Wird mit psychisch erkrankten besser umgegangen als mit Menschen mit einer körperlichen und/oder geistigen Behinderung?

13 Antworten

Meiner Erfahrung nach, verhält es sich genau anders herum. Aus dem Grund weil geistige und körperliche Einschränkungen inzwischen allgemein als solche anerkannt sind. Man weiß, dass Betroffene eingeschränkt sind und behandelt sie entsprechend.

Psychische Probleme werden meist gar nicht als Einschränkungen oder Probleme angesehen. Weder im privaten Umfeld noch arbeitstechnisch oder gesellschaftlich. Meist bekommt man, wenn man angibt, dass man psychische Probleme hat, Antworten die versuchen das Problem irgendwie abzuschwächen, für nichtig zu erklären oder gleich eine ganz neue (unzutreffende) Diagnose.

Man sei ja nicht psychisch krank, man sei ja "nur faul/unmotiviert/undiszipliniert/unruhig/unausgelastet/ etc.etc.". Aber ja, die Gesprächspartner/innen hätten Familienmitglieder die behaupten an denselben Problemen zu leiden, die mussten aber nur mit dem Trinken/dem Spielen/ dem Wetten/ dem Stubenhocken/ etc. aufhören, dann wäre es ihnen sofort besser gegangen. Aber ja, die Gesprächspartner/innen hätten selbst einige Tage bis Wochen etwas ähnliches erlebt, aber irgendwann hätten sie das überwunden und man müsse sich ja nur zusammen reißen um das überwinden zu können etc.etc.

Und vom Gesetz her sieht das ganze sehr ähnlich aus. Mit einer bipolaren Störung Typ 2, also schweren Depressionen mit gelegentlichen manischen Phasen, bekommt man mit Glück einen Invaliditätsgrad von 30%. Das ist derselbe Grad den man bekommt wenn man auf einem Ohr taub ist oder einen Daumen und einen Zeigefinger verloren hat.

Das bedeutet, lebenslanges Leiden, die Unfähigkeit glücklich sein zu können und ständige Todeswünsche und Selbstmordgedanken die nur phasenweise durch völlig übertriebene und unverhältnismäßige Produktivität (auf die dann noch schwerere Depressionen folgen) unterbrochen werden, sind in den Augen der Gesetzgeber "nur" so viel Wert wie das Gehör eines Ohres oder je ein Daumen und ein Zeigefinger.

Meiner Meinung nach eine Frechheit. Aber wie es den Menschen geht, ist den Gesetzgeber/innen da egal. Solange man am Fließband sitzen und geistlose Bewegungen durchführen kann, gilt man als arbeitsfähig, auch wenn man sich durch diese Arbeit irgendwann selbst aufs Fließband legt und von den Maschinen zerlegen lässt.

Ich selbst habe keine Erfahrungen im Vergleich der Behandlung psychisch kranker Mitarbeiter und körperlich bzw. geistig behinderter Mitarbeiter durch ein und dieselben Vorgesetzten in Institutionen für Menschen mit Behinderung.

Mein Bruder hätte dazu bestimmt etwas sagen können, denn er war als anfallfreier Epileptiker und Persönlichkeit mit Zwangserkrankungen in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung langjährig beschäftigt. Er hatte keine motorischen, intellektuellen oder kognitiven Einschränkungen.

Dadurch, dass er irgendwie nicht für den ersten Arbeitsmarkt geeignet war (bzw. nicht genug gefördert wurde, um dies zu schaffen), war er vermutlich in der WFB ein hochwillkommener, sehr produktiver Mitarbeiter. Man könnte auch sagen, es war Ausbeutung, weil er in der Metallwerkstatt Werkstücke in großer Zahl und guter Qualität gefertigt hat, aber dafür jahrzehntelang mit einem Taschengeld abgespeist wurde, das meilenweit unter Mindestlohn lag.

Andererseits wurden auch Seltsamkeiten und Eigenheiten an ihm toleriert, für die er vielleicht in einer rein kommerziellen Metallwerkstatt einfach hinausgeworfen worden wäre. Er war vom Typus: "Meister, hier bin ich, was soll ich tun?" In der freien Wirtschaft wird von den Mitarbeitern noch mehr Eigeninitiative, Flexibilität, Mitdenken, Fähigkeiten im Umgang mit Kollegen, Kunden etc. erwartet.

