Sind Hindi und Urdu die selbe Sprache?
1 Antwort
Ja, weitgehend. Ich recycle eine alte Antwort von mir, und verweise auch noch auf eine andere.
Die Sprachen sind praktisch gleich, insbesondere
- haben sie weitgehend dieselbe Aussprache
- fast dieselbe Grammatik
- dasselbe grundlegende Vokabular
Es gibt aber etliche Unterschiede im Detail
- Das Schriftsystem: Urdū wird in einer Variante des persischen Alphabets (+Sonderzeichen) geschrieben, also in einer Konsonantenschrift; Hindī schreibt man in Devanāgarī, einer indischen Schrift, deren Zeichen silbenweise aus Symbolen für Konsonanten plus abschließendem Vokal zusammengesetzt sind.
- Urdū ahmt gerne eine grammatische Konstruktionen des Fārsī nach, nämlich die Partikel -e am Ende eines Wortes; sie dient einem ähnlichen Zweck wie ein deutsches Genitivattribut. In Hindī macht man das viel seltener.
- In Hindī ist es weitverbreitet, unindische Laute wie das persische f ف, q ق, z ز und ḫ خ gleich den indischen ph फ, k क, j ज und kh ख auszusprechen, vor allem von ungebildeten Sprechern. In der Schrift kann man sie durch einen daruntergesetzten Punkt kennzeichnen, tut das aber nur sporadisch: फ़, क़, ज़, ख़ (von all diesen sieht man ज़ am häufigsten).
- Die etwas exotischen „emphatischen“ Laute des Arabischen werden im Urdu etymologisch richtig geschrieben, z.B. ط und ص; das Devanāgarī-Alphabet sieht keine Zeichen dafür vor. In der Aussprache werden sie von allen Hindī- und vielen Urdū-Sprechern den gewöhnlichen Konsonanten angepaßt.
- Formales Vokabular in Administration, Geisteswissenschaft und sogar naturwissenschaftliche Neologismen werden bei Hindī auf aus dem Saṁskr̥t entlehnt, bei Urdū dagegen aus Persisch oder Arabisch.
- Auch beim Alltagsvokabular hat Urdū einen größeren Beitrag von persischen Wörtern, die oft letztendlich aus dem Arabischen stammen.
Wegen der unveränderten Aussprache und Grammatik haben aber Hindī- und Urdu-Sprecher meist keine Schwierigkeiten, einander zu verstehen, in der Tat weniger als deutsche Dialektsprecher. Denn, egal was die Hindu-Nationalisten in Indien behaupten, auch Hindī hat einen merklichen Anteil an persischen Fremdwörtern, und Hindī-Sprecher können passiv gut mit persischem Vokabular umgehen (die Bollywood-Lieder sind eher Urdū als Hindī).
Du darfst auch nicht vergessen, daß es auch in Indien viele Urdū-Sprecher gibt und daß einige Sprachen des Nordwestens, z.B. Pañjābī und Dogṛī, auch stark mit persischem Vokabular angereichert sind; wenn die mit anderen Hindī reden, dann schlagen diese Eigenheiten natürlich durch. Man kennt das also gut.
Klar, das ist keine größere Sprachbarriere als die zwischen Wien und Hamburg (wenn beide Standarddeutsch mit regionalem Einschlag reden, nicht echten Dialekt.).
Beachte aber, daß Urdū nicht die Muttersprache aller Pākistānī ist; viele sprechen andere Sprachen wie z.B. Sindhī und verstehen Urdū nur als Zweitsprache. Bei den Indern ist es ähnlich — auch wenn viele Inder Hindī passabel verstehen, so sprechen doch die meisten andere, manchmal sogar ganz andere Sprachen als Muttersprache.
Danke Bro für die Infos. Mich interessiert dieses Thema sehr. Jemand meinte, dass Pakistanis, Inder und Bangladeshis dasselbe Volk sind bzw sind Urdu, Hindi, Bengali quasi die selbe Sprache
Bengalisch (Bāṅlā) ist mit Hindi zwar verwandt, aber in den Details doch sehr unterschiedlich — Du kannst das grob mit Spanisch und Französisch vergleichen. Die gegenseitige Verständlichkeit ist sehr gering, aber man lernt die jeweils andere Sprache doch schneller, weil sie jenseits der abweichenden Phonetik „unter der Haube“ doch sehr ähnlich ist.
Inder sind genetisch doch sehr bunt zusammengewürfelt, und die Bengalen (also auch die Bāṅlādeśī) sehen ganz anders aus als die Nordwestinder und Pākistānī. Politisch verstehen sich Pākistān und Bāṅlādeś überhaupt nicht — dazu haben die pākistānischen Armeeeinheiten während des Bürgerkriegs viel zu viele Zivilisten ermordet.
Können sich ein Pakistaner und ein Inder verständigen, wenn der eine Urdu und der andere Hindi spricht?