Inwiefern war die Entnazifizierung im Westen und Osten erfolgreich/nicht erfolgreich?

7 Antworten

Na ja...

Auf der einen Seite kann man sagen, sie war erfolgreich, weil seither eine Bewegung wie die NSDAP nicht aufgetreten ist, oder nicht mehr als in anderen Ländern, die keine Nazi-Vergangenheit haben... Und auch die meisten alten Nazis, sogar die schlimmsten Verbrecher, waren weitgehend brav und haben sich im Rahmen der DDR/BRD im Grossen und Ganzen nicht mehr auffällig verhalten.

Auf der anderen Seite muss man aber betonen, dass 99% der eigentlichen Verbrecher straflos geblieben sind, und dass von 1%, die verurteilt wurden, die meisten mit lächerlich geringen Strafen davon kamen. Das ist ungerecht. Massenmörder rannten und rennen in Deutschland frei herum, während andere Leute für viel geringere Straftaten eingesperrt werden.

In dieser Hinsicht war die Entnazifizierung kein Erfolg...

Desweiteren muss man betonen, dass insbesondere Justiz und Polizei praktisch nicht "entnazifiziert" wurden, d.h. dass die Nazi-Richter, Staatsanwälte, Kommissare bis zu ihrer Pensionierung in Amt und Würden blieben. Somit bestand der Justizapparat der BRD bis 1960/70 vorwiegend aus Nazis, und erst durch das heraufkommen einer neuen Generation ändert sich das, nicht durch "Entnazifizierung"...

Die Entnazifizierung in Bezug auf konkrete Personen war eher von Willkür abhängig. Besonders in der Administration und Regierung von Adenauer wimmelte es nur so von alten Kameraden.

Wirkungsvoller war die Strategie der Alliierten im Westen. Man wollte Westdeutschland als Verbündeten. Die Deutschen erwarteten 1945 nach den Folgen des 1. Weltkriegs noch schlimmere Folgen. Die blieben aus. Die Bevölkerung stellte fest, dass Demokratie und Frieden viel mehr Wohlstand bedeuteten als das nationalistische und autoritäre Regime der NS-Zeit.

Eine intensive Aufarbeitung fand erst mit den 69´ern statt. Die rebellierten gegen ihre Nazi-Eltern und Professoren. Deren Spießbürgerlichkeit und Doppelmoral wurde mit ihren Taten gemessen. Vor allem wurden die Ursachen und die Struktur eines autoritären Regimes analysiert.

In der DDR war diese Kritik aus guten Gründen nicht möglich, und die Österreicher als Täternation zogen sich in die Opferrolle zurück. Da sehe ich den Unterschied bei der Aufarbeitung.

Ein bisschen findest du u. a. hier:

http://www.lehrer-wichert.de/lehrer-wichert/Geschichte/Themen-Geschichte/entstehung-beider-deutscher-staaten/entnazifizierung/

Es gab nach dem Krieg hüben wie drüben noch ehemalige Nazis (wenn wir diesen Begriff für ehemalige Mitglieder der NSDAP anwenden). Nicht alle von ihnen waren Kriegsverbrecher im Sinne des Völkerrechts und der Menschenrechte.

Der große Unterschied bestand u. a. in folgendem:

Für bestimmte Berufe kamen diese Leute in der DDR nicht in Frage, bspw. Lehrer.

In der BRD waren sie ein fester Bestandteil beim Aufbau des neuen Staatswesens (im Kabinett Adenauer saßen mehr Jahre NSDAP-Mitgliedschaft als im ersten Kabinett des "Gröfaz" 1933), sie bekamen Beamtenpensionen unter Anrechnung ihrer Dienstjahre im "3. Reich". und ihre Witwen bekamen entsprechende Witwenrenten.

Nach der Wende sollte ein kleiner Mitarbeiter eines DDR-Ministeriums wegen "Systemnähe" nur die Mindestrente bekommen. Als man in seinem Lebenslauf entdeckte, das er Mitte der 40-er Jahre Mitarbeiter im Hitlerschen Luftfahrtministerium war, bekam er rückwirkend Beamtenbezüge nach BRD-Recht.

eccojohn  10.11.2019, 15:01

Richtig, die westdeutsche Politik war in dem Punkt verlogen und versaut !

Vielleicht kommt ja auch daher >real< der Audruck : DIE GRAUE EMINENZ !

DAS sollte sehr eindringlich auch noch heute ein Grund sein, die gesamte heutige POLITIK und deren wahren Hintergründe und Ziele einmal als Wähler sehr deutlich zu hinterfragen. Viele Ungereimtheiten sind auch heute noch überdeutlich zu sehen - wenn man denn will, aber vieles ist auch durch verdrehte Argumentation gut getarnt verpackt und sticht nicht wirklich sofort ins Auge.

