Könnte der Papst einen Bischof / Kardinal auch ohne Rücktrittsgesuch entlassen?

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Der Papst hat alle Möglichkeiten.

Er kann einen Bischof ernennen, er kann ihn entlassen, er kann ihn versetzen, ein Rücktrittsgesuch ablehnen oder annehmen oder er kann einem Bischof einen Hilfsbischof schicken, die dann "gemeinsam" das Bistum leiten.

Ganz so einfach stellt es sich dann doch nicht dar. Auch mit Blick auf die Fragestellung sollten einige Begriffe differenziert betrachtet werden. Ich beziehe mich mit meiner Antwort der Einfachheit wegen auf den Lateinischen Rechtskreis innerhalb der Katholischen Kirche. Was ich folgend ausführe gilt analog mit einigen Abweichungen im Detail auch für den Rechtskreis der Katholischen Ostkirchen.

Ein Bischof ist jemand, der die dritte und höchste Stufe des Weihesakraments empfangen hat (vgl. c. 1009 § 1 CIC). Durch den Empfang der Diakonenweihe wird jemand Kleriker (vgl. c. 266 § 1 CIC), d. h. zum Klerus gehören Diakone, Priester und Bischöfe. Der klerikale Stand ist sozusagen ein rechtliches Konstrukt um das, was theologisch mit dem Weihesakrament "mitgegeben" wird, in eine adäquate rechtliche Form zu bringen, die auf eine Hierarchisierung des geistlichen Dienstamtes zielt. Kleriker sind aufgrund der Weihe zu geistlichen Amtsträgern (ministri sacri, vgl. cc. 207 § 1 u. 1008 CIC) in der Kirche berufen und bestellt. Die geistlichen Amtsträger werden "dazu geweiht und bestimmt, entsprechend ihrer Weihestufe die Dienste des Lehrens, des Heiligens und des Leitens (munera docendi, sanctificandi et regendi) in der Person Christi [...] zu leisten [...]." (c. 1008 CIC) In der Bischofsweihe wird demnach die Vollform dieses dreifachen Amtes Christi sakramental vermittelt (vgl. c. 375 § 2 CIC). Nun ist es rechtlich so geregelt, dass allein Kleriker, also geistliche Amtsträger, Ämter (officia) erhalten können, "zu deren Ausübung Weihegewalt oder kirchliche Leitungsgewalt erforderlich ist." (c. 274 § 1 CIC, vgl. hierzu auch cc. 129 § 1 u. 150 CIC). Dies macht deutlich: Kleriker, also auch Bischöfe, sind im theologischen Sinne durch die Weihe geistliche Amtsträger, die dazu befähigt und bestimmt sind, kirchliche Ämter (officia ecclesiatica) zu bekleiden. D. h. die Weihe als solche und der Klerikerstand als solcher sind nicht automatisch mit einem Kirchenamt verbunden, das erst kanonisch durch die zuständige Autorität dem geweihten Amtsträger übertragen werden muss. Auch wenn es nicht vorgesehen ist: Ein Bischof ohne bischöfliches Amt ist theoretisch denkbar. Von hierher gilt es, zu unterscheiden.

Die Frage kann in Bezug auf ihr Objekt also wie folgt verstanden werden:

