Wie haben Leute im Mittelalter ihre Nahrung frisch gehalten?

7 Antworten

Da brauchst du gar nicht ins Mittelalter zu gehen. Wir haben unseren ersten Kühlschrank bekommen, als ich so 6 oder 7 Jahre alt war, also Mitte der 1950er Jahre. Vorher hatten wir nur einen kleinen Keller. Ich kann mich nur daran erinnern, dass wir dort einen Haufen Kartoffeln über den Winter lagerten, und Äpfel aus unserem Garten waren dort auch.

Hinter unserer Waschküche (wo die Wäsche in einem großen gemauerten Trog gewaschen wurde, der von unten mit Holzkohle beheizt wurde) befand sich unsere Speisekammer. Dort standen in den Regalen viele Einweckgläser mit Pflaumen-, Mirabellen-, Kirschen- und Birnenkompott sowie Gläser mit schwarzer Johannisbeer- und Stachelbeermarmelade aus unserem Garten. Erdbeerkompott und Himbeermarmelade machten wir aus den Früchten meiner Großeltern, die am Stadtrand ein Haus mit riesigem Nutzgarten hatten und quasi Selbstversorger waren. Sie hatten auch Räumlichkeiten und Geräte für die eigene Schlachtung, ansonsten einen Hühnerstall und Hühnerhof für die Selbstversorgung und als Hobby Bienenzucht. Ihre Milch holten sie jeden Abend frisch vom Bauern am Ende ihrer Straße. Ich erinnere mich daran, weil ich abends auch oft mit der Milchkanne losgeschickt wurde, wenn ich bei den Großeltern übernachtete. Die Großeltern machten ihre eigene Leberwurst (sowohl in Därmen als auch in Einweckgläsern) und hatten viel Pökelfleisch. Als wir unseren ersten Kühlschrank kauften, bekamen sie eine große "Linde"-Tiefkühltruhe, die bei ihnen im Keller stand.

Aber zurück zu den Zeiten vor privatem Kühlschrank und Tiefkühltruhe! Wir kauften unsere Milch jeden Tag frisch beim Milchmann, der mit Pferd und Wagen durch die Stadt fuhr. Man hörte die Glocke und sein Rufen, dass der Milchmann da sei. Dann lief man mit der Milchkanne hin. Nicht mit Pferd und Wagen, sondern auf einem dreirädrigen motorisierten Gefährt (Tempo Hanseat) kam auch gelegentlich ein Mann, der frische Krabben verkaufte. Glocke + Ruf: "Granat, frischer Granat!" Die Krabben wurden dann in eine aus altem Zeitungspapier geformte Tüte geschüttet. Tüten aus Papier waren dazu wohl zu wertvoll, und Plastiktüten gab es es ja noch nicht. Fisch kauften wir frisch auf dem Markt oder in Fischgeschäften, von denen es in unserer Kleinstadt mehrere gab. Die Fischgeschäfte hatten entweder schon Tiefkühlschränke oder hielten ihren Fisch in Eiskammern frisch - auf Eisblöcken und in Schnee.

Brot wurde jeden Tag frisch gekauft wie auch die meisten anderen Lebensmittel. In unserer Region wurde meist nur mittags warm gekocht, morgens und abends ernährte man sich von Brot mit Käse, Wurst etc., daher wohl auch der Begriff Abendbrot.

Da immer alles frisch zubereitet wurde, brauchte man keinen Kühlschrank. Dafür reichte es, einen Keller und/oder eine Speisekammer ohne Tageslicht bzw. nur mit kleinem Fenster zu haben.

Verwandte in der DDR, die ich in den 1960er Jahren besuchte, bekamen jede Woche zwei gekürzte Eisblöcke geliefert, die sie in eine mit Dämmmaterial ausgestopfte Holzkiste im Flur packten, um dort leicht verderbliche Lebensmittel zu lagern.

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"Waschmaschine" in der Waschküche

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Dreibein "Tempo Hanseat", hinten in Holz (Diese Lieferwagen kippten bei Schlaglöchern gern mal um!)

