Gravitation=Scheinkraft?

8 Antworten

Das "reinfällt" suggeriert, dass es eine Kraft gibt, die die Kugel auf dem Gummituch nach unten, also in die Mulde zieht. So ist das Gummituchmodell aber nicht gedacht. Die Kugel sollte eigentlich innerhalb des Gummis festhängen und deshalb dessen Biegungen "nachfahren". Allein die Krümmung des Gummis führt also schon zu gekrümmten Bahnen, es braucht keine Kraft "nach unten", die die Kugel in die Mulde lenkt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Masterabschluss Theoretische Physik
WarteDigga 
Fragesteller
 19.08.2021, 22:07

"Die Kugel sollte eigentlich innerhalb des Gummis festhängen und deshalb dessen Biegungen "nachfahren"."

ich weiß nicht genau wie das gemeint ist. Ist mit ,,Nachfahren" das rollen in der Delle gemeint ? Sogesagt

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PhotonX  19.08.2021, 22:13
@WarteDigga

Stell dir vor, du hast ein Heft in einem Plastik-Umschlag. Zwischen innerem Umschlag und Plastik-Umschlag ist eine Ameise gefangen, die nur entlang des Umschlags krabbeln kann. Jetzt verbiegst du den Umschlag. Die Ameise kommt nicht umhin, als auf einer krummen Linie zu laufen, denn jetzt gibt es gar keine geraden Linien mehr. So ähnlich ist es zum Beispiel auch bei Flugzeugen, die über lange Strecken fliegen: Sie fliegen eigentlich immer geradeaus, aber nachdem die Erdoberfläche nicht flach ist, fliegen sie in Bögen.

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SlowPhil  20.08.2021, 19:56
@PhotonX

Genau, das mit der Ameise ist ein gutes Bild, aber wenn die nicht fliegen kann, braucht man sie nicht zwischen Heftumschlag und Plastikumschlag gefangen zu halten.

Das Problem ist nur, dass lebende Ameisen Duftspuren folgen, nicht Geodätischen. Da könnte man besser eine Roboter-Ameise bauen.

Biegung übrigens macht die Fläche nicht gekrümmt. Nan kann die Ameise auch auf eine Kugeloberfläche setzen, oder eine gebeulte Fläche.

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Blume8576  20.08.2021, 06:06

.....dann muss der Raum, auf der Erde senkrecht nach unten verformt sein. ....es fällt ja alles senkrecht nach unten und folgt somit dieser Bahn. ..

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SlowPhil  20.08.2021, 19:51

Besser sollte man eine aufs Geradeausgehen programmierte Roboter-Ameise darüber laufen lassen, die natürlich nur für ein Lichtsignal oder ein extrem relativistisches Teilchen darstellen kann, denn das Tuch stellt die Krümmung des Raumes dar – vielleicht auch des Lichtkegelmantels.

Nun, ein Kegelmantel weist außer an der Spitze für gewöhnlich keine Krümmung auf, aber das Bild des glatten Kegels gibt die Situation ohne Gravitationsfelder wieder.

Am besten sollte man auch die Ausbeulungen nach oben machen, um deutlich zu machen, dass es nicht um "nach unten" geht.

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Nun, Scheinkraft ist meines Wissens nach eine Kraft, die aus Perspektive unterschiedlicher Bezugssysteme und Bewegung entsteht... Um genau zu sein, gibt es Scheinkräfte in nicht Intertialsystemen. Fliehkraft und Corrioleslraft sind klassische Beispiele.

Begriffe in einen anderen Kontext zu verwenden ist immer etwas problematisch, die ganze Raumzeit-Geschichte ist auch nicht mehr Newtonsche Physik (dort gibt es die Gravitationskraft als "echte" Kraft), sondern Relativitätstheorie.

Hallo WarteDigga,

eine Gravitationskraft ist nicht wirklich eine Scheinkraft, aber "kind of".

Eine Masse krümmt die Raumzeit, wodurch alles in die Krümmung, äh ja ,,reinfällt"?

Du hast vielleicht das beliebte Bild mit dem ausgebeulten Gummituch vor Augen. Es ist hochgradig irreführend, besonders, wenn man als Modell Murmeln darauf rollen lässt:

  • Das Tuch steht nur für eine räumliche Ebene, die Zeit ist nicht geometrisch dargestellt.
  • Das Modell visualisiert eher Potentialdifferenzen, die als Höhenunterschiede dargestellt werden, als eine Krümmung des Raums. Murmeln folgen der echten Gravitation der Erde unter dem Tuch, nicht dessen Krümmung. Eine Wölbung nach oben hätte exakt dieselbe Krümmung, würde aber Murmeln von sich weg rollen lassen.

Das letzte Problem lässt sich etwas lindern:

  • Es sollten nicht Murmeln verwendet werden, sondern aufs Geradeausgehen programmierte Roboter-Ameisen, die einfach die Fläche entlang laufen, ohne von der echten Gravitation beeinflusst zu werden, und die auch nur für Licht oder sehr hochenergetische Teilchen stehen.
  • Man sollte die Mulden durch Hügel ersetzen, um die Vorstellung auszuschalten, die Richtung der Ausbeulung, "nach unten", hätte eine Bedeutung. Die Ameisen werden auch durch Hügel nach innen abgelenkt werden; ihre Wege werden dabei Geodätische Linien entlang der Fläche darstellen.

Besser noch versucht man die Zeit einzubeziehen; dann kann man allerdings nicht mehr Planetenbahnen darstellen.

Ein Modell, das ich trotz seiner engen Grenzen gern benutze, ist eine Kugeloberfläche mit Längen- und Breitenkreisen, wobei die "geographische Länge" für die Zeit und die "geographische Breite" für die Entfernung vom Zentrum eines Himmelskörpers steht. Geodätische auf der Fläche heißen Großkreise.

Die Breitenkreise verlaufen parallel, sind aber keine Geodätischen. Um entlang eines Breitenkreises von einem Punkt zum anderen zu fahren, muss man ständig vom Äquator weg lenken – oder ein Wall entlang des Breitenkreises lenkt einen. Die geradeste Verbindung zwischen zwei Körpern auf einem Breitenkreis ist ein Großkreisbogen, und der führt über höhere Breiten.

So lässt sich das immerhin als Modell für einen vertikalen Sprung verwenden.

Bild zum Beitrag

Abb. 1: Kugelmodell eines vertikalen Sprungs

Wie kommt EINSTEIN auf die Idee?

Die erste Erkenntnis, die letztlich zur Idee der gekrümmten Raumzeit geführt hat, geht schon auf GALILEI zurück: Alle Körper ungeachtet ihrer Masse werden grundsätzlich gleich stark zur Erde hin beschleunigt, nur Auftrieb und Reibung in der Luft sorgen für Unterschiede.

Als NEWTON sein Gravitationsgesetz aufstellte, unterschied er begrifflich zwischen Träger Masse (die einer Kraft, die sie beschleunigt, einen Trägheitswiderstand entgegen setzt) und Schwerer Masse (der "Ladung" der Gravitation), obwohl er zugleich feststellte, dass sie gleich sind.

Damit verhält sich die Gravitation tatsächlich ganz analog zu einer Trägheitskraft.

Dies brachte später EINSTEIN zur Formulierung des Äquivalenzprinzips: Ein Physiker in einem geschlossenen Labor würde nicht unterscheiden können zwischen

  • dem Schweben bzw. konstante Geschwindigkeit im freien Weltraum, fern von Massen (dann wäre sein Ruhesystem ein Inertialsystem), und dem freien Fall in einem weitgehend homogenen Gravitationsfeld, oder auch
  • gleichförmiger Beschleunigung im freien Weltraum und einem stationären Zustand in einem homogenen Gravitationsfeld.

Wenn Du von einer Raumstation mit der Borduhr U aus mit einem Shuttle und Deiner eigenen Uhr Ώ starten und in x- Richtung gleichförmig beschleunigen würdest, ließe sich das auch so beschreiben, als widersetztest Du Dich quasi als einziger einem universellen homogenen Gravitationsfeld, in dem alles andere frei fällt, auch die Station.

Mit "gleichförmig" ist gemeint, dass nicht etwa Deine Beschleunigung relativ zu U gleich bliebe, sondern Deine Eigen-Beschleunigung und damit die Trägheitskräfte an Bord. Deshalb hätte Deine Weltlinie nicht die Form einer Parabel, wie nach dem NEWTONschen Weg-Zeit- Gesetz s=½at² zu erwarten wäre, sondern einer Hyperbel, deren Asymptote eine lichtartige Linie ist.

Licht- oder Funksignale von U kommen bei Dir immer stärker rotverschoben und auseinandergezogen an, und die Asymptote steht für ein erstes Signal, das Dich gar nicht mehr erreichen würde - und damit einen (subjektiven und aufhebbaren) Ereignishorizont.

Dieses homogene Gravitationsfeld lässt sich freilich problemlos wegtransformieren, man muss nur U als Bezugskörper nehmen.

Bild zum Beitrag

Abb. 2: Gleichförmige Beschleunigung

Krümmung der Raumzeit

Reale Gravitationsfelder von Himmelskörpern sind nicht homogen, ganz im Gegenteil. Deshalb lassen sie sich nicht wirklich wegtransformieren, was sie von Scheinkräften deutlich unterscheidet. Und genau diese Unterschiede zwischen Gravitation und Scheinkräften sind das, was die Krümmung der Raumzeit ausmacht: Eine Eigenschaft der Raumzeit, die nicht von einem bestimmten Koordinatensystem abhängt.

Krümmung hat nichts mit Verbiegung in einem höherdimensionalen Raum zu tun, sondern mit einer metrischen Verzerrung. Die Krümmung einer Fläche lässt sich, wie GAUß herausfand, ohne Bezug auf den Raum beschreiben, in den sie eingebettet ist.

Eine "flache" Fläche kann durchaus verbogen sein wie etwa eine Zylindermantelfläche, die sogar in sich zurückläuft. Dennoch ist ihre Krümmung gleich 0, die Innenwinkelsumme eines Dreiecks aus Geodätischen wäre 180°, parallele Geodätische würden es überall bleiben. Auf einer Kugeloberfläche wäre die Innenwinkelsumme größer als 180° und würden Geodätische stets zusammenlaufen, wie man oben gesehen hat.

RIEMANN verallgemeinerte von Flächen auf Mannigfaltigkeiten (quasi auch "Flächen", aber oft höherdimensional) und untersuchte, wie man deren innere Geometrie beschreiben kann. Dabei stieß er auf mathematische Objekte, die Tensoren genