Warum klingen verschiedene Zylinderanzahlen Verschieden?

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Ausgehend von einem Vierzylinder-Reihenmotor: es sind immer jeweils zwei Kolben oben und zwei Kolben unten. Die Zündabstände sind dadurch immer absolut gleich, dadurch dröhnen Vierzylinder so monoton.

Bei V-Motoren ist das anders, da normalerweise jeweils 2 Pleuel auf einem Kurbelzapfen sitzen. In Verbindung mit dem "V"-Winkel ergibt dies unregelmäßige Zündabstände und dadurch eine ganz eigene Klangkulisse.

Das einfachste Beispiel ist der V2-Motor derHarley-Davidson-V2 , bei dem man den ungleichen Zündabstand im Leerlauf besonders gut wahrnimmt:

https://www.youtube.com/watch?v=aAWB7laXY8w

Es gibt sogar einen eigenen Namen dafür, den so genannten "Potato Sound". Bei höheren Drehzahlen schafft es unser Gehör nicht mehr die einzelnen Zündabstände einzeln wahr zu nehmen, aber der Harley-Sound bleibt absolut unverwechselbar und ist ein ganz zentraler Teil des Harley-Davidson-Mythos..

Die Zylinderbänke stehen bei einem V6 typischerweise in einem 60° Winkel, was aber sehr eng ist um einen Turbolader dazwischen unter zu bringen. Deswegen besitzen die V6-Motorn der neuesten Hybrid-Supersportwagen von Ferrari und McLaren beide einen Bankwinkel von 120° mit dazwischen liegenden doppelten Turboladern.

Bei einem V8 ist der Bankwinkel fast immer mit 90°. Das bedingt unregelmäßige Zündabstände bei den fast durchweg verwndeten Crossplane-Kurbelwelle.

https://de.wikipedia.org/wiki/Crossplane

Bei Achtzylinder-V-Viertaktmotoren mit 90° Zylinderbankwinkel ergibt sich für beide Bauarten (Crossplane oder Flatplane) ein gleichmäßiger Abstand der Arbeitstakte (Zündungen) von je 90° Kurbelwinkel (Acht Zylinder = acht Takte während 720° Kurbelwellendrehung). Während bei Flatplane-Motoren durch die von der Kurbelkinematik vorgegebene Zündfolge in der Gesamtschau immer abwechselnd ein Zylinder der linken und der rechten Zylinderbank nacheinander zündet (Beispiel: typische Zündfolge – nach amerikanischem Nummerierungsschema: 1-4-3-2-7-6-5-8, Seitenverteilung somit L-R-L-R-L-R-L-R) ergibt sich bei Crossplane-Motoren zwangsweise eine Zündfolge, bei der bei jeder Umdrehung einmal zwei Zylinder (Beispiel: Zündfolge 1-8-4-3-6-5-7-2, Seitenverteilung somit L-R-R-L-R-L-L-R) derselben Zylinderbank nacheinander einen Arbeitstakt ausführen. Diese Eigenart verursacht beim Crossplane-Motor durch den wechselweise stärker pulsierenden Druck in der linken und rechten Flut der Auspuffanlage (durch die doppelte, unmittelbar aufeinander folgende Beaufschlagung mit Abgas) ein charakteristisches Laufgeräusch ("Blubbern"), das üblicherweise mit großvolumigen US-Automobilen in Verbindung gebracht wird.

https://www.youtube.com/watch?v=VjPyub23oBM

Bei besonders sportlichen Autos mit V8-Motor kommt dagegen zugunsten eines spontaneren Hochdrehens und einer höheren Leistungsausbeute dagegen eine Flatplane-Kurbelwelle zum Einsatz, typisch für alle V8-Ferrari (außer dem Ferrari-Motor im Lancia Thema 8.32), aber auch dem 2022er Ford Mustang Shelby GT500.

Die hörbare Folge einer Flatplane-Kurbelwelle ist das völlige Fehlen des typischen brabbelnden V8-Motorsounds, der bei höheren Drehzahlen in ein hämmerndes Stakkato übergeht. Ein hoch gedrehter V8 mit Flatplane-Kurbelwelle klingt viel weniger spektakulär, eher wie zwei wildgewordene Reihenvierzylinder auf einmal.

https://www.youtube.com/watch?v=Q_RIvqGCw5g

https://www.caranddriver.com/news/a15354688/holy-flat-plane-crankshaft-we-finally-get-an-in-depth-look-at-the-ford-mustang-shelby-gt350gt350rs-5-2-liter-v-8/

When Ford introduced the Mustang Shelby GT350 in 2015, it was the pinnacle of Mustang-ness thanks to its 5.2-L DOHC “Voodoo” V8 that featured a flat-plane crankshaft design to enable sky-high, carefree revs (the GT350’s 8200-rpm redline is one reason Ferrari has long specified flat-plane V8s) and a rollicking 526 hp at 7,500. Then there’s the exotic “rip” unique to flat-plane V8s.

Ein Sonderfallbei V-Motoren sind die Ferrari 512 BBi und der Nachfolger Testarossa mit "falschem Boxermotor" V12.. Der Bankwinkel beträgt hier zwar wie bei einem Boxermotor 180°, aber wie bei den meisten V-Motoren sitzen je 2 Pleuel auf einem Kurbelzapfen und bewegen sich somit gemeinsam von nach links und rechts.

