Kann man mit einem Fahrrad mit kleinen Reifen genauso schnell den Berg runter fahren wie mit großen Reifen, ohne eigene körperliche Bewegung?

8 Antworten

Ich merke schon, hier sind lauter Theoretiker am Werk.

Erst mal ist der Reifendruck, der Reifenaufbau und die Reifenbreite viel ausschlaggebender als der Laufraddurchmesser.

Aber diese Parameter wollen wir einmal als identisch annehmen.

Wenn wir Kinder früher einen Hang hinunter rollen liessen gewann tatsächlich das Rad mit den 26 Zoll Laufrädern gegenüber demjenigen mit 24 Zoll Laufrädern, das mit den mit 20 Zoll Laufrädern war chancenlos. Der Unterschied war nicht riesig, aber feststellbar.

Wie kommt das? Zunächst einmal spielt die Lagerreibung eine Rolle, denn das 20 Zoll Laufrad dreht sich bei gleicher Geschwindigkeit viel häufiger ein Größeres. Die Lagerreibung ist zwar eine unbedeutende Grösse, allerdings war damals Anfang 80er Jahre die Naben-Lagerung von Allerweltsfahrrädern alles andere als gut.

Trotzdem muss es einen weiteren Grund für den relativ deutlichen Unterschied geben. Was hier gesagt wird über leichteres Überrollen von Unebenheiten durch grössere Reifen spielt im Gelände eine Rolle, jedoch nicht auf Asfalt denn die kleinen Unebenheiten werden durch den Luftreifen egalisiert. Also was dann?

Die vermutliche Ursache ist die Aufstandsfläche des Reifens. Der Kleinere Reifen erzeugt eine viel kürzere Aufstandsfläche als der grössere Reifen, im Gegenzug wird er stärker eingedrückt. Dadurch entsteht in der relativ steifen Seitenwand mehr Walkarbeit, und diese Walkarbeit erzeugt einen höheren Rollwiderstand. So einfach ist das.

Dass es hierbei eher um marginale Effekte geht, verdeutlicht die Tatsache dass in den 90ern zig Langstrecken-Triathlons mit kleinen 26 Zoll statt 28 Zoll Laufrädern gewonnen wurden. Die sehr extreme "American Position" fiel durch ihren aerodynamischen Vorteil stärker ins Gewicht als der marginale Rolwiderstandsnachteil.

Aerodynamische Effekte gibt es durchaus auch in unserem Bergab-Beispiel. Ein großes Rad mit langen Speichen erzeugt mehr Luftverwirbelung als ein Kleines, dafür legen dessen kurze Speichen mehr Umdrehungen zurück. Die Position. Größe und Kleidung des Fahrers spielt eine grösssere Rolle. Ein schwerer Fahrer ist natürlich im Vorteil weil er im Verhältnis zur Hangabtriebskraft weniger wangeströmte Fläche aufweist.

Welche Effekte sollen betrachtet werden? Wind, Rollreibung, Stosstellen (Bodenunebenheiten), … Auch zu einem Gedankenexperiment gehören die Randbedingungen, bitte immer Frage zuende überlegen!

Nehmen wir also Randbedingungen an: Eine lineare, schiefe Eben, Anfang- und Endbedingungen quasi zyklisch, optimal runde Reifen, oder besser: optimal runde und steife Räder (keine störende Gummibereifung oder so).

Jetzt habe ich mir Randbildungen gewählt, in denen quasi nur noch die Hangabtriebskraft und die Rotation der Räder und etwas Fahrtwind zu berücksichtigen sind. Ach, ja: Windstill soll es auch noch sein! 😎

Die Rollreibung scheint mir nun auch keinen Unterschied zwischen den Raddurchmessern auszumachen, so – noch so eine Randbedingung – „gebräuchliche" Raddurchmesser verwendet werden. Der reine Gewichtsunterschied soll außerdem durch baulich Umstände zufälliger Weise ausgeglichen werden. 😎 (Was immer gebräuchlich hier heißen mag …) Also betrachten wir:

Hangabtriebskraft

Da wir die Rollreibung etc. schon gleich gesetzt haben, können wir feststellen, dass es keine Auswirkung auf die Antriebskraft und damit auf die Beschleunigung hat, ob die Räder groß oder Klein sind.