  1. Kann der Papst einem Bischof die Bischofsweihe aberkennen? Antwort: Nein, denn die einmal gültig empfangene Weihe ist unverlierbar (vgl. cc. 1008 u. 290 CIC). Einmal Bischof, immer Bischof. D. h. auch dann, wenn ein Bischof nicht mehr Kleriker und damit rechtlich nicht mehr befähigt ist, entsprechende kirchliche Ämter zu bekleiden, bleibt ihm qua unverlierbarer Weihe die Vollmacht, bspw. die Eucharistie zu feiern oder anderen das Weihesakrament zu spenden - wenn auch gesetzeswidrig.
  2. Kann der Papst einen Bischof aus dem Klerikerstand entlassen? Antwort: Ja, denn im Gegensatz zur Weihe ist der damit verbundene Klerikerstand wieder verlierbar. Das ist gemäß c. 290 CIC in drei Fällen denkbar: durch Feststellung, dass die Weihe niemals gültig empfangen wurde (auf dem Gerichts- oder Verwaltungsweg), gnadenweise durch Reskript des Apostolischen Stuhls auf Antrag des Betroffenen (auf dem Verwaltungsweg) oder strafweise (auf dem Gerichtsweg). Allein der strafweise Verlust des klerikalen Standes wird im Kirchenrecht als Entlassung (dimission) bezeichnet. Dass ein Bischof gnadenweise auf eigenen Wunsch den klerikalen Stand verliert (sog. Laisierung), ist so nicht im kodikarischen Recht vorgesehen und kommt entsprechend sehr selten vor. c. 290 n. 3 CIC spricht nur von Diakonen und Priestern. Zuständig ist der Apostolische Stuhl. Im Falle einer Entlassung von Bischöfen ist ebenfalls der Apostolische Stuhl zuständig. Die Entlassung ist formal eine Kirchenstrafe und stellt die ultima ratio dar.
  3. Kann der Papst einen Bischof aus einem entsprechenden Kirchenamt entfernen? Ein Kirchenamt definiert als "jedweder Dienst, der durch göttliche oder kirchliche Anordnung auf Dauer eingerichtet ist und der Wahrnehmung eines geistlichen Zwecks dient." (C. 145 § 1 CIC) Ein Kirchenamt kann nur aufgrund kanonischer Amtsübertragung erlangt werden (vgl. c. 146 CIC). Dies geschieht seitens der zuständigen kirchlichen Autorität entweder durch freie Amtsübertragung, durch Einsetzung nach erfolgter Präsentation oder durch Bestätigung oder Zulassung bei rechtmäßig erfolgter Wahl (vgl. c. 147 CIC). Der Amtsträger kann das ihm übertragene Amt wieder verlieren: von Rechts wegen bei Ablauf der vorher festgesetzten Amtszeit oder durch Erreichen einer vorher festgelegten Altersgrenze; durch das Handeln der zuständigen kirchlichen Autorität in der Annahme des Amtsverzichts, in der Versetzung, Amtsenthebung oder Absetzung (vgl. c. 184 § 1 CIC). Die Bischöfe werden im Recht unterschieden: Diejenigen, die eine Diözese leiten, werden Diözesanbischöfe genannt, die übrigen Titularbischöfe (vgl. c. 376 CIC). Der Diözesanbischof ist Träger eines entsprechenden Kirchenamtes. Das Amt des Diözesanbischofs ist das vornehmste für die Bischöfe, die ja zum Leitungsdienst geweiht sind. Hierbei gilt: "Der Papst ernennt die Bischöfe frei oder bestätigt die rechtmäßig gewählten." (c. 376 § 1 CIC).

Die Frage, die sich hier stellt, lautet demnach: Hat der Papst von Rechts wegen die Vollmacht, die Diözesanbischöfe von ihrem Amt frei zu versetzen, zu entheben oder abzusetzen, so wie er die Vollmacht von Rechts wegen hat, die Diözesanbischöfe einzusetzen durch freie Ernennung oder Wahlbestätigung?

Reinhard Kardinal Marx, Diözesanbischof von München und Freising, hat ja dem Papst in einem persönlichen Brief seinen Verzicht auf das Amt des Diözesanbischofs angeboten und ihn gebeten, diesen auch anzunehmen. Daraus folgt: Hier ist der Papst ganz frei, den Verzicht anzunehmen oder nicht. Und der Diözesanbischof ist eben nicht frei, einfach von seinem Amt zurückzutreten. Der einzige Diözesanbischof, dem diese Freiheit von Rechts wegen zukommt, ist der Papst selbst, der über seinen eigenen Rücktritt frei verfügen kann, der dann keiner Annahme durch Andere bedarf (vgl. c. 332 § 2 CIC). Kann der Papst nun einen Diözesanbischof aus seinem Amt entfernen, ohne dass dieser seinen Amtsverzicht anbietet? Wenn ja: Auf Grundlage welcher Rechtsgrundlagen?

