Widersprüchlichkeit (amor fati), die nicht nur das Schöne, Beglückende oder harmonisch sich Fügende als ewig Wiederkehrendes will, sondern ebenso das Hässliche, Niedrige, das Böse und dem Begreifen sich Entziehende.“  

griech. = griechisch

Christian Niemeyer, ewige Wiederkunft. In: Nietzsche-Lexikon. 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Herausgegeben von Christian Niemeyer. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2011, S. 105 - 109

Miguel Skirl, Ewige Wiederkunft. In: Nietzsche-Handbuch : Leben - Werk - Wirkung. Herausgegeben von Henning Ottmann. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 2000, S. 222 - 230

S. 222 – 223: „Die Lehre von der ewigen Wiederkunft behauptet, daß alles schon einmal da gewesen ist, aber in jedem Moment trotzdem Neues entsteht, daß jeder Moment neu und unverbraucht ist, unschuldig ist.“

Feuerleger 
Fragesteller
 29.05.2015, 15:33

Wahnsinn oder Genie, darüber lässt sich bestimmt streiten, spüre jedenfalls eine tiefe Resonanz zu diesem Gedanken ! Klasse Antwort, vielen Dank :)  

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Nietzsche entwickelt gern gedankliche Gegenpositionen. Dabei ist die "ewige Wiederkehr" nicht seine Erfindung. Schon in der Antike gab es auch die Konzeption, dass die Welt ein Rad sei, ohne Anfang und ohne Ende, also eine Art "ewige Wiederkehr". Epikur hat das nicht explizit ausgesagt, aber sein Atomismus lässt das zu. Wogegen wendet sich dieses Konzept: Es wendet sich gegen das Konzept einer einmaligen Schöpfung und einer endgültigen Erlösung, oder aristotelisch: eine Entwicklung mit Ziel, der Teleologie. Das Konzept der Teleologie ist einschränkend: Irgend jemand wird immer herausfinden oder bestimmen wollen, was das letzte Ziel ist. Daran sind wir dann zu messen. Das Konzept der "ewigen Wiederkehr" ist offen, selbst wenn sich etwas wiederholt, es hat seine Bedeutung im Rahmen des jeweiligen wandelfähigen Umfeldes und ist nicht auch noch einem Ziel verpflichtet. Ob es die "ewige Wiederkehr" gibt, ob es die Teleologie gibt, beides kann wohl nicht bewiesen werden, es sind metaphysische Grundkonzepte, die eine je andere Lebenseinstellung begründen.