Warum sind Rudimente ein Beweis dafür?

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Wenn du ein Blatt Papier findest, dann kannst du mit nur einem Blick feststellen dass es sich um die Seite eines Buches handelt. Weil die Seite stark vergilbt ist, kannst du davon ausgehen, dass es sich um ein altes Buch handelt. Schaust du dir den Druck an und stellst du fest dass die Schrift in Fraktur gedruckt wurde, bestätigt das deinen ersten Eindruck über das Alter des Buches. Anhand der Seitenzahl kannst du sehen, welche Seite du in der Hand hältst und wenn du dir den Text durch liest, dann kannst du sagen ob es sich um einen Roman oder einen Reisebericht oder um etwas ganz anderes handelt. Aus einer einzigen Seite kannst du ganz viele Informationen heraus ziehen. Die Archäologen machen das bei ihrer Arbeit ganz genau so. Sie schauen sich an was sie haben, was sie darüber wissen und worauf sie schließen können.

Rudimente sind Überreste von Merkmalen, die in der Stammesgeschichte einer Entwicklungslinie immer stärker reduziert wurden. Der menschliche Blinddarm beispielsweise ist in seiner Stammesgeschichte immer kleiner geworden. Er dient ja ursprünglich dazu, pflanzliche Gerüstsubstanzen wie Cellulose zu verdauen. Weil der Mensch sich aber zunehmend von anderen Nahrungsquellen ernährte, machte es wenig Sinn, einen großen (und nutzlosen) Blinddarm zu behalten.
Übrig geblieben ist nur noch ein Rudiment des großen Blinddarms, nämlich der Wurmfortsatz.
Aus dem Vorhandensein des Wurmfortsatzes kann man aber schließen, dass der Mensch (bzw. seine Vorfahren) einmal einen funktionsfähigen Blinddarm gehabt haben muss. Man kann daraus auch schließen, dass er mit anderen Tieren, die einen Blinddarm haben, verwandt sein muss.

Rudimente belegen also, dass es bei allen Wirbeltieren einen gemeinsamen Grundbauplan (und somit eine gemeinsame Abstammung) gibt, der im Lauf der Geschichte in den verschiedenen Entwicklungslinien jedoch unterschiedlich abgeändert wurde, z. B. durch Reduktion eines bestimmten Merkmals.

Ein anderes Beispiel für ein Rudiment, bei dem diese Entwicklung nachgezeichnet werden kann, ist unser Steißbein. Es ist der kümmerliche Überrest eines Schwanzes. Die meisten Primaten haben einen sehr langen Schwanz. Das ist vorteilhaft, denn es sind überwiegend Baumbewohner, die den Schwanz zum Balancieren nutzen. Bei einigen südamerikanischen Vertretern hat sich der Bauplan des Schwanzes abgeändert. Er wurde kräftiger und bekam eine unbehaarte Stelle, sodass die Tiere mit dem Schwanz Äste umklammern konnten - es entstand ein Greifschwanz, der wie eine fünfte Gliedmaße eingesetzt werden kann.
In einer anderen Entwicklungslinie, nämlich bei den Menschenaffen, wurde der Schwanz hingegen reduziert. Er wurde kleiner und kleiner, heute ist als Überrest davon nur noch das Steißbein erhalten.
Die Menschenaffen führten eine andere Lebensweise, bei der sie einen Schwanz zum Balancieren nicht benötigten, also wurde er reduziert. Zwar gibt es unter den Menschenaffen auch heute (wieder) Baumbewohner, nämlich die Gibbons und den Orang-Utan. Sie bewegen sich aber auf eine ganz andere Weise fort, durch Schwing-Hangeln. Einen Schwanz zum Balancieren benötigen sie für diese Form der Lokomotion nicht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium, Universität Leipzig