Warum sind Ostdeutsche eher reaktionär/konservativ?

7 Antworten

In Sachen Eigentum war man in der DDR links. Aber die Gesellschaftspolitik hatte nichts mit dem zu tun, was die "Grünen" heute für "links" halten. Man gab sich nicht "alternativ" und die große Zahl an Einwanderern gabs da auch nicht.

In vielen Dingen waren sich die DDR und Westdeutschland damals näher, als es der Westen heute im Vergleich zu damals war. Die jungen Leute wissen das nicht mehr, aber früher war es wirklich auch im Westen anders! Dass es so kommen würde, wie es heute ist, hätte ich früher nie gedacht. Ich bin ein Mensch, der nicht in die heutige Zeit passt - und das als "Wessi".

verreisterNutzer  05.01.2020, 14:00

Sind Sie auch eher konservativ oder was meinen Sie mit "Ich bin ein Mensch, der nicht in die heutige Zeit passt"?

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Tja, dann schau dir mal an, was man im Osten so unter "Sozialismus" verstand und vor allem von wem dieses System implementiert wurde.

Die erste Generation der Führungsriege der SED um Pieck und Ulbricht entstammte noch dem Kaiserreich und die zweite und letzte Generation, die in der DDR was zu sagen hatte, um Erich Honecker, noch der Weimarer Zeit.

Heißt die DDR wurde bis zum Ende von Personen regiert, die ihre gesellschaftliche Sozialisation in den 1900er bis 1930er Jahren erlebt hatte.

Aus deren Sicht und Lebenserfahrung, war deren Staat sicherlich gesellschaftlich fortschrittlich. Nur du weißt, wie es ist, wenn dein Opa oder dessen Generation etwas für schwermodern hält.

Die DDR-Gesellschaft war immer eine konsvervativ/reaktionäre Veranstaltung, weil sie zum einen unter einer repressiven Diktatur lebte, die Abweichlertum per se bschnitt und zum anderen, weil die Führungsriege, die den Takt vorgab von ihrer Alterszusammensetzung grundsätzlich erst so ab Mitte 50+ anfing und irgendwo bei 80 Jahren endete, während die erste Generation den Stalinistischen Terror als Herrschaftsmethode noch in Moskau aus eigener Hand kennen gelernt hatte.

Was soll man da an Fortschritt erwarten?

Zudem, schaut man sich inhaltich an, was im Ostblock unter "Sozialismus" verstanden wurde, beinhaltet das nicht viel mehr als eine stumpfe Herrschaftslegitimation der jeweiligen KP.

Ideologisch gesehen, war der Sozialismus selbst in der Sowjetunion spätestens seit Ende der 1920er Jahre Tod. Lässt sich mitunter daran ablesen, dass ab 1928 die ehemalgien Revolutionäre von 1917 in der Sowjetunion, sich einer nach dem anderen vor dem Erschießungskommando oder im Gulag wiederfanden.

verreisterNutzer  05.01.2020, 13:57

Also kann man sagen

Wirtschaftlich = "Sozialistisch"

Gesellschaftlich = Konservativ?

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verreisterNutzer  05.01.2020, 14:13
@verreisterNutzer

Man kann selbst wirtschaftlich darüber streiten, ob man das "Sozialismus" nennen will.

Solltest du eine masochistische Veranlagung besitzen, kannst du dir ja mal den Spaß machen und Marx lesen (ich warne vor, ist zäh, wie ne Schuhsohle und für die meisten wahrscheinlich stinklangweilig).

Von irgendwelchen 5-Jahres-Plänen steht da nirgendwo etwas (die sind eine Erfindung der stalinistischen Diktatur in der Sowjetunion).

Davon Betriebe in dezidierten Staatsbesitz zu nehmen und sie diktatorisch zu leiten auch nicht, das widerspricht viel mehr der marxschen Forderung die Kontrolle über die Produktionsmittel und das von ihnen geschaffene Mehrprodukt in der Hand der Arbeiter zu lassen, die es erzeugt haben.

Von einer Planwirtschaft im Bezug auf die Konsumgüterherrstellung, ist da auch nirgendo die Rede.

Das einzige, was man dem entnehmen könnte, wäre eine Planwirtschaft, im Bezug auf den Ausbau von Infrastruktur und die Bereitstellung lebenswichtiger Versorgungsgüter, die Marx seinerzeit im "Manifest der kommunistischen Partei" in den 1840er Jahren tatsächlich anregte, allerdings in Reaktion auf die damalige Verknappung von Lebensmitteln durch ernteausfälle.

Von dem her, würde ich sagen, Gesellschaftlich hatte das mit Sozialismus überhaupt nichts zu tun, wirtschaftlich hatte es auf Basis der geplanten Errichtung von Infrstruktur und der geplanten und gemeinschaftlich organisierten Grundversorgung einge Berührungspunkte zum theoretischen Marxismus, als der sozialistischen Richtung auf die man sich offiziell bezog, aber von einer konsequenten Umsetzung kann da keine Rede sein.

Die hätte nämlich das implementieren einer staatlich und undemokratisch gelenkten Zenralverwaltungswirtschaft dezidiert verboten, weil die sich wiederrum mit dem Marx'schen Ausbeutungsbegriff beißt, da dem Arbeiter das Mitbestimmungsrecht über die Arbeitsgestaltung (Produktionsmittel) und die Mitbestimmung über die Verwendung des Entproduktes, dass ihre Arbeitskraft enthält, entzogen wird.