Das Fahrrad kommt in Fahrt und nimmt dabei kinetische Energie auf. Dabei kommt es zu einer immer stärkeren …

Rotation der Räder

Da wir gebräuchliche Räder verwenden, haben sie auch eine Masse. Da ist zunächst die Radnabe, dann die dünnen Speichen nach außen und dann der Rollreifen. Letztere scheint mir die meiste Masse zu vereinen. Masse, die um eine Achse rotiert, hat ein Trägheitsmoment. Dieses ist umso größer, je größer der Rotationsradius ist. Dieses Trägheitsmoment hemmt die Beschleunigung der Drehbewegung, sozusagen weil Energie in die Drebewegung eingespeist werden muss.

Und hier gewinnen die kleineren Räder: Zuerst ist ihr Radius geringer und dann ist auch noch weniger Masse verbaut. Damit ist Ihr Trägheit deutlich geringer und damit kommt es zu einer besseren Beschleunigung des Fahrrades.

Fahrtwind

Nimmt überproportional mit der Geschwindigkeit zu. Umso schneller das Fahrrad an Fahrt gewinnt, desto mehr bremst der Fahrtwind.

Betrachten wir noch die Sitzposition auf dem Zweirad, so ist für kleine Räder eine hockende, aufrechte Sitzposition anzunehmen, auf einem hochbockigen Rennrad eher eine halb vornübergebeugt liegende. Selbstredend, dass letztere dem Wind einen geringeren Widerstand entgegensetzen.

Damit geht m E. das Rennen der beiden Fahrräder so aus:

Am Anfang gewinnt das Rad mit kleineren Reifen schneller an Geschwindigkeit. Zwar erreicht das größere Rad diese auch bald, kann den Vorsprung zunächst aber nicht mehr aufholen. Je schneller das Rennen wird, desto mehr wird aber das kleine Rad im Wind stärker gebremst, bis es schließlich vom geschmeidigen Rennrad überholt wird.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Extremes Beispiel: Du hast ein Rad mit 80cm Durchmesser und eines mit 20cm Durchmesser. Und ein Hindernis von 10cm Höhe. Das kleine Rad wird an diesem Hindernis einfach stoppen, das größere Rad wird (gebremst) drüber rollen.

Weniger krass ist der Effekt bei den Radgrößen, die bei Fahrrädern üblich sind. Aber man merkt schon deutlich, dass 29-Zöller deutlich leichter über Baumwurzeln oder Schlaglöcher rollen, als 26-Zöller. Sprich, bei gleicher Geschwindigkeit und gleichem Gewicht werden die großen Räder stärker gebremst.

Dafür beschleunigen die kleinen Räder schneller, weil sie eine kleinere Masseträgheit haben. Die Masse ist normalerweise geringer und auf einen kleineren Radius konzentriert.

Bei höheren Geschwindigkeiten merkt man die höhere Trägheit der größeren Räder auch daran, dass sie besser geradeauslaufen, weil sie mehr Kraft für eine seitliche Bewegung brauchen. Der eine mag die Laufruhe, der andere verflucht die geringere Wendigkeit.

Ohne Bewegung des Fahrers wird ne Abfahrt mit dem Fahrrad ohnehin zum Himmelfahrtskommando.

Es gibt hier zwei gegenläufige Effekte:

Größere Räder werden von Unebenheiten weniger stark gebremst als kleinere.

Größere Räder haben ein größeres Trägheitsmoment und rollen damit langsamer den Berg herunter - sie müssen ja nicht nur ihre lineare Geschwindigkeit aufnehmen, sondern zusätzlich Drehgeschwindigkeit. (Es stimmt zwar, dass die Durchschnittsgeschwindigkeit des Rades die Geschwindigkeit seiner Nabe ist, aber bei Geschwindigkeiten, die durch Herabrollen erreicht werden, kommt es auf Energien an, und die kinetische Energie ist quadratisch von der Geschwindigkeit abhängig und 2^2 + 2^2 ist kleiner als 1^2 + 3^2.)

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Eine höhere Zuladung verstärkt den Effekt der Unebenheiten und mildert den Effekt des Trägheitsmomentes.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

ich sehe hier das Problem dass kleinere Reifen mehr die Schlaglöcher nutzen wo große darüber schweben.

Ansonsten könnte die Fliehkraft bei kleinen Reifen zu schaffen machen.

Ich denke da an Geschwindigkeiten höher 80 kmh

Da würde sich Mantel/Schlauch zwanglos von der Felge trennen

PWolff  20.10.2018, 11:35

Um ohne Antrieb auf 80 km/h zu kommen, braucht man schon ein sehr aerodynamisches Fahrrad oder einen sehr, sehr steilen Berg.

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