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Sie haben geräuchert, in Salz eingelegt, getrocknet...

In meiner Gegend hat man bereits im Mittelalter sogenannte Eiskeller angelegt. Dazu hat man lange Stollen in den Berg getrieben. Im Winter wurden aus eigens angelegten Teichen Eisblöcke herausgeschlagen, die in den Stollen gelagern und mit Sägemehl und Stroh isoliert wurden, so dass den ganzen Sommer über Eis vorhanden war. In diesen Eiskellern wurde vor allem Fleisch und Bier gelagert. Man hat aber auch ab und zu Eis für den Hausgebrauch geholt. Eigene, gut isolierte Truhen, in die das Eis gegeben wurde, kann man durchaus als Kühlschränke bezeichnen. Was nicht gekühlt wurde, wurde durch Räuchern, Trocknen, Vergären usw. haltbar gemacht.

Frische Nahrung gab es im Mittelalter eher wenig, aber man hatte schon einige Tricks ...

In Burgen wurden gerne im Küchenbereich Aussparungen in der Mauer gelassen - und da die Burgmauern meist sehr dick waren, war dies einem Kühlschrank sehr ähnlich. Das niedere Volk in den Lehmhütten hob dafür Erdlöcher aus, eine gewisse Kühlung war auch damit zu erreichen.

Üblich waren aber andere Methoden der Konservierung, vor allem trocknen, salzen und räuchern.


Eisenschlag  27.03.2022, 14:29
Frische Nahrung gab es im Mittelalter eher wenig

Das ist falsch! Das Gegenteil ist richtig, die Nahrung war mehrheitlich frisch. Es gab keine Transportwege über Kontinente und keine Tiefkühltruhe. Entweder man machte es haltbar für den Winter (pökeln, Räuchern, einkochen usw.) oder man verbrauchte es sofort, also frisch.

Das niedere Volk in den Lehmhütten

Das Volk hat allgemein ganz vernünftig gelebt und Häuser (nicht Hütten) aus Lehm und Holz sind nicht schlecht.

Gruben wurden vermutlich teilweise ausgehoben, es vab aber eher Vorratshäuser etc.

Für Burgen (und Stadthäuser etc) bieten sich Kellergewölbe an. Man konnte dort sogar Eis den ganzen Sommer lagern.

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HugoHustensaft  27.03.2022, 17:42
@Eisenschlag

Besuche doch mal ein paar mittelalterliche Burgen - ja, manche haben Keller, einige sogar Eiskeller (hängt eben auch immer vom Untergrund ab, auf dem die Burgen errichtet wurden), dennoch finden sich vielfach auch in der Küche die von mir beschriebenen "Kühlschränke".

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Eisenschlag  27.03.2022, 19:34
@HugoHustensaft

Das hab ich auch nicht in Abrede gestellt - meine Kritik bezog sich eher auf die Frische der Nahrung und auf die Lehmhütten und Gruben :)

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Mirarmor  30.07.2022, 20:52

Mit dem Salzen, das wundert mich aber, ich dachte, das war sehr teuer.

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  • EInsalzen (Salzheringe zB)
  • alkoholisch vergären (Fruchtsäfte, Wein)
  • Milchsäuregärung (zB Sauerkraut)
  • Trocknung (Dörrobst)
  • Räuchern (Geselchtes)
  • in Schmalz oder Talg einlegen (Fleisch)
  • Eingraben (Mieten)
  • im Winter: einfrieren in Eisgruben (Fleisch)

neinxdochxoh  27.03.2022, 09:02

Sehr gute Antwort. Zusatz: 90 % der Menschen waren Bauern. Die hatten einen Garten, aus dem im Sommer und Herbst täglich frisch geerntet wurde.

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neinxdochxoh  27.03.2022, 10:03
@horribiledictu

Stimmt, wir haben hier noch im Februar Lauch, Sellerie und Rote Bete aus der Erdmiete gehabt.

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