Ich kann bei Vollmond nachts nicht schlafen?

7 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Rtothem,

etwa ein Drittel der Befragten sagt in Umfragen von sich, bei Vollmond schlechter zu schlafen. Testet man aber genau nach, dann zeigt sich: Diese Häufungen der Schlafstörungen bei Vollmond existieren NICHT. Wir haben nur den Eindruck, dass uns das bei Vollmond häufiger passiert.

Das hat tiefenpsychologische Ursachen:

Wenn wir nicht gut schlafen, nervt das und wir suchen nach einer Ursache. Wir sehen dann den Mond... und haben den perfekten Sündenbock vor Augen, denn er ist nicht nur scheinbar schuld, sondern bietet im zu erwartenden Wechsel der Mondphase auch gleich noch die Lösung des Problems und Hoffnung auf baldigen besseren Schlaf.

Jedesmal, wenn wir bei Vollmond schlecht schlafen, werden wir unseren Eindruck, dass der Mond schuld ist, befriedigt bestätigen können.

Wenn wir bei anderen Mondphasen schlecht schlafen, fällt uns bequemerweise der Mond gar nicht ein: Die Wahrscheinlichkeit das Gegenbeispiel für unsere Überzeugung überhaupt zu bemerken, ist sehr viel geringer als beim Positivbeispiel. Auch die Vollmondnächte, in denen wir bestens schlafen, registieren wir nicht als Gegenbeispiele.

In der Psychologie nennt man dieses Phänomen die "selektive Wahrnehmung", die übrigens mit "Einbildung" nichts zu tun hat: Unser Unterbewusstsein meldet verschiedene Dinge unterschiedlich zuverlässig ins Bewusstsein. Und bei den Mythen um den Vollmond registrieren wir eben die positiven Beispiele sehr viel häufiger als die Gegenbeispiele... und meinen DESHALB, ein Muster zu erkennen.

Das Problem ist, dass man, wenn nur irgendwann einmal den Eindruck gewonnen wurde, es könnte mit dem Mond korrelieren (und sei es durch die kursierenden Gerüchte über den Mond), fast keine Chance mehr hat, diesen Eindruck als falsch zu erkennen: die psychologischen Effekte führen dazu, dass sich so ein Eindruck praktisch nur immer weiter verstärkt.

Löst der Mond denn schlechten Schlaf aus??

Nein! Nachweislich nicht.

Sehr große Studien bestätigen: Man schläft im Schnitt bei allen Mondphasen gleich gut. Ich zitiere mal ein paar dieser Untersuchungen:

Die österreichischen Schlafforscher Klösch und Zeitlhofer haben sich 2003 gefragt: Hat die Mondphase Einfluss auf die Schlafqualität. Untersucht wurden in ihrerr Studie Schlaftagebuchaufzeichnungen (jeweils 14 Tage) von je knapp 200 Gesunden und Patienten mit anerkannten Schlafstörungen über einen Zeitraum von 6 Jahren (1997-2002). Ich zitiere:

In keiner der zur Verfügung stehenden subjektiven Schlafbeurteilungen konnte ein signifikanter Unterschied zwischen den Vollmond-/Neumondnächten, den Nächten während des zunehmenden/abnehmenden Mondes und den als "neutral" eingestuften gefunden werden. Dies gilt gleichermaßen für Gesunde, Patienten, Männer und Frauen. Auch konnte keine Zunahme in der Anzahl der erinnerten Träume beobachtet werden.

Und das ist nur ein kleiner Teil der Daten, wie das Max-Planck-Institut vermeldete:

"Um Zufallsbefunde zu vermeiden, wie sie in Studien mit geringer Teilnehmerzahl möglich sind, untersuchten die Wissenschaftler nun Schlafdaten von 1.265 Probanden aus 2.097 Nächten. „Nachdem wir diese große Anzahl von Daten ausgewertet hatten, konnten wir frühere Ergebnisse aus anderen Studien nicht bestätigen“, berichtet Martin Dresler, Neurowissenschaftler am Max-Planck-Institut für Psychiatrie in München und Donders Institute for Brain, Cognition and Behaviour in Nijmegen, Niederlande. „Wir konnten keinen statistisch belegbaren Zusammenhang zwischen menschlichem Schlaf und den Mondphasen aufzeigen.“

Im Rahmen dieser Untersuchungen fand sein Team weitere unveröffentlichte Analysen von über 20.000 Schlafnächten, welche ebenfalls keinen Einfluss des Mondes feststellen konnten. Dass diese Ergebnisse nicht veröffentlicht worden sind, könnte ein Beispiel für eine verzerrte Veröffentlichungspraxis sein, wie sie beispielsweise auch als „Schubladenproblem“ bekannt ist. Darunter versteht man das Phänomen, dass viele Untersuchungen zwar durchgeführt, aber nie veröffentlicht werden – sie verbleiben stattdessen in der Schublade der Forscher."

Noch neuere Untersuchungen bestätigen dies:

https://www.researchgate.net/publication/283261567_Bad_sleep_Don%27t_blame_the_moon_A_population-based_study

A total of 2125 individuals (51.2% women, age 58.8 ± 11.2 years) participating in a population-based cohort study underwent a complete polysomnography (PSG) at home. Subjective sleep quality was evaluated by a self-rating scale. Sleep electroencephalography (EEG) spectral analysis was performed in 759 participants without significant sleep disorders. (...) Conclusion: Our large population-based study provides no evidence of a significant effect of lunar phases on human sleep.

Also: Eine überwältigende Datenbasis zeigt: Kein Effekt vorhanden.

Trotzdem hat ein Drittel der Bevölkerung den Eindruck, das wäre so... erklärbar und verstehbar ist das über die oben beschriebenen psychologischen Effekte.

Für uns unangenehme Dinge machen unser Gehirn nervös, wenn es nicht versteht, warum sie passieren. Das Gehirn versucht Muster in dem Wiederkehren dieser Unannehmlichkeiten zu erkennen, in der Hoffnung, ihnen ausweichen zu können. Das ist ein im Laufe der Evolution entstandenes recht sinnvolles Prinzip... nur manchmal führt es dazu, dass unser Gehirn Regelmäßigkeiten zu erkennen vermeint, die in der Realität nicht da sind. Der Psychologe spricht von "Mustererkennung".

Die Vermutung, bestimmte Ereignisse würden sich bei Vollmond häufen, ist eine Folge dieser übertriebenen Mustererkennung. Der Vollmond liefert den perfekten Sündenbock: Diese Erklärung ist unpersönlich und birgt in sich die Hoffnung, das Problem verschwinde eh von selbst. Solche Erklärungen mag unser Unterbewusstsein sehr.

Genau so entstehen diese Eindrücke, die sich dann über unsere selektiven Wahrnehmungseffekte nur noch verstärken können - wie oben beschrieben.

Wie Shakespeare schon schrieb:

The fault, dear Brutus, is not in our stars, but in ourselves.

Die Antwort auf Deine Frage ist also: Du schläfst nicht schlechter bei Vollmond... Du behälst es aber besser in Erinnerung als die Gegenbeispiele... und hast deshalb den Eindruck, die Ereignisse würden sich bei Vollmond häufen.

Abhilfe schafft ein leichtes Abdunkeln des Zimmers, wenn Du im ländlichen Bereich wohnst. Und ein echtes Schlaftagebuch: Wenn man konsequent mal 1 Jahr jeden Morgen aufschreibt, wie man geschlafen hat, dann bemerkt man die Gegenbeispiele... und der Mythos um den Vollmond löst sich auf.

Grüße

Zum Weiterlesen bei Interesse:

http://www.dermond.at/index.php

Und hier ein sehr umfassender Artikel ab S. 23, allerdings auf Englisch

http://www.aske-skeptics.org.uk/resources/Intelligencer/Intelligencer_2-3and4_1998_WithoutAddress.pdf#page=23

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Diplom in Physik, Schwerpunkt Geo-/Astrophysik, FAU

Vielleicht eine Jalousie zulege oder sonst irgendwie dafür sorgen, dass das Mondlicht Nachts nicht herein scheint. Der Rest ist dann nur noch Kopfsache, also einfach nicht dran denken, dass Vollmond ist ;)

Das Schlafhormon Melatonin bildet sich erst wenn kein Licht mehr auf die Netzhaut des Auges fällt - das ist auch der Grund wenn man bei Vollmond schlecht schlafen kann. Genau denselben Effekt hat allerdings z.B. schon das Display des Handys - da bringt es auch nichts wenn man das Zimmer abdunkelt.

Steffile  28.05.2018, 12:53

Ich kann sehr gut mit Handy einschlafen ;-)

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bodyguardOO7  28.05.2018, 21:05
@Steffile

Ich kann auch noch mit einem starken Kaffee gut einschlafen und der Vollmond juckt mich überhaupt nicht - und ich kann auch nicht nur von mir ausgehen.:-)

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Einen echten Schlafkalender = Tagebuch über Deine Schlafqualität führen. Und zwar lückenlos nicht nur bei Vollmond.

Bisher gab es noch keine Person, die immer nur bei Vollmond schlecht geschlafen hat - Im Schlaflabor war die Schlafqualität dann immer gleich gut / gleich schlecht bei Vollmond und bei Nicht-Vollmond.

Aber der Vollmond ist halt ein guter Sündenbock.

  • Wenn der Mensch schlecht schläft und dann den Vollmond sieht, dann hat er eine "plausible" Ursache gefunden.
  • Wenn der gleiche Mensch schlecht schläft und keinen Vollmond sieht, na dann war es halt nur ganz zufälliges schlechtes Schlafen.

Auf diese Weise hat man im Mittelalter erfolgreich Hexen gejagd. Und waren alle voll davon überzeugt, dass Hexen die Ursache allen Übels waren. Standardverfahren der erfolgreichen Selbsttäuschung.

Einfach nicht auf den Kalender gucken, dass du nicht weißt, wann Vollmond ist. Mehr kannst du nicht machen.

Rtothem 
Fragesteller
 28.05.2018, 08:02

wenn ich auf den Kalender Guck weiß ich warum ich nicht schlafen kann

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BurkeUndCo  29.05.2018, 23:25
@Rtothem

Nein, das weißt Du eben nicht.

Du bildest Dir nur ein das zu wissen. Das nennt sich erfolgreiche Selbsttäuschung.

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