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In der DDR gab es gar keine Nazis, insofern musste auch keine Entnazifizierung stattfinden - praktisch, nicht wahr, wenn man einfach alles unter den Teppich kehrt, was einem nicht passt, aber das konnte die DDR von Anfang an besser als jeder andere Staat.

"Die politische Führung der DDR lehnte ausgehend von ihrem antifaschistischen Selbstverständnis[18] jegliche Haftung für das NS-System und dessen Verbrechen ab und verband dies mit einem weitgehend unkritischem Verhältnis zur eigenen politischen Tradition und deren Fehlleistungen vor und nach der Etablierung des NS-Systems.

Im Gegensatz zu offiziellen Verlautbarungen, die DDR trage bezogen auf die NS-Zeit keine Verantwortung, da die Gründer des Landes antifaschistische Kämpfer gegen Hitler waren"

Der NDPD gelang es in der DDR, die gesellschaftliche Gleichberechtigung der ehemaligen Nationalsozialisten durchzusetzen.[23] Am 11.11.1949 wurde das Gesetz über den „Erlaß von Sühnemaßnahmen und die Gewährung staatsbürgerlicher Rechte für ehemalige Mitglieder und Anhänger der Nazipartei und Offiziere der faschistischen Wehrmacht“ verabschiedet. Im September 1952 erfolgte dann durch ein weiteres Gesetz die völlige rechtliche Gleichstellung, ausgenommen blieben lediglich verurteilte NS-Täter und Kriegsverbrecher.

Am 2.10.1952 erhielten die ehemaligen NSDAP-Mitglieder ihre vollen Rechte als Staatsbürger der DDR.

http://www.scharf-links.de/46.0.html?&tx_ttnews[tt_news]=58071&tx_ttnews[cat]=27&cHash=9709de4cdd

Ahzmandius  10.11.2019, 13:14
In der DDR gab es gar keine Nazis, insofern musste auch keine Entnazifizierung stattfinden - praktisch, nicht wahr, wenn man einfach alles unter den Teppich kehrt, was einem nicht passt, aber das konnte die DDR von Anfang an besser als jeder andere Staat.

Ach und in der BRD lief das anders?

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dandy100  10.11.2019, 13:14
@Ahzmandius

Ach und in der BRD lief das anders?

Allerdings! Hier gab es für jede Menge Menschen Berufsverbot!

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Ahzmandius  10.11.2019, 13:19
@dandy100

Dann empfehle ich dir mal zu lesen wie es zu den Ausschwitzprozessen kam. Berufsverbote irgendwelcher Nonames ist doch völlig irrelevant, wenn jemand wie Mendele nach belieben ein und ausreisen durfte ;-)

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dandy100  10.11.2019, 13:23
@Ahzmandius

"Berufsverbote irgendwelcher Nonames ist doch völlig irrelevant,"

Das ist NICHT irrelevant, denn diese "Nonames" waren immerhin das Volk und nur das ist entscheidend und nicht irgendwelche Einzelfälle - die wird es immer geben und die sind kein Maßstab!.

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Klaraaha  10.11.2019, 13:23
@dandy100

Eine ältere Kollegin hat mir mal erzählt dass sie 1945 geboren ist und ihr Vater in den letzten Kriegstagen gefallen ist. Sie kannte ihn nicht, aber der hatte einen Offiziersgrad war schon vor dem Krieg Berufssoldat und die Mutter saß mit zwei kleinen Kindern alleine da. Alle anderen Kriegswitwen bekamen eine Rente, nur sie nicht. Auf Nachfrage erfuhr sie dann dass ihr toter Mann erst überprüft werden müsse, ob er sich was zuschulden kommen lies. Was da genau überprüft wurde weiss sie nicht. Aber es hat lange gedauet bis die dann endlich eine Rente bekam.

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Ahzmandius  10.11.2019, 13:24
@dandy100

Das waren keine Einzelfälle, wie gesagt lies dich da ein oder lass es.

Ich kann dazu auch einen interessanten Spielfilm empfehlen:

"Labyrinth des Schweigens"

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dandy100  10.11.2019, 13:33
@Ahzmandius

Ja, ja, kenne ich und natürlich muss immer so getan werden als hätte es in der BRD keine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gegeben hätte, aber das stimmt nicht; das ist eine völlig verzerrrte Darstellung dessen, was nach dem Krieg hier stattgefunden hat.

