Wie fühlt sich Autismus an?

11 Antworten

Ich möchte gerne von autistischen Menschen wissen, wie es sich anfühlt Autismus zu haben.

Das kann ich dir gerne beantworten. Bitte sei dir aber bewusst, dass jeder Autist anderes ist und die Erkrankung auch anders erlebt.

Ich bin diagnostiziert mit Asperger-Autismus (oder "Autismusspektrumstörung ohne Einschränkung der intellektuellen Entwicklung mit Einschränkungen im Sozialverhalten und der Sprache", wenn du es nach der neuen ICD-11 Kategorisierung nimmst :'D )

Was sind die beeinträchtigsten Besonderheiten

Noch einmal: Das hier sind meine persönlichen Erfahrungen und Symptome.

  • Unfähigkeit länger als einige Sekunden Augenkontakt zu halten
  • Je nach Anspannung starkes Stottern bis hin zu völliger Unfähigkeit zu Sprechen
  • Unfähigkeit Gefühle und Mimik einzuordnen, zu verstehen und zu zeigen
  • "Zwänge" (ich persönlich würde es als eine Mischung aus Schmerz und Unwohlsein beschreiben) im Bezug auf Dinge die einfach falsch sind (z.B. Stifte die nicht nach Farbe sortiert sind, Risse zwischen den Gehwegplatten, etc.)
  • Unfähigkeit Ironie und Metaphern zu verstehen
  • Starkes Unwohlsein bei Blickkontakt, Unterhaltung mit Fremden, Körperkontakt, Lichtern, Geräuschen, Dingen die nicht wie geplant laufen, neuen Situationen und Menschen, ...
  • Unfähigkeit Dinge zu lernen die mich nicht interessieren
  • Ich lasse mich leicht ablenken, wenn mich etwas nicht interessiert

Zum Thema Unwohlsein möchte ich nochmal sagen: Das ist für Menschen mit Autismus noch einmal anders und für NT-Menschen nicht ganz nachzuvollziehen. Soziale Situationen, etc. können bei zu langer Dauer auch zu einem Meltdown (Starke Überfordertheit mit Aggressivität) oder einem Shutdown (Ähnlich wie eine Mischung aus Depressionen und Dissoziation) führen.

was ist vielleicht auch ganz cool am Autismus?

Erneut, nur meine persönliche Erfahrung.

  • Fähigkeit Dinge die mich interessieren und begeistern in kürzester Zeit zu lernen
  • Intelligenzquotient von 135 (klar hat das nicht nur mit Autismus zu tun, aber das spielt da schon mit rein.)
  • Fähigkeit Dinge zu erkennen die "falsch sind", bzw. aus dem Muster fallen (siehe Nachteile, das kann in bestimmten Situationen eben auch ein Vorteil sein, z.B. bei Formeln und Rechnungen.)
  • Sehr gute Fähigkeit zur Organisation und Planung
Wie geht ihr damit um

Ich war jahrelang in Therapie und habe nie eine Diagnose bekommen. Seit bei mir ein Test auf Autismus durchgeführt wurde und die Diagnose gesichert war, konnte ich anfangen darüber zu sprechen und Strategien für meinen Alltag zu entwickeln. Ich denke das ist sehr persönlich und für die Beantwortung der Frage nicht weiter relevant.

und in welchen Situation fühlt ihr euch unter Umständen besonders fremd?

In jeder Situation, wo ich neue Menschen kennenlernen muss, oder wenn etwas anders als ursprünglich geplant abläuft. Auch wenn man z.B. in eine Situation kommt, wo es einfach "zu laut" (auch für einen NT-Menschen schwer nachzuvollziehen. Es ist weniger die Lautstärke, also die Dezibel, an sich, sondern die Art und Vielzahl von Geräuschen die einen triggern kann) ist, oder man auf sonstige Weise mit Reizen überflutet wird.

Danke für alle Antworten :)

Gerne doch :)

Eli0707  03.01.2023, 14:39

Was ist eine soziale Situation?habe das jetzt schon oft gelesen, verstehe es allerdings nicht wirklich

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ruhrgur  06.01.2023, 12:13
@Eli0707

Eine soziale Situation ist eine Situation, in welcher soziale Kenntnisse von Nöten sind, also bspw. eine Situation in der man sich in einer Gruppe befindet und dort etwas sagen soll.

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Eine Arbeitskollegin von mir hat Asperger Autismus. Sie findet es nicht cool. Sie kam in ein Heim, weil ihre Eltern mit der Diagnose nicht klar kamen. Dort wurde sie in eine Sonderschule geschickt, bist ein Lehrer sie mal ausführlich getestet hat und sie auf ein Gymnasium vermittelte. Sie machte dann in 2 Jahren Abitur und studierte Mathe.

Viele soziale Verhaltensweisen waren für sie eine Fremdsprache, die sie mühsam auswendig gelernt hat: Wenn ihr jemand ein Geschenk in die Hand drückt, sagt sie "Danke", obwohl sie keine Ahnung hat, wozu das gut sein soll. Wenn sie einer anderen Arbeitskollegin begegnet, die auffällig breit gebaute Hüften hat, schaut sie Minuten lang genau dort hin, weil sie kein Gespür dafür hat, dass der Begafften das unangenehm sein könnte.

Sie konnte viele Dinge gut beobachten, tat sich aber schwer beim Interpretieren. Sie begann mal mit mir zu flirten und ich erklärte ihr dann, dass der Ring an meinem Finger nicht nur reine Zierde ist, sondern auch etwas über meinen Beziehungsstatus aussagt. Sie hat sich dann entschuldigt, aber ich habe keine Ahnung, ob das nur auswendiggelernt war oder ob sie es verstanden hat.