  • Versetzung (translatio): Der Papst kann einen Diözesanbischof gemäß c. 190 § 1 versetzen. Es ist nicht unüblich, dass ein Diözesanbischof einmal die Diözese wechselt. So hat der Papst bspw. 2009 die Wahl des Münsteraner Domkapitels bestätigt und den Essener Diözesanbischof Felix Genn zum Diözesanbischof von Münster ernannt. Analog bspw. bei Reinhard Kardinal Marx (2008 von Trier nach München und Freising) oder bei Rainer Maria Woelki (2012 von Berlin nach Köln). Die Wahl durch ein Kanonikerkapitel bzw. die freie Ernennung durch den Papst haben Gewicht; die meisten Diözesanbischöfe werden von sich aus einen solchen Ruf im geistlichen Gehorsam annehmen. Allerdings genießen geistliche Ämter einen gewissen rechtlichen Bestandschutz. Eine Versetzung gegen den Willen des Amtsinhabers kann nur auf Grundlage eines schwerwiegenden Grundes erfolgen unter Einhaltung der im Recht vorgeschriebenen Verfahrensweise (vgl. c. 190 § 2 CIC). Daran hat sich auch der Papst zu halten. Die Versetzung im Allgemeinen regeln die cc. 190f. CIC, die von Diözesanbischöfen im Besonderen der c. 418 CIC.
  • Amtsenthebung (amotio): Eines Kirchenamtes kann jemand entweder von Rechts wegen oder durch amtliches Handeln der hierfür zuständigen kirchlichen Autorität. Es handelt sich formal bei der Amtsenthebung nicht um eine Kirchenstrafe. Von Rechts wegen eines kirchlichen Amtes enthoben ist gemäß c. 194 § 1 CIC, wer den Klerikerstand verloren hat (n. 1), wer vom katholischen Glauben oder von der Gemeinschaft der Kirche öffentlich abgefallen ist (n. 2), wer als Kleriker den Versuch unternommen hat, eine (wenn auch nur zivile) Ehe zu schließen (n. 3). In diesen Fällen bedarf es lediglich der Feststellung des Sachverhaltes vonseiten der zuständigen kirchlichen Autorität, damit die Amtsenthebung rechtswirksam wird (vgl. c. 194 § 2 CIC). Auch hier gilt: Der Papst kann einen Diözesanbischof nicht auf Gutdünken seines Amtes entheben, sondern nur auf Grundlage eines schwerwiegenden Grundes und der im Recht vorgeschriebenen Verfahrensweise.
  • Absetzung (privatio): c. 196 CIC definiert die Absetzung vom Amt als Kirchenstrafe für eine begangene Straftat, die demnach nur nach Maßgabe des besonderen kirchlichen Strafrechts erfolgen kann. Hieran ist auch der Papst bei der Absetzung eines Diözesanbischofs gebunden.

Fazit: Der Papst kann einen Diözesanbischof aus seinem Amt durch Versetzung, Amtsenthebung oder Absetzung entfernen, jedoch nur nach Maßgabe des Rechts, das enge Grenzen hierfür vorsieht. Der Diözesanbischof ist daher keinesfalls der Willkür oder völlig freien Entscheidungsvollmacht des Papstes ausgesetzt.

Dies wird deutlich an der Causa Tebartz-van Elst. Weil es keine strafrechtliche Grundlage für eine Absetzung gab und eine Amtsenthebung von Rechts wegen in Ermangelung der aufgeführten Gründe nicht infrage kommen konnte, hätten schwerwiegende Gründe geltend gemacht werden müssen, um ihn des Amtes des Diözesanbischofs von Limburg zu entheben. Das wäre mit Blick auf die vom Vertrauensverlust geprägte Situation denkbar gewesen. Stattdessen wurde Tebartz-van Elst von temporär unter Beibehaltung seines Amtes von seinen Aufgaben entbunden, um eine eingehende Untersuchung möglich zu machen. Die mögliche Amtsenthebung wurde in gegenseitigem Einvernehmen dadurch gütlich abgewendet, dass der Diözesanbischof auf sein Amt verzichtet hat und der Papst diesen Verzicht angenommen hat.

Amtsenthebung, Absetzung und Versetzung gegen den Willen des Amtsinhabers sind mit Blick auf den Diözesanbischof ultima-ratio-Maßnahmen, die einen schwerwiegenden Eingriff vonseiten des Apostolischen Stuhls in die Amtshoheit des Diözesanbischofs darstellt. Denn der Diözesanbischof ist nicht einfach ein Vertreter des Papstes in seiner Teilkirche, der seine Amtsvollmachten durch Delegation vonseiten des Papstes erhält, sodass diese einfach wieder entziehbar wären. Stattdessen ist die Amtsgewalt des Diözesanbischofs gemäß c. 381 § 1 CIC eine ordentliche, eigenberechtigte und unmittelbare, also nicht vom Papst abhängig. Der Papst hat allerdings das Recht, sich bestimmte Angelegenheiten der Zuständigkeit nach zu reservieren und insofern direkten Einfluss auf die Leitung der Teilkirche zu nehmen. Auf Grund dieses Zugangs, der ein ekklesiologischer ist, ist es auch höchst angemessen, dass der Papst im Falle einer Amtsenthebung oder Absetzung des Diözesanbischofs an die Maßgaben des Rechts gebunden ist, die enge Grenzen hierfür normieren.