Dass die Menschen in einem völlig zerstörten Land, nach Hunger Tod und Vertreibung erstmal duchtamen wollten und einfach nur leben und sich nicht nahtlos mit dem Dritten Reich beschäftigen wollten, kann man ihnen nicht vorwerfen und man kann auch nicht ein ganzes Volk zu Verbrechern abstempeln, aber wenn es übrhaupt ein Volk auf diese Planeten gibt, dass sich seit Jahrzehnten ununterbrochen mit seiner Vergangenheit auseinandersetzt, dann sind es ja wohl die Deutschen!

In der DDR dagegen hat man natürlich mit nichts etwas zu tun gehabt, dort hat es man es sich verdammt leicht gemacht - das kann man überhaupt nicht vergleichen mit dem, was hier stattgefunden hat

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Ahzmandius  10.11.2019, 16:16
@dandy100
Ja, ja, kenne ich und natürlich muss immer so getan werden als hätte es in der BRD keine Auseinandersetzung mit der Vergangenheit gegeben hätte, aber das stimmt nicht; das ist eine völlig verzerrrte Darstellung dessen, was nach dem Krieg hier stattgefunden hat

Unsinn gar nichts ist da verzerrt. Es gibt einen Grund warum die Ausschwitzprozesse in Frankfurt kaum jemanden ein Begriff ist und warum die Hintergründe dieser Prozesse noch weniger ein Begriff sind.

Es steckt nun mal Systematik dahinter, ob du es nun wahrhaben willst oder nicht.

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Um diese Frage zu beantworten muss man sich zunächst im Klaren sein, was Entnazifizierung bedeutet.

Die NSDAP hatte viele Millionen Mitglieder und diese Mitglieder lebten auch nach dem Kriegsende in Deutschland und bildeten einen Teil der Bevölkerung im Osten ebenso wie im Westen. Einen so bedeutenden Bevölkerungsteil kann man nicht vom gesellschaftlichen Leben ausschließen. Man kann aber dafür sorgen, dass Nazifunktionäre und Naziverbrecher, die in hohem Maße während der Nazizeit Verantwortung trugen, in der Nachkriegsgesellschaft von Ämtern und Funktionen ferngehalten werden.

Und hier zeigt sich der unterschiedliche Umgang in Ost und West. Während im Westen alte Nazi-Eliten maßgeblich die Bundesrepublik in Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Bildung, Justiz, Polizei, Geheimdiensten und Armee prägten, wurden im Osten alte Nazi-Eliten konsequent aus den Schaltstellen des Staates und der Gesellschaft entfernt.

In wenigen Ausnahmefällen wurde auf ausgewiesene Fachleute mit Nazivergangenheit zurückgegriffen, wenn diese nicht in Verbrechen verwickelt waren. Und selbst diese wurden bis Mitte der 50er Jahre aus ihren Stellen entfernt.

Ein zweiter Aspekt ist die Erziehung der Bevölkerung, um den Naziungeist aus den Köpfen zu bekommen. Im Westen hat man sich darauf zurückgezogen, zu beklagen, dass man von Hitler verführt wurde und dass der Mord an den Juden schlimm war.

Im Osten hat man den Zusammenhang von Kapitalismus und Faschismus betont und hat nicht nur den industriell geplanten Mord an den Juden gegeißelt, sondern auch den gezielten Mord an Polen, Sowjetbürgern, Jugoslaven usw. und Versklavung anderer Völker, an der das deutsche Kapital profitierte. Auch hat man im Osten nie die Kriegsschuld Deutschlands relativiert, ganz im Gegensatz zu bedeutenden revanchistischen Bewegungen und Organisationen im Westen. Allerdings wurde in der DDR niemals von einer Kollektivschuld eines ganzen Volkes ausgegangen, sondern immer von der Schuld des deutschen Monopolkapitals und seiner Protagonisten.

Im Spiegel Special 2/1992 steht als Ergebnis einer Repräsentativen Untersuchung:

Daß unter den Ostdeutschen weit weniger Antisemiten zu finden sind als unter den Westdeutschen, hatten einige Monate zuvor Soziologen der Universität Erlangen-Nürnberg ebenfalls festgestellt, die mit anderen Fragen und anderen Methoden gearbeitet hatten. Sie waren auf 6 Prozent in den neuen Bundesländern gekommen.
Durchgängig ist, wie die Tabellen der Emnid-Untersuchung zeigen, der Anteil der Ostdeutschen, die sich antisemitisch, rechtsradikal oder ausländerfeindlich äußern, geringer als der entsprechende Anteil der Westdeutschen. Die Bundesbürger im Osten nehmen die Konsequenzen aus der NS-Vergangenheit für die Gegenwart ernster.

https://www.spiegel.de/spiegel/spiegelspecial/d-52498291.html

eccojohn  10.11.2019, 14:42

DEM ist kaum noch etwas hinzuzufügen - P E R F E K T beantwortet !!

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