Von dem her, wollte man die DDR an ihrer eigenen ideologischen Grundlage, dem theoretischen Marxismus konsequent messen, wäre der korrekte Begriff um ihr Wirtschaftssystem zu beschreiben:

Despotische organisierte Ausbeutung und würde sich von einer kapitalistisch organisierten Ausbeutung nur dadurch unterscheiden, das der Nutznießer keine Privatperson ist, sondern der Staat, der dem Proletarier die Früchte seiner Arbeit abnimmt, freilich ohne mit diesem identisch zu sein.

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Vorweg: du pauschalisierst definitiv viel zu sehr durch deine Fragestellung ;). Es gibt nicht "den Ostdeutschen". 30 Jahre nach Wende sollte man überhaupt immer mehr von diesem Ost-West-Denken abkommen.

Ansonsten solltest du bedenken, dass die älteren Generationen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR einen ganz schönen Einschnitt in ihren Biografien erlebt haben. Nach der Wende fanden sich dort viele arbeitslos wieder, mit Abschlüssen, die nicht automatisch anerkannt wurden, mit sehr unsicheren Zukunftsaussichten, nachdem ihre Zukunft eigentlich seit der Jugend sehr klar absehbar war, mit völlig neuen Herausforderungen, von denen sie nichts wussten und wo sie in der Familie auch keinen hatten, der ihnen dort Tipps und Unterstützung geben konnte. Ebenfalls wurde durch diesen Umbruch ihr bisher Erspartes, das, was sie sich aufgebaut hatten, von heute auf morgen extrem viel weniger wert.

So ein Umbruch kann natürlich stark verunsichern. Oft auch so sehr, dass es sich irgendwo unterbewusst auf die Kinder überträgt. Und natürlich macht das Erleben eines solchen Umbruchs auch etwas Angst vor weiteren Veränderungen, da man ja nicht noch mal ganz von vorn anfangen und wieder teilweise wirklich unfair behandelt werden möchte. Vor allem auch dann, wenn man nicht zu denen gehört hat, für die es dann irgendwann wieder gut oder sogar deutlich besser als vorher geworden ist.

Das ist also ein Erklärungsansatz, warum eventuell manche Menschen, die die DDR noch erlebt bzw. die Unsicherheit, Angst und eventuell sogar Verzweiflung ihrer Eltern gespürt haben, eher konservativ denken und wählen. Aber wie gesagt - pauschalisieren nützt nichts und es wird echt Zeit, die Ost-West-Denke aufzugeben, nicht zuletzt dahingehend, dass das dann auch endlich rund um Gehälter mal aufhört...

verreisterNutzer  05.01.2020, 13:55

Was soll ich bitte sonst sagen?

Deutsche die im Osten leben? Das ist genau das gleiche, lol

Und ich bin 17, hab da nicht mal gelebt. Es ist halt das die MEHRHEIT der Ostdeutschen konservativ wählen, da kann man schonmal generalisieren.

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HappyMe1984  05.01.2020, 14:07
@verreisterNutzer

"Deutsche, die im Osten leben" - joa, das bin ich wohl ;). 1984 im damaligen Westdeutschland geboren, 1994 bis 2000 in Thüringen wohnhaft, danach kurz wieder in Niedersachsen, seit 2003 in Sachsen und mit einem gebürtigen Sachsen verheiratet ;). Aber ich vermute, dass du mich als gebürtigen "Wessi" eigentlich dann doch nicht meinst, oder ;)?

Und ja, bei "mehrheitlich konservativ" gehe ich mit, sieht man ja an Wahlergebnissen. "Mehrheitlich" ist aber eben trotzdem was anderes als "Ostdeutsche wählen konservativ". Eben weil du bei letzerem all diejenigen nicht berücksichtigst, die eben NICHT konservativ wählen, was ja trotz allem fast die Hälfte und somit mehr als eine zu vernachlässigende Minderheit ist ;).

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verreisterNutzer  05.01.2020, 14:09
@HappyMe1984

Okay. Es tut mir so leid, dass ich generalisiert habe, ich entschuldige mich an ganz OSTDEUTSCHLAND. :(

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HappyMe1984  05.01.2020, 14:10
@verreisterNutzer

Du sollst dich nicht entschuldigen, sondern verstehen, warum Generalisieren und Pauschalisieren halt Quatsch ist ;).

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HappyMe1984  05.01.2020, 14:13
@verreisterNutzer

Nein, weil man dann halt von völlig falschen Grundlagen ausgeht und somit niemals zu einem sinnvollen, differenzierten Ergebnis kommen kann.

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Der gesamte Osten kannte kein Aufbegehren gegen die ältere Generation, wie wir es in den späten 60ern nicht nur in Westdeutschland erlebt haben. Dieser Bruch mit der Kriegsgeneration fehlt im Osten.

Dazu war der Osten offiziell ein Arbeiter und Bauernstaat. Sowohl Arbeiter als auch Beschäftigte in der Landwirtschaft wurden auf kleinbürgerliche Lebensweise getrimmt. Noch heute werden Menschen, die sich in der DDR nicht anpassten, kritisch gesehen. Das geht schon bei der Pfarrerstochter Angela Merkel und bei dem ehemaligen Bundespräsidenten Gauck los. Die sind im Westen beliebter als im Osten. Obwohl beide einer konservativen Richtung anhängen.

Dazu kommt, dass die Auflösung des Ostens urpsrünglich eine Auseinandersetzung zwischen liberalen Intellektuellen und der alten Elite war. Die haben die Jahrhundertleistung des friedlichen Wandels erreicht. Aber die Mehrheit der Menschen im Osten wurde dadurch verunsichert.

Echtes Stammtisch Geblöke, das du da vom Stapel lässt. Lass die sagen, dass mehr Menschen in Ostdeutschl. die Linke wählen, als in Westdeutschland.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Innerhalb meines Studiums hatte ich viel mit Politik z utun