Eine andere Sache ist der Entzug des Kardinalats. Kardinal bezeichnet kein Amt, sondern eine vom Papst frei verliehene Würde (vgl. c. 351 § 1 CIC), die als solche auch nicht an ein bestimmtes Amt geknüpft ist. Daraus folgt, dass der Papst diese Würde auch wieder frei entziehen kann.

Der Papst ernennt in einer Bulle einen Bischof. Sie sind ihm direkt Rechenschaft schuldig über ihr Tun und müssen auch regelmässig in Rom vorsprechen. Deshalb kann der Papst auch einen Bischof wieder absetzen oder versetzen, wenn es die Umstände erfordern. So geschehen bei m Bischof Tebarth-van Elst, dem Bischof von Limburg, der wegen Verschwendungssucht abgesetzt wurde vom jetzigen Papst, der kein Verständnis hatte, weshalb sich der Limburger Bischof eine Luxusresidenz aufstellen liess.

ruhrpott91  07.06.2021, 11:14

Aus dem Recht des Papstes, Bischöfe frei zu ernennen, folgt nicht automatisch, dass er sie frei wieder absetzen oder versetzen kann. Der Verlust eines Kirchamtes durch Versetzung, Amtsenthebung oder Absetzung erfolgt auf Grundlage des kirchlichen Gesetzes, an das der Apostolische Stuhl in seiner Zuständigkeit für die Diözesanbischöfe gebunden ist.

Bischof Tebartz-van Elst ist nicht abgesetzt worden, da die rechtlichen Grundlagen für eine Absetzung in seinem Fall keinesfalls gegeben waren. Denkbar wäre eine Amtsenthebung gewesen. Aber auch dieses Rechtsmittel kam nicht zur Anwendung. Tebartz van-Elst hat sein Amt als Diözesanbischof vom Limburg verloren, da er auf dieses verzichtet hat und der Amtsverzicht durch den Papst angenommen wurde. Das ändert natürlich nichts daran, dass die Situation in Limburg aus Sicht des Papstes untragbar war.

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lukasanna  07.06.2021, 11:42
@ruhrpott91

Gemäss Artikel 193 und 194 CIC ist eine Amtsenthebung eines Bischofs durch den Papst möglich, wenn er zum Beispiel gegen den katholischen Glauben verstösst. So geschehen 1995 im Fall des Belgischen Bischofs von Evreux durch Papst J.P II. Wer geschickt ist kommt der Amtsenthebung durch Rücktritt zuvor, wie im Falle des Bischofs von Limburg. Papst Franziskus hat ihm das wohl klar und deutlich so mitgeteilt.

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Kann er. Haben Päpste auch schon gemacht. Siehe zum Beispiel den Skandal in Limburg.

Er kann auch ein Rücktrittsgesuch ablehnen.

ruhrpott91  07.06.2021, 11:23

Das Beispiel Tebartz-van Elst taugt hier nicht. Tebartz-van Elst wurde weder aus dem Klerikerstand entlassen, noch hat er sein Amt als Diözesanbischof von Limburg durch Versetzung, Amtsenthebung oder Absetzung verloren, sondern weil der Papst den von ihm angebotenen Amtsverzicht angenommen hat. Deshalb mutet es schon merkwürdig an, Tebartz-van Elst als Beispiel für einen Amtsverlust ohne Amtsverzicht anzuführen.

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earnest  07.06.2021, 12:08
@ruhrpott91

Nun, ich habe es als ein Beispiel für "aus seinem Amt/Aufgabenbereich entlassen" angeführt.

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earnest  07.06.2021, 12:19
@earnest

Wobei die Sache durch den "Verzicht" des Herren natürlich vergleichsweise elegant gelöst wurde.

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