Bei einem "echten" Boxermotor sitzen die Pleuel bewegen sich die nebeneinander liegenden Pleuel dagegen auf eigenen Kurbelzapfen gegeneinander wie die Arme der Boxer bei einem Boxkampf (daher der Name) was für einen perfektenMassenausgleich sorgt.

Der technische Grund für den 180° Bankwinkel bei den Ferrari V12 war vor allem der niedrige Schwerpunkt, perfekter Masenausgleich war für diese Supersportwagen eher zweitrangig.

http://boxermotor.com/fahrzeugdaten.php?id=91

"Der 512 BB "Berlinetta Boxer" wird nicht, wie der Name vermuten läßt, von einem Boxermotor angetrieben, sondern von einem V-Motor mit 180° Bankwinkel. Dieses Fahrzeug ist hier aufgefüt, da die Motorisierung häufig falsch als Boxermotor dargestellt wird."

https://de.wikipedia.org/wiki/Ferrari_Testarossa

"Der Ferrari Testarossa ist 1984 als Nachfolger des Ferrari 512 BB Mittelmotor-Sportwagens mit 180° flachen V12-Motor („Berlinetta Boxer“ genannt ohne ein echter Boxermotor zu sein) in Produktion gegangen."


Das hat zum Einen mit der Reihenfolge und den zeitlichen Abständen der Zündung (bzw. der Öffnung der Auslaßventile) der einzelnen Zylinder zu tun (zeitlich gleichmäßig verteilt, oder unregelmäßig, wie oft bei V-Motoren), aber auch mit Aufbau und Desing der Abgasanlage. Und natürlich mit dem Hubraum: Größerer Motor => satterer Klang. Hör Dir mal so nen alten Kolbenmotor von Kampfflugzeugen an. ;-)


ZuGenuege  08.02.2023, 02:33

Das hat bei Flugmotoren nicht primär nur mit der Größe zu tun sondern damit dass diese keinerlei Schalldämpfer haben und die Auspuffgase daher mit hoher Energie die völlig offenen Auspuffstutzen verlassen. Das erzeugt in großer Höhe sogar Vortrieb in der Größenordnung bis ca. 15%

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pendejo  08.02.2023, 07:37
@ZuGenuege

Das mag wohl sein.
Daß die Abgase hier tatsächlich auch einen relevanten "Strahltriebwerks-Effekt" erzeugen, wußte ich noch nicht. Danke für den Hinweis!

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ZuGenuege  08.02.2023, 09:07
@pendejo

Der Effekt funktionierte um so besser je größer die Flughöhe war.

https://www.reddit.com/r/todayilearned/comments/9a0y9o/til_the_rollsroyce_merlin_exhaust_gases_exited_at/

"the Rolls-Royce Merlin exhaust gases exited at 1300 mph (2100 kph) and when angled backwards produced 70 pounds-force (32 kg-f) of thrust. This increased the Spitfire's top speed by about 10 mph (16 kph)."

Also "die Abgase des Rolls-Royce Merlin strömten mit 1300 mph (2100 Km/h) heraus und Auspuffstutze erzugten sie 70 lbs (32 kg-f) Rückstoß. Dies steigerte die Maximalgeschwindikeit der Spitfire m etwa 10 mph (16 Km/h)"

Für eine vergleichbare Geschwindigkeitssteigerung hätte es ansonsten schätzungsweise ca. 150 Mehr-PS bedurft. Insofern war dieser Rückstoßeffekt in großer Höhe sozusagen der "Turbolader des armen Mannes".

Bei tatsächlich mit Turbolader ausgestateten Jagdflugzegen wie der Lockheed P-38 Lightning oder der Republic P-47 Thunderbolt war dieser Effekt naturgemäß weniger ausgeprägt, weil die kinetische Energie der Abgase ja bereits zum großen Teil genutzt wurde.

Im Übrigen nahm nicht nur der Rückstoßefekt, sondern auch die Wirkung des Turboladers mit steigender Flughöhe zu, aufgrund der größer werdenden Druckdifferenz der Angase im Verhältnis zur immer dünneren Umgebungsluft.

Genau dies rettete unzähligen US-Bomberbesatzungen bei Tagesangriffen das Leben, weil die B-17 Flying Fortress und B-24 Liberator dank Turbolader höher fliegen konnten als die britischen viermotorigen Bomber Avro Lancaster und Hanley-Page-Halifax mt ihren ausschließlich mechanisch angetriebene Höhenladern.

Denn je größer die Flughöhe, desto unpräziser schoß die Flak. 1000 Meter Höhennterschied machten diesbezüglich bereits einen großen Unterschied.

Zudem flogen die US-Bomber dank Turbolader in einer Flughöhe, in der die Wirkung der mechanischen Höhenlader bei den deutschen Jägern Messerschmitt Bf109 und erst recht bei der Focke-Wulf FW 190 bereits wieder abfiel, während der Höhenlader des US-Begleitjäger North American P-51 Mustang auf die Fughöhe der Bomber bestens abgestimt war.

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