Theologiestudium nimmt mir die Freude am Glauben?

17 Antworten

Toll... Da hast du etwas erkannt, was die Spatzen schon jahrelang vom Dach pfeifen..:-)

Ich nahm auf einer längeren Autofahrt mal 2 Anhalter mit und wie es so üblich ist kamen wir ins Gespräch. Sie studierten beie Theologie.

Ich: Oh das trifft sich prima, im Bereich des Glaubens habe ich immer wieder Fragen...

Sie: Da sind wir die falschen Ansprechpartner. Theologie hat weder mit Gott noch mit dem Glauben zu tun.

Mir scheint es ist der vergebliche Versuch, die Theologie als Wissenschaft zu erhalten. Das darf sie von mir aus, doch dann sollte sie sich aus dem Feld der Religionen verabschieden.

Wissenschaft muss sich definitionsgemäß im Bereich der Linearität und Kausalität bewegen, während sich Religion und Glauben auf Ebenen abspielt, die mit dem Verstand nicht zu fassen sind.

GerdLon  17.11.2020, 14:23

Was hat Jesus gesagt? "Ich danke dir Vater, dass du es den Klugen und Weisen verborgen, den Unmündigen aber offenbart hast." Ein schönes Wort voll Wahrheit.

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Kenne Ähnliches von Leuten, die das Würzburger Seminar "Theologie im Fernkurs" und vergleichbare Angebote teilweise oder komplett absolviert hatten. Entweder ging man mit falschen Vorstellungen ran oder weicht das alles einfach zu sehr von dem ab, das man in der ggf. ehrenamtlichen Vorarbeit vor Ort hat und kennt - die Wahrheit dürfte irgendwo in der Mitte liegen.

Theologie bzw. Seelsorge und caritatives Handeln an der Basis sind ganz anders wie das Studium, das lässt sich definitiv so sagen. Hatte mich für den Würzburger Kurs als damals noch überzeugter Kolpingbruder auch interessiert und ein Probeheft war so verquast und trocken, teilweise auch so unschön formuliert im Duktus, dass ich irgendwie keinen Spaß dran hatte.

Ich kann dir relativ hart aber wenigstens ehrlich ganz genau aus eigener Erfahrung sagen, was dich wahrscheinlich derzeit umtreibt: Du bist langsam dabei aufzuwachen und zu merken, dass das "Milieu", in dem dich bislang aufgehalten hattest, sowie das, was du als Zielpunkt angedacht hattest eigentlich weder dir noch dem, das du für dich willst, entspricht und wohl eher nicht zu dir passt. Mir ist es in Sachen kirchlichem Ehrenamt, Kolping, KAB, Männerwerk und Co., Salesianern Don Boscos und ähnlichen häufig einfach nur Scheinheiligen übrigens genauso gegangen. Dieser "Kosmos" kann auf unfassbare Weise einengen. Es ist gut, dass du das jetzt schon merkst - und besser wird das wahrscheinlich nicht, wenn du es bereits jetzt innerlich total ablehnst.

Den typischen Alltag als Gemeindereferent oder Ständiger Diakon kenne ich recht gut, weil ich als zeitweiliger Kolpingvorstand oft in diese Arbeit mit eingebunden worden bin und muss sagen: Da machst du vieles, aber Menschen Beistand zu leisten oder anderen zu helfen, die es wirklich nötig haben, macht den aller-aller-allergeringsten Anteil der Zeit aus. Der Löwenanteil besteht aus Anbiederei an der Grenze zur Bigotterie oder knapp drüber, jeder Menge Verwaltungsarbeit und Vetterleswirtschaft sowie Schönrednerei im Dialog mit Zeitungsredakteuren, die im Blatt eine andere Welt zu schildern haben als die, die da wirklich besteht. Sorry für meine Ehrlichkeit, aber es ist nur das, was ich an vielen Stellen erlebt habe - da kann man nur eines Tages resignieren oder abspringen, damit man nicht im Tollhaus landet. Viele Katholiken inszenieren sich nur und sind bestrebt im Mittelpunkt zu stehen. Denen muss man nicht auch noch helfen.

Wünsche dir alles Gute!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
GerdLon  17.11.2020, 14:18

Es ist gut seinen Kinderglauben zu überdenken und zu einem tieferen Glauben als Erwachsener zu kommen. Das ist mit Ent-Täuschungen verbunden. Davon sollen wir uns nicht entmutigen lassen, sondern dran bleiben. Jeder hat seinen ganz persönlichen Lebensweg und Liebesweg mit Gott.

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rotesand  17.11.2020, 14:20
@GerdLon

Kann ich bestätigen. Mir ging es ähnlich und ich habe nach einigen Aha-Erlebnissen entschlossen, mich etwas davon zu entfernen. Vor allem die Spiritualität der Kolpingbewegung war einengend und archaisch. Mit Schönstatt hatte ich ebenso zu tun, das war vergleichbar und nichts für mich! Ich bin deswegen kein Agnostiker oder Atheist, aber ich glaube nicht steif und starr an tradierte Lehren der katholischen Kirche und ihre Dogmen. Dafür bin ich zufrieden, das ist auch schon was.

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Bin ganz deiner Meinung.
Feste und Rituale sind auch gut wenn sie Lebensfreude und Zuversicht verbreiten

Es ist doch wie beim Essen gehen:

Das beste Steak schmeckt immer gleich, auch wenn man es von einem Pappteller auf dem Boden kniend in einer ungemütlichen Lagerhalle ist. In einem Edelrestaurant mit schönem Ambiente, Porzellan, Musik, Kerzenlicht und Stofftischdecken verändert sich der Geschmack nicht, aber die Intensität der Wahrnehmung.

So ist es auch mit Glauben und Gottesdiensten. Ein richtiger Christ braucht keine Kirche, keinen Gottesdienst, keine Lieder. Wer wahrhaftig gläubig ist, kann genauso gut auf dem Sofa Gott nahe sein.

Aber ein guter Gottesdienst mit guten Liedern, passendem Ambiente und den richtigen Menschen machen das Erleben intensiver.

Ich habe nie Theologie studiert, daher kenne ich Deine Erfahrung nicht. Aber aus Deiner Schilderung heraus stimme ich Dir vollkommen zu. Glaube muß auch erfahrbar sein, und da gehören fühl- und erlebbare Dinge dazu.

Wallfahrten hatten natürlich früher einen ganz anderen Sinn. In Zeiten, in denen es keine Fotografie, keine Bildbände und Dokumentarserien gab, wollte man den Heiligen oder gar Jesus selbst dennoch nahe sein. So nahe wie möglich, und die stärkste Verbindung waren entweder Gegenstände, welche die Heiligen berührt haben, oder sogar Körperteile. Von dieser Nähe versprach man sich eine stärkere Verbundenheit und damit auch Wirkung des Gebets. Deshalb pilgerte man dorthin, wo diese Reliquien aufbewahrt wurden, oder Menschen per Erscheinung Kontakt hatten.

Und natürlich war die Reise selbst eine Erfahrung im Glauben. Insofern alles andere als überflüssig, und in dem Sinne auch heute noch wichtig.

Aber vielleicht gibt es ja auch andere Theologen. Vielleicht mußt Du danach suchen. Oder gerade aus Deiner jetzigen Erfahrung ein besserer werden.