Warum hieß es Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation, wenn es zu dieser Zeit keine deutsche Nation gab?

8 Antworten

Der Staat hieß ja gar nicht "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation", sondern einfach "Heiliges Römisches Reich"; als Abkürzung war dementsprechend "SRI" üblich.

Der Zusatz "Deutscher Nation" war zeitweise (insbesondere vom späten 15. bis zum späten 16. Jh.) gebräuchlich, wenn es um die Belange speziell des deutschen Reichsteils des SRI ging (die beiden anderen Reichsteile - mit jeweils eigenen Erzkanzlerschaften - waren Burgund/Arelat und Reichsitalien).

Als mit dem allmählichen Verlust der meisten nichtdeutschen Gebiete des SRI dieses fast nur noch aus Deutschland bestand, wurde - sowohl im alltäglichen Sprachgebrauch als auch in offiziellen Texten - das SRI mit "Teutschland" oder auch dem "Teutschen Reich" mehr oder weniger gleichgesetzt.

Im 19. Jh. - der Hochzeit des Nationalstaatsgedankens - wurde der
Zusatz "Deutscher Nation" in rückblickender Verklärung des SRI wieder gebräuchlich.

Der Begriff "Nation" hat im Mittelalter eine vollkommen andere Bedeutung als heute.

Wenn wir heute von "Nation" reden, setzen wir das in der Regel mit "Volk", also einer mehr oder weniger ethisch und sprachlich, möglicherweise auch religiös homogenen Gruppe gleich.

Im Mittelalter bezeichnete der Briff "Nation" vor allen Dingen nicht etwa das Volk, sondern die Adelige herschende Schicht eines bestimmten, geographischen Bereiches. Ethnische und sprachliche Kriterien waren hier nicht zwingendes Zugehörigkeitsmerkmal, sondern die Zugehörigkeit zur adeleigen Oberschicht eines bestimmten Lehensverbandes.

Ähnliche Beispiele finden sich auch in Mittel-Osteuropa wo sich der Begriff der "Nation" in diesem Sinne ebenfalls bis in die frühe Neuzeit erhalten hat. So war z.b. ein rumänisch sprachiger, orthodoxer Bojar ganz selbstverständlich Teil der "Ungarischen (Adels)Nation", der katholische, ungarische Bauer hingegen nicht.

Ähnliches gilt z.b. für ethnisch deutsche oder lithauische Adlige innerhalb des frühnezuzeitlichen Polens.

Für das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" bedeutet dies also keinesfalls, dass die ethnischen Deutschen innerhalb dieses Gebietes die Mehrheit gestellt hätten (Angesichts dessen, dass dieses Konstrukt weite Teile Norditaliens, Frankreichs und sehr starke slavische Anteile im Osten umfasste, wäre das vermutlich auch sachlich falsch), das war im Mittelalter auch überhaupt kein Thema.

"Deutscher Nation" bedeutet hier lediglich, dass dass es sich um die Gebiete unter der formellen Lehenshoheit des deutschen Königs/ respektive Kaisers handelte.

sog. Heilige römische Reich bildete sich erst im 10. Jahrhundert unter der Dynastie der Ottonen. Im Übrigen ist das eigentlich überhaupt nicht angebracht diese beiden in einem Atemzug zu nennen, das Römische Reich und das sog. Heilige römische Reich. Dieses war eine ganz andere Liga als das sog. Heilige römische Reich. Das römische Reich war ein wahres
Imperium. Dagegen das sog. Heilige römische Reich war eine Fiktion.
Auch ein Plagiat, an diesem Gebilde war ja kaum was römisch.
Deutscher Nationen wurde ja dann auch noch beigefügt. Erstmals
offiziell verwendet wurde dieser Zusatz 1512 in der Präambel des
Abschieds des Reichstages in Köln. Es war auch ein Versuch, einen
gemeinsamen deutschsprachigen Staat zu etablieren. Auch mit dem
Versuch der Beherrschung Norditaliens mit Rom. Was immer wieder
scheiterte und enorm viel Kraft kostete. Der Egoismus der einzelnen
Fürsten war zu groß. Dieser Versuch bedeutete im Endeffekt fast
1000 Jahre Bürgerkrieg unter den deutschsprachigen Staaten, mit dem
Ergebnis von der zu spät gekommenen Nation. Die Idee, der Versuch
wurde Anfang des 19. Jahrhunderts aufgegeben. 1871 wurde er dann
doch noch verwirklicht, der gemeinsamen deutschsprachige Staat, zum
Unglück Europas. Im übrigen war das Byzantinische Reich, also
Ostrom, der wahre Nachfolger Roms.

Gab es durchaus - das waren die Völker, die sich selber als deutsch betrachteten, z.B. wegen der Sprache.

Solche Definitionen sind einzig Sache der beteidigten Völker. Falls morgen zum Beispiel Schweizer und Österreicher sagen würden, sie seien ein Volk, dann hätte kein Außenstehender das Recht dem zu widersprechen und zwar ganz egal, ob sie in einem oder mehreren Staaten leben.