wer kann mir existentialismus erklären? hab schon viel gelesen in google aber nichts verstanden

4 Antworten

Der Existentialismus kann als eine spezielle Form der Lebensphilosophie verstanden werden, d.h. dass im Zentrum dieser Philosophie die Frage steht, wie man sein Leben sinnvoll gestalten kann. Ein philosophischer Ansatz dazu kann sein, dass man den Menschen definiert, z.B. als Gottes Ebenbild, als vernunftbegabtes Wesen usw. (d.h. man stellt zuerst die Essenz, das Wesen des Menschen fest und geht von da aus weiter). Das lehnt der Existentialismus ab mit dem Satz ab: Die Existenz geht der Essenz voraus. D.h. zuerst einmal sind wir Lebewesen und alles, was wir definieren, ist von unserem Leben, unseren Erfahrungen bestimmt, und die kann man nicht einfach mit Definitionen „glattbügeln“. So interessiert sich der Existentialismus sehr um die Frage, wie wir denn leben, wie wir miteinander umgehen, welche Strukturen (Staaten, Wirtschaft, gesellschaftliche Gruppierungen und ihre Vernetzung) sich daraus ergeben. Der Existentialismus schaut nicht auf hochabstrakte Definitionen des Menschen, sondern auf sein Verhalten. Eine wichtige Beobachtung ist, dass wir Wesen sind, die immer werten und handeln und dazu Entscheidungen treffen. Das führt zu der Aussage: Der Mensch ist zur Freiheit verurteilt – er hat nicht die Wahl der freien Wahl, er muss im Umgang mit Natur und Mitmenschen in seiner Vorsorge zum Überleben immer handeln und das heißt wählen und entscheiden. Aus der Einsicht in unsere Lebensbedingung, dass wir sterblich sind, also nur eine begrenzte Zeit etwas aus unserem Leben machen können und dass wir gesellschaftliche Wesen sind, also nie allein agieren, kommen weitere wichtige Motive des Existentialismus wie Angst, Grenzerfahrung. Wir sind ungefragt als Leben in diese Welt „geworfen“ und die Frage ist, wie man sinnvoll diese mit begrenzter Lebenszeit ausgestattete „Geworfenheit“ mit Sinn füllt, sodass man nicht daran verzweifelt, nicht in Angst versinkt sondern immer wieder zu freudvollen Momenten kommt, bestenfalls sogar zu einem sinnerfüllten Leben. Wenn ich in GFN einige Fragen anschaue nach dem Sinn des Lebens, Klagen über die Langeweile oder Existenzangst, dann denke ich immer wieder, wie gut es wäre, wenn die lebensnahe Philosophie des Existentialismus populärer wäre, weil sie genau auf diese Fragen Antworten anbietet.

Der Begriff wird vor allem mit Jean Paul Sarte in Verbindung gebracht. Er hat dazu gesagt:

Der atheistische Existentialismus, den ich vertrete... erklärt, daß, existiert Gott nicht, es zumindest ein Wesen gibt, bei dem das Sein dem Wesen vorhergeht, ein Wesen, das existiert, bevor es durch irgendwelche Vorstellung definiert werden kann, und daß dieses Wesen der Mensch ist oder, nach Heidegger, die menschliche Wirklichkeit. Was bedeutet es hier, daß die Existenz der Essenz vorhergeht? Es bedeutet, daß der Mensch zuerst existiert, in der Welt angetroffen wird und auftaucht und daß er sich erst nachher bestimmt. Wenn der Mensch, wie ihn der Existentialist begreift, nicht bestimmbar ist, so darum, weil er zuerst nichts ist. Er wird erst nachher sein, und er wird der sein, zu dem er sich machen wird... Der Mensch ist nichts anderes, als wozu er sich macht. Dies ist der Hauptsatz des Existentialismus. Dies heißt man auch Subjektivität, die man uns unter eben diesem Namen vorwirft... Wir wollen sagen, daß der Mensch zuerst existiert, d.h. daß der Mensch zuerst etwas ist, was sich seiner Zukunft zuwendet und sich bewußt ist, sich einer Zukunft zuzuwenden. Der Mensch ist zuerst ein Entwurf, der sich subjektiv erlebt, statt Moos, Moder oder ein Kohlkopf zu sein; nichts existiert vor diesem Entwurf; nichts ist am Verstandeshimmel, und der Mensch wird zuerst das sein, was zu sein er geplant haben wird... Wenn aber wirklich die Existenz der Essenz vorangeht, ist der Mensch verantwortlich für das, was er ist... Subjektivismus will einerseits heißen Wahl der individuellen Person aus sich selbst und andererseits Unmöglichkeit für den Menschen, die menschliche Subjektivität zu überschreiten. Die zweite Bedeutung ist der tiefere Sinn des Existentialismus.

Aber diese Auffassung ist sehr positivistisch und wird auch infrage gestellt bzw. sogar als unmöglich widerlegt. Zum Beispiel hier:

http://hintergrundstrukturen.de/index.php?option=com_content&view=article&id=59%3Adie-inkarnation-des-ich&catid=36%3Aadmin-essays&Itemid=62&limitstart=4

„Existentialismus“ ist die von Sartre und Camus vertretene französische Variante der Existenzphilosophie. Beide Philosophen gehen von der Absurdität des Daseins aus. Gott, der ein bestimmtes sinnvolles Wesen vom Menschen, eine Essenz, geschaffen haben könnte, nach der man seine Existenz ausrichtet, existiert nicht. Also kommt es darauf an, die Existenz selbst zu schaffen, indem man sich auf ein bestimmtes Ziel hin entwirft, das in der Verwirklichung der in uns ruhenden Möglichkeiten besteht. Für Sartre ist dieses Ziel nur zu erreichen, indem man sich radikal befreit, denn – so sagt er: „Existenz ist gleich Freiheit“, der Mensch befreit sich, um seine in ihm ruhenden Möglichkeiten zu verwirklichen. Freiheit aber wird nur erreicht, wenn der Mensch zu einem „Für-sich“ (pour-soi“) wird, indem er alles „nichtet“, was dieses „Für-sich“ bedroht, z.B. „die Anderen“, deren Blicke das sich selbst entwerfende, d.h. existierende Ich wieder zum Objekt, zum „In sich“ („en-soi“) degradieren kann, sobald sich das Ich vom Urteil der „Anderen“ abhängig macht. Am deutlichsten hat Sartre diese „Degradierung“ des Ichs in dem Film(drehbuch) „Das Spiel ist aus“ verdeutlicht. Zwei Liebende sollen, um ins irdische Leben zurückzukehren, 24 Stunden nur ihrer Liebe leben, das heißt sich auf dieses Ziel der bedingungslosen Liebe hin entwerfen. Doch die Blicke und das Urteil der Anderen (die gesellschaftlichen Mächte) verführen sie dazu, ihr „existentielles“ Ziel aufzugeben. Sie müssen wieder ins Jenseits zurück, wo sie als Tote auf ewig umherwandeln. - Camus fasst in ähnlicher Weise wie Sartre die Welt auf als nicht von sich aus sinnhaft, weil es erst durch den Menschen einen Sinn bekommen kann. Damit gilt letztlich auch für Camus die von Sartre geäußerte Überzeugung, dass die Existenz der Essenz vorausgehe. Allerdings lehnt er den Existenzialismus als System ab. Das philosophische Fragen kulminiert für Camus in der für ihn besonders wichtigen Frage, der nach dem Selbstmord. Der Selbstmord kann zwar als Loslösung von einer sinnlosen Welt gedacht werden (warum leben, wenn doch alles sinnlos ist?). Doch wird der Selbstmord von Camus abgelehnt; sich umbringen, hieße, dem Absurden erliegen. Weiterzuleben, dem Absurden tapfer ins Auge zu blicken, obwohl alles sinnlos ist, das ist für Camus die anzustrebende Revolte gegen das Absurde. Wenn wir weder Vertrauen in einen Gott noch in unsere Vernunft setzen können – was bleibt dann als Sicherheit? Nichts!, sagt Camus. Für den modernen Menschen gibt es diese Sicherheit nicht. Hier liegt auch seine Ablehnung des Existentialismus als System: Ein System suggeriert eine Ordnung, die Camus so nicht sah. Seine Antwort lautet: Nicht dem Absurden unterliegen (durch Selbstmord), sondern gegen das Absurde revoltieren. Indem der Mensch das absurde Verhältnis von Mensch und Welt anerkennt, akzeptiert er sich als ein Wesen, das frei ist. In seinem Werk „Der Mythos des Sisyphos“ wird dies exemplarisch an dem besagten Mythos erläutert. Sisyphos erträgt seine Strafe, er nimmt sie an, lässt sich aber nicht von der Bürde der ewigen Qual erschüttern, sondern er verlacht die Götter; so zeigt er die Größe des modernen Menschen, der sein absurdes Schicksal akzeptiert.