Warum glauben Leute an einen freien Willen?

10 Antworten

Ich bin vertreter des "Eingeschränkten Determinismus", also freier Wille "ja", aber eben nur sehr eingeschränkt. Das Meiste (persönliche Wesensart, Umweltfaktoren: wo wir aufwachsen, was wir für Erfahrungen mit anderen Menschen machen...) vorgegeben.

Es gibt auch Vertreter des Determinismus, also die sagen, dass alles vorherbestimmt ist. Die Frage ist, ist es sinnvoll? Wie in einer anderen Antwort genannt: Es würde frustrieren. Und es wäre nicht mehr möglich über "gut","böse", "Schuld", "Motivation", etc... zu reden - denn es gibt ja eh keine Einflussnöglichkeit.

Deshalb ist der Schluss: Auch wenn wir in einem Determinismus leben, macht es Sinn ein Stück freien Willen anzunehmen.

Im Gegenzug dazu ist die Vorstellung, dass wir völlig frei sind und alles erreichen können, was wir wollen auch falsch. Die breite Masse an armen Menschen in armen Ländern könnten z.B. nicht Millionäre werden - auch wenn sie es wirklich wöllten.

Warum sollten sie denn nicht? Es ändert sowieso nichts - egal wie man es sieht - also warum überhaupt drüber nachdenken.

Der Beweis, dass es freien Willen gibt - zumindest oberflächlich betrachtet, wird durch Menschen erbracht, die sich gar nicht mehr entscheiden können. Eine Entscheidung zu treffen ist für unser Gehirn Schwerstarbeit. Weil es quasi die komplette Vergangenheit kummulieren muss um daraus eine Entscheidung zu ermitteln und dann zusätzlich noch die Gegenwart, aktuelle Stimmung und den Willen diese Entscheidung zu ändern mit einbeziehen muss.

Ich weiß z. B. noch nicht, was ich gleich bzw. nachher essen werde. Natürlich wird die Antwort auf diese Frage vom Inhalt meines Kühlschranks, meines Vorratsraums und eines etwaigen Einkaufs vorher limitiert, aber innerhalb dieser Grenzen wird es meine völlig freie Entscheidung sein. Ich muss noch einen Salat essen, der bis heute haltbar ist. Auch das könnte meine Entscheidung beeinflussen. Vielleicht esse ich den Salat aber auch später und dafür lieber Müsli mit Haferflocken, Weizenkeimen und Hanfsamen. Mal schauen... Ich weiß es jetzt noch nicht, aber es wird meine völlig freie Entscheidung sein (innerhalb der aufgeführten Grenzen).

So ist es - nach der Bibel - auch beim Glauben: Gott bietet uns an, an Ihn zu glauben und Ihm zu vertrauen. Diese Entscheidung können wir nur selbst mit einer völlig freien, persönlichen Entscheidung treffen, weshalb Glaube nicht vererbt werden kann (weshalb Gott in der Bibel nur Kinder und keine Enkel hat; vgl. Johannes 1,12).

Die meisten Leute, auch Philosophen, betrachten den freien Willen auf der gesellschaftlichen Ebene. Dort müssen wir selbstverständlich auf alles mögliche Rücksicht nehmen, sind von Erfahrungen geprägt, haben Bedürfnisse usw. - Somit ist der Wille natürlich nicht frei. Sensationell.

Interessant wird die Frage erst, wenn man auf der Ebene der Teilchen, aus denen wir bestehen, das Ursache-Wirkungs-Prinzip anwenden will. Dann wäre jede Bewegung, zu der wir uns entschließen, nur das Resultat eines (wenn auch sehr komplexen) Teilchengeschubses. (Auf Quantenebene kommen Wahrscheinlichkeiten und Zufälle ins Spiel. Das macht die Situation aber kaum besser.)

Fakt ist: Wir sind nicht physikalisch determiniert. Sonst könnten sich z.B. zwei Leute nicht unterhalten. Die physikalisch-chemischen Wechselwirkungen, die den nötigen Muskelbewegungen zugrunde liegen, werden tatsächlich durch "uns" gelenkt. Dazu wäre eigentlich eine Kraft erforderlich, aber die gibt es in der Physik nicht.

Wie gesagt, der Inhalt des Gesprächs ist keineswegs frei, aber das hat nichts mit Physik zu tun. Es ist eine der großen Lücken im naturwissenschaftlichen Weltbild. Zum Glück bekommt es selbst unter Gelehrten kaum jemand mit.

Jeder Mensch erlebt einen freien Willen, er fühlt sich frei zu tun oder zu lassen, was er möchte. Das kann Realität oder Illusion sein - man weiß es wissenschaftlich nicht abschließend sicher. Für den Alltag spielt das aber auch keine Rolle. Solange der Mensch sich nicht gezwungen zu etwas fühlt, fühlt er sich frei.