OlekSchule  13.01.2022, 15:35

Ich bin auch Asperger (allerdings nach dem was du beschrieben hast eher weniger stark ausgeprägt), und Ich kann dir sagen dass das Flirten vermutlich auswendig gelernt war, da Beziehungen für Asperger extrem kompliziert sind, und Asperger zusätzlich auch noch eher Introvertiert sind.

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mjutu  13.01.2022, 15:58
@OlekSchule

Das Flirten habe ich genauso wenig persönlich genommen wie die Entschuldigung. Da ich damals anderweitig vergeben war und dazu noch ihr Chef, brachte mich beides nur zu einem kurzen Zucken in den Mundwinkeln, während ich "schon okay, kommen wir zurück zum Serverproblem" antwortete.

Hätte ich nicht gewusst, dass sie das Asperger Syndrom hat, hätte ich ein ernstes Gespräch mit ihr geführt um klar zu machen, auf welchem Level der berufliche Kontakt mit mir funktioniert. Die anderen Kollegen wurden aber nicht informiert, denn der Gesundheitszustand geht niemanden etwas an. Ich bekam von Zeit zu Zeit teilweise erboste Beschwerden, weil sie nicht grüßte oder sich nicht an soziale Konventionen hielt. Das war dann ein wenig kompliziert zu klären, aber es gehörte halt zu meiner Fürsorgepflicht als Arbeitgeber. Zum Glück haben wir uns um die EDV gekümmert - die EDV'ler hält sowieso jeder für leicht irre... :-)

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Ich bin kein Autist. Aber ich weiß von einer Person, die Asperger hat und damit völlig normal umgeht. Denn diese Person ist "völlig normal" erzogen worden - also so angenommen worden mit ihren Mankos wie sie nun mal ist. Diese Person hat nie das Gefühl gehabt, außen vor zu sein, abgelehnt zu werden etc. Das geht auch! Ergo ist es wichtig, wie andere mit Dir umgehen und nicht, dass Du anders bist. Das ist doch bei jeder Behinderung so: Je mehr Du akzeptiert und integriert wirst, desto mehr bist Du ein "normaler" Mensch. Klar sind Autisten eine Extremform von Mensch - ohne Frage. Dennoch muss auch hier differenziert werden zwischen "wird nicht gut bhandelt" und "wird normal behandelt".

jadaaaa  16.09.2021, 14:12

Ich liebe deine Antwort, du iegst genau richtig. ^-^

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tobianne  09.10.2021, 18:55

Exactly 👍

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Ich weiß nicht ob ich Autistin bin. Ist nur eine Verdachtsdiagnose aber ich hab keine Ahnung wann ein Hallo, Tschüss, Danke und Bitte, Herzlichen Glückwunsch usw. angebracht ist. Zumindest wusste ich das nie als Kind. Meine Eltern haben mir immer gesagt dass es unhöflich ist wie ich mich verhalte weil ich nie Hallo und Danke gesagt habe. Mir wurde und wird sehr oft gesagt dass ich aggressiv, zickig, genervt und arrogant wirke oder bin und ich verstehe nie wieso. Mir wurde auch gesagt dass mein Lächeln irgendwie komisch aussieht. Augenkontakt und Berührungen mag ich nicht und ich fühl mich unwohl wenn man mich dazu drängt. Verstehe oft nicht was Leute von mir wollen wenn sie keine klaren und ganzen Sätze sagen und kann keine Fragen beantworten wenn die Frage zu lang ist. Brauche halt klare und kurze Sätze oder Fragen um es zu verstehen. Was ich mag ist dass ich mich sehr auf gewisse Themen konzentrieren kann. Leider wird mir halt immer gesagt dass ich nicht ständig darüber sprechen soll (Psychische und Körperliche Erkrankungen) aber es interessiert mich nunmal und ich spreche da sehr gerne drüber.

Zane174  02.04.2023, 18:00

Vielleicht solltest du dann mal eine Diagnose machen lassen wenn es dir so wichtig ist das Herauszufinden

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Hi ich m15 bin Asberger-Autist. Ich selber sehe dabei mehr Vorteile als Nachteile. Natürlich sind alle Autisten unterschiedlich aber ich habe mich mit vielen anderen Autisten ausgetauscht und Erfahrungen gesammelt. Die Vorteile sind: Ich bin oft sehr fokussiert und interressiert an bestimmten Themen, ich habe ein sehr gutes Gedächnis und ich bin Hochbegabt. Die Nachteile sind: häufig werden mir Menschen zu anstrengend und ich brauche Auszeiten von ihnen, mir fällt es schwer das Verhalten von anderen Menschen zu deuten und mit ihnen zu kommunizieren und ich ecke oft bei Menschen an weil diese jemanden vermeintlich schwächeren zum mobben suchen oder meine anomalien nicht verstehen können.

Ich sag nochmal dazu ES IST NICHT KLAR OB DIESE EIGENSCHAFTEN AUCH AN MEINEM AUTISMUS LIEGEN ICH WEIß NUR? DASS ES VIELEN ANDERE. AUTISTEN ÄHNLICH GEHT.

Ich hoffe ich konnte dir deine Frage zumindest teilweise Beantworten.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
OlekSchule  13.01.2022, 15:35

Hier auch ein hochbegabter Asperger (wie ja auch jeder 6te Asperger) xD

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