Warum funktioniert Oxidation von Gold mit Sauerstoff bei Cyanidlaugerei?
Allgemein habe ich verstanden das es daran liegt, dass durch Komplexbildung die Konzentration von gold abnimmt und somit auch das Einzelpotenzial (nernst'sche Gleichung).
Doch verstehe ich nicht ganz wie überhaupt die Komplexbildung vorher zustande kommen kann? Für die Komplexbildung muss doch schon vorher das Gold oxidiert werden, daher komme ich mit dieser Erklärung nicht wirklich weiter... Ohne Oxidation keine Komplexbildung, ohne Komplexbildung keine Konzentrationsminderung, ohne Konzentrationsminderung keine Minderung des Oxidationspotentials, ohne Minderung keine Oxidation von Gold durch Sauerstoff... Irgendwie ist das ein Zirkelschluss.
Oder beginnt der löseprozess mit einer geringen Komplexbildung die dann langsam die Oxidation begünstigt und diese begünstigt dann die weitere Komplexbildung so das es immer mehr wird?
2 Antworten
- Wenn Du ein Stück Gold mit Wasser und Sauerstoff in Berührung bringst, dann bilden sich sofort ein paar Goldionen und lösen sich im Wasser (4 Au + O₂ + 2 H₂O ⟶ 4 Au⁺ + 4 OH¯ oder so ähnlich). Du kannst Dir sogar ausrechnen, wie viele, dazu mußt Du ja nur aus dem ΔE die Gleichgewichtskonstante berechnen und dann die Zahlen in den Gleichgewichtsausdruck einsetzen. Es wird eine sehr kleine aber von Null verschiedene Konzentration an Goldionen herauskommen — das ist keine große Überraschung, denn Konzentration Null kann es beim chemischen Gleichgewicht ja gar nicht geben.
- Jetzt gibt es also eine supergeringe Konzentration an Au⁺, die sich spontan einstellt. Sobald Du aber Cyanid dazuschüttest, wird der bei weitem größte Teil des Au⁺ zu Au(CN)₂¯ umgesetzt, und die Konzentration von Au⁺ sinkt auf einen superkleinen Anteil des superkleinen Ausgangswertes. Es ist sogar möglich daß die dabei rechnerisch auftretenden Konzentration absurd klein sind, unter 10¯²⁴ mol/l, also weniger als ein Teilchen pro Liter Lösung. Das klingt gefährlich, ist es aber nicht (wenn man die Gleichgewichte mit chemischen Potentialen formuliert, dann verschwindet das Paradoxon spurlos).
- Für das unter (1) beschriebene Gleichgewicht, also die Oxidation Au→Au⁺, sind jetzt zu wenig Au⁺ in der Lösung. Also müssen ein paar weitere Au-Atome sich opfern und ionisieren lassen, um die Gleichgewichtskonzentration von Au⁺ zu erreichen. Sobald die aber oxidiert sind, werden sie wieder vom CN¯ weggefangen, und die Au⁺-Konzentration steigt nicht wirklich an. Also muß mehr Au oxidiert werden, aber durch den Cyanidĕrschuß ist das natürlich ein Faß ohne Boden, und die Reaktion endet erst, wenn alles Gold oxidiert ist.
Beachte, daß ich hier einen Mechanismus postuliert habe, der stimmen kann oder auch nicht — es wäre ja auch möglich, daß die Oxidation direkt von Au zu Au(CN)₂¯ führt, oder zu anderen Zwischenprodukten oder ichweißnichtwas. Das chemische Gleichgewicht hängt aber nicht vom Reaktionsmachnismus ab, sondern nur von der Bruttoreaktionsgleichung (weil ΔG=−RT⋅ln(K) eine Zustandsfunktion ist), daher kann man jeden Mechanismus annehmen,den man möchte — die Struktur des Massenwirkungsgesetzes garantiert, daß die erhaltenen Ergebnisse selbst dann stimmen, wenn der Mechanismus Käse ist (soferne man keine anderen Fehler macht).
Danke für die ausführliche und tatsächlich hilfreiche Antwort :-) ja mir fällt irgendwie immer auf das in der Chemie immer irgendetwas in kleinsten Mengen schon entsteht obwohl dafür gar nicht die Energie reicht, oder das irgendwelche Mechanismen gleichzeitig mit einem Übergangszustand entstehen, also das ich dort gar nicht so in dieser "Schritt für Schritt" Denkweise denken kann. Mich interessiert das jetzt irgendwie, gibt es ein gutes Buch über "Reaktionsdynamik" oder "Reaktionskinetik", also das Themengebiet was versucht elementare Reaktionsschritte in zeitlicher Reinfolge aufzudecken? Vlt. eins mit dem Titel "Die Reaktionsdynamik unter den Aspekten der Quantenchemie und Thermodynamik"? 😅
Tip:
Stichworte: Massenwirkungsgesetz, Verschiebung der Gleichgewichtslage durch Konzentrationsänderungen infolge chmischer Reaktionen.