Warum sprechen viele das Wort Musik falsch/anders aus?
Mir ist es etliche Male aufgefallen, dass manche Leute das Wort „Musik” falsch aussprechen. Vielleicht nicht ganz so falsch, nur auffällig anders.
Das Wort ist eigentlich sehr einfach gestrickt, besteht aus zwei Silben [Mu·sik] und ist an sich auf einfach auszusprechen. Hier in IPA [muˈziːk]. Das Längezeichen (Doppelpunkt) weist drauf, dass der Buchstabe davor etwas länger ausgesprochen werden muss (also sowas wie Mu·siik).
Und genau da ist das Problem. Viele sagen das so, als wäre eigentlich das u lang (also sowas wie Muu·sik) und ich kann das einfach nicht verstehen. Mir fällt das übertrieben oft auf, auch bei Deutschmuttersprachlern. Ich glaube auch nicht, dass das von einem Dialekt kommt, weil ich das von verschiedenen Regionen gehört habe.
Hier zwei Aufnahmen, wie das richtig ausgesprochen wird:
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/7/74/De-at-Musik.ogg
https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/2/23/De-Musik.ogg
Leider habe ich jetzt kein gutes Beispiel gefunden, aber hier ist eine kleine Aufnahme, wie ich meine. Obwohl das in manchen Fällen viel drastischer ist:
https://contribute.dict.cc/?action=audio-history&f=id-902698
Das Ergebnis basiert auf 17 Abstimmungen
15 Antworten
Historisch gesehen liegt die Betonung von „Musik“ tatsächlich auf der ersten Silbe, denn das Wort ist eine alte Entlehnung aus dem lateinischen mūsica, das auf der ersten Silbe betont wird. Die Endbetonung setzte sich unter Einfluss von französisch musique durch (vgl. Pfeifer) und wurde schließlich zur offiziellen Aussprache – vor dem Hintergrund, dass das Französische früher als Prestigesprache galt.
Die Verschiebung des Wortakzents hat jedoch z. B. die bairische und pfälzische Mundart nicht betroffen, wo man „Musi“ bzw. „Mussik“ immer noch auf der ersten Silbe betont. Die Tatsache, dass die meisten auf -ik endenden Wörter nicht auf der letzten Silbe betont werden (z. B. Plastik, Panik, Logik, Technik, Hektik, Taktik, Mimik) hat vermutlich auch dazu beigetragen, dass die Aussprache mit Betonung auf der ersten Silbe erhalten geblieben ist. Auch liegt der Wortakzent im Deutschen generell auf der ersten Silbe, sodass insbesondere bei häufig genutzen Wörtern die Erstbetonung bevorzugt wird. Fabrik und Politik hingegen sind von französisch fabrique bzw. politique entlehnt, weshalb die Betonung auf die letzte Silbe fällt.
Die Aussprache von Musik ist also dialektal und regional bedingt. Die eine oder andere Aussprache als falsch zu bezeichnen, da sie nicht dem hochdeutschen Standard entspricht, ist unangemessen, da Sprache nicht homogen ist und sich von Region zu Region und von Sprecher zu Sprecher unterscheidet – was absolut normal ist.
In dem Hörbeispiel, das Du am Ende verlinkt hast, höre ich die dialektale Aussprache [muˈzɪk] mit Betonung auf der letzten Silbe, die im Duden als österreichisch angegeben ist.
Das Wort „Musiker“ ist nicht älter als „Musik“. Das Wort „Musik“ ist bereits im 9. Jh. ins Deutsche gekommen, wobei es „Musiker“ erst seit dem 18. Jh. gibt, vgl. DWDS.
„Musiker“ wird – im Gegensatz zur Standardaussprache von „Musik“ – auf der ersten Silbe betont, da das Wort nicht den französischen Einfluss hatte. „Musiker“ ist eine eingedeutsche Form zum älteren, seit 1500 bezeugten Wort „Musikus“, eine Entlehnung vom lateinischen mūsicus „Tonsetzer, Tonkünstler“, das (gleichermaßen) auf der ersten Silbe betont wird.
Dasselbe ist auch bei „Physik“ der Fall: Die Endbetonung liegt anscheinend wieder einem französischen Einfluss zugrunde bzw. das Wort wurde im Mittelhochdeutschen vom altfranzösischen fisique entlehnt (von lateinisch physica, altgriechisch physikḗ, vgl. Pfeifer). Das Wort „Physiker“ ist – ähnlich wie „Musiker“ – zur älteren lateinischen Form Physicus „Naturkundiger, Arzt“ im 16. Jh. gebildet, bei der die Betonung auf der ersten Silbe liegt.
Die abweichenden Akzentpositionen bei „Musik“ und „Musiker“ sowie „Physik“ und „Physiker“ hängen also mit dem Einfluss des Französischen auf das Deutsche zusammen. Letztlich haben sich die Aussprachen „Musik“ und „Physik“ gegenüber der ursprünglichen Aussprachen „Musik“ und „Physik“ im überregionalen Standard durchgesetzt, vor allem dadurch, dass – wie bereits gesagt – die französische Sprache hohes Prestige hatte.
Hätte sich das französische technique auf die Aussprache des deutschen Wortes „Technik“ ausgewirkt, würde man heute wahrscheinlich das Wort wie „Musik“ und „Physik“ auf der letzten Silbe betonen, wie es beim englischen Wort technique der Fall ist. Dieser Einfluss ist allerdings ausgebliebt, weshalb sich die Erstbetonung durchgesetzt hat: Sowohl „Technik“ als auch „Techniker“ werden auf der ersten Silbe betont.
Sehr schön erklärt. Ich weise aber doch als typischer Korinthenkacker darauf hin, daß die österreichische Aussprache eher [muˈsɪk] ist, weil vor einem kurzen Vokal das /s/ nicht stimmhaft wird und die Österreicher mit dem [z] sowieso sehr sparsam umgehen (Sonne=[ˈsɔnə], dem Sohne=[soːnə]).
Allerdings wird auch in Österreich [muˈziːk] immer mehr zum Standard, weil deutsche Medien ihre Spuren in der Aussprache hinterlassen. Auch in der verlinkten Aufnahme kommt mit das İ ziemlich lang vor, allerdings [ɪː] was definitiv nicht Standard ist — vermutlich ist das ein Effekt des bewußten Sprechens vor dem Mikrophon.
Das kann durchaus auch am Dialekt liegen. Im Moselfränkischen (z.B. in Trier) wird Musik auf der ersten Silbe betont, das u ist kurz, das s stimmhaft. Im Standarddeutschen wird auf der zweiten Silbe betont, da hast du recht.
Ich kenne das auch von "Anis", im Standarddeutschen ebenfalls auf der zweiten Silbe betont, hier im Schwabenländle aber auf der ersten Silbe.
Mein Eindruck ist, dass gerade die Dialekte die germanische Betonung auf der ersten Silbe auch bei Fremdwörtern ziemlich konsequent anwenden. "Doucement" wird im Französischen auf der 2 betont, im Saarland wird "dussmang" auf der 1 betont. (Musik ebenfalls)
Naja, Sprache entwickelt sich nun mal. Das war schon immer so. Wenn es einfacher oder gebräuchlicher ist, ein Wort so oder so auszusprechen, dann werden Menschen das auch tun. Der Duden wird sich am Ende der Sprache anpassen.
Es kann natürlich auch mit regionalen Dialekten zusammen hängen. Das kann ich gerade nicht beurteilen.
Mir persönlich sind solche Eigenarten in der Aussprache von "Musik" noch nie aufgefallen, ich halte es ehrlich gesagt auch nicht für wichtig.
Edit: In deinem Negativbeispiel klingt der Sprechende für mich so, als hätte er einen leicht bayrischen oder österreichischen Dialekt. Ich würde regionale Dialekte als Grund definitiv nicht ausschließen.
Er spricht's meiner Meinung nach richtig aus:
https://www.youtube.com/watch?v=JxyhAxN9bnk
So wie auch die meisten Leute, die ich hier in Österreich kenne.
Kanns sein, dass dieses "Muu-sick" eher Norddeutsch ist?
Wie dem auch sei, stören tut's mich eigentlich nicht wirklich. Dialekte sind doch eigentlich was wunderbares.
ich glaub es kommt auch darauf an welche Bedeutung man der Musik beimisst. Wenn wir Musik lieben sprechen wir es auch richtig aus.
Oh Danke auf jeden Fall für die ausführliche Antwort.
Ich habe gestern noch hier diskutiert, dass es auch sein kann, dass die Leute das Wort „Musiker” zuerst gesagt haben. Da ist die Betonung am Anfang
Auch zum Beispiel: Physik /fyˈziːk/ und Physiker /ˈfyːzikɐ/.
Aber wenn die Wörter länger werden, z.B. Musikerin, wird es etwas schwieriger mit der Aussprache.
Aber ich bin auch kein Deutschmuttersprachler. Ich erinnere mich ganz genau im B2-Deutschkurs, dass wir eine Übung zu genau diesem Fall hatten. Vielleicht deswegen fällt mir das öfter auf.