Warum gehört das Werk "Der zebrochne Krug" von Heinrich von Kleist zwischen die Epochen Klassik und Romantik?

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"Der zerbrochne Krug" von Heinrich von Kleist gehört nicht "zwischen die Epochen Klassik und Romantik". Es ist zwischen 1802 und 1811 entstanden, zu einer Zeit, als sowohl Klassiker wie Romantiker schrieben.

Es greift auf die strenge Form der Antike mit den drei Einheiten zurück, die die Romantiker - übrigens genauso wie die Klassiker Goethe und Schiller in ihren Frühwerken, ihrer Sturm-und-Drang-Periode - unter Rückgriff auf Shakespeare nicht beachtet haben. Es ist auch in einem festen Versmaß geschrieben, was Goethe in der frühen Fassung der "Iphigenie" noch nicht eingesetzt hatte (erst in Italien in Blankverse umgeschrieben). Ja, es greift auch in anderen Bereichen auf antike Vorbilder zurück (sieh Wikipediaartikel).

Aber es fehlt ihm die klare Gegenüberstellung von Protagonist und Antagonist, es ist nicht in Akte/Aufzüge gegliedert.

Deswegen, weil es weder der Klassik noch der Romantik zuzuordnen ist, hat es eine Sonderstellung. Das gilt freilich nicht nur für dieses Werk von Kleist, sondern für seine meisten Werke, aber auch für eine Reihe anderer Autoren. Deswegen ist es so fragwürdig, von Literaturepochen zu sprechen. Treffender wäre es, von literarischen Strömungen oder Stilrichtungen zu sprechen, weil manches Werk durchaus Charakteristika unterschiedlicher literarische Strömungen in sich vereinen kann.

So ist das Hauptwerk Goethes, des berühmtesten deutschen Klassikers, vor allem in seinem zweiten Teil durchaus nicht klassisch, obwohl es mit dem 3. Akt, der sogenannten Helenatragödie, zu großen Teilen mehr als alle anderen deutschen Werke die Anforderungen an ein antikes Drama erfüllt.

Aber sogar in diesem antikisierenden Teil bricht Goethe im Dialog zwischen Helena und Faust die Form auf, indem er die antike Heldin Helena deutsche Reime sprechen lässt.

Was hier für Faust II gilt, gilt auch für das Werk "Der zerbrochne Krug": Beide lassen sich deshalb weder der Klassik noch der Romantik zuordnen, weil sie Charakteristika beider Stilrichtungen haben.