Es ist deshalb sehr schwer zu entscheiden, ob ein Mensch mit der einen oder anderen Behinderung nun an seinem Arbeitsplatz nicht gut genug behandelt wird und mit Recht unzufrieden sein dürfte.

Ich selber mache da gar keinen Unterschied. Und wenn das jemand tut, dann ist das wohl ganz individuell wie das jemand handhabt.

Das generell eine Art von Behinderung bevorzug behandelt wird, würde ich nicht sagen.

Timo3681 
Fragesteller
 25.08.2022, 17:06

Rosswurscht

Können Menschen mit einer körperlichen und/oder geistigen Behinderung sich nicht auch schlechter wehren als psychisch erkrankte? Also das es deswegen von bestimmten Menschen ausgenutzt wird.

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Ich sehe das ganze etwas anders.

Menschen mit geistigen und/oder körperlichen Behinderungen werden oftmals viel eher akzeptiert als Menschen mit einer psychischen Erkrankung.

Bei geistigen bzw. körperliche Behinderungen ist das Verständnis recht hoch im Gegensatz zu psychischen Erkrankungen. Diese werden noch immer sehr stigmatisiert.

Ich habe mein FSJ in einer WfbM gemacht, in der vor allem geistig & körperlich behinderte Menschen waren, aber auch eine Menschen mit Doppeldiagnosen (geistig & psychisch oder körperlich & psychisch).

Da war es tatsächlich so, dass den Menschen mit Doppeldiagnose nichts bzw. nur sehr wenig zugetraut wurde.
Da wurde eher der Hammer vor den Menschen mit Tetraplegie gelegt, damit der einen Nagel einschlagen soll - obwohl dieser den Hammer nicht mal vom Tisch nehmen konnte -, statt sie dem/der Kolleg*in mit leichter geistiger Behinderung & Depressionen zu geben - um es mal so ganz krass zu sagen.

Und wenn sich bspw. jemand krank gemeldet hatte, schauten die Gruppenleiter*innen in die Werkstatt-Wohngruppen-übergreifende Dokumentation, ob die Person nicht vielleicht einfach nur zu faul war aufzustehen oder zu lange getrödelt hat und den Bus verpasst hat und deswegen jetzt die psychische Erkrankung vorschiebt.

Wenn sich jedoch eine Person ohne Doppeldiagnose (also rein geistig oder körperlich) krank meldete, tauchte dieses Verhalten in den Arbeitsgruppen nicht auf.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Heilerziehungspflegerin/ Ally der Behindertencommunity
Pippiflauschi  14.01.2023, 00:23

Also ich gebe im Bekanntenkreis lieber mein Rheuma, an als meine Panikattacken , weil das wird leichter akzeptiert Wenn ich allerdings wählen könnte, würde ich mir wünschen dass die psychische Erkrankung weggeht bei mir. Obwohl die Schmerzen der Bei meinem Rheuma wirklich schlimm sind aber daran sieht man ja wie sehr man leidet unter diesen Sachen Und auch der Grad der Behinderung wird dafür nicht so hoch gesetzt wie für Körperliche Sachen Obwohl es ja auch körperliche Ursachen hat...irgendwas im Kopf läuft da ja verkehrt.

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Egal ob mit einer Behinderung oder ohne, egal ob geistige oder körperliche Behinderung, man muss mit jeder Person individuell umgehen.

Das Problem dabei ist das Personen mit einer geistigen Behinderung oft als „dumm“ hingestellt werden, wogegen die Person der offensichtlich beide Beine fehlen als die armen, hilfsbedürftigen angesehen werden. (Jetzt als Beispiel genommen)

Aber fast alle Menschen wollen als das war genommen werden was sie sind: Menschen!

Das Problem was im Berufsalltag oft entsteht ist das Menschen mit einer geistigen Behinderung oftmals nicht so sehr belastungsfähig sind wie andere. Da muss dann Rücksicht drauf genommen werden. Und das wirkt oft so als wenn man die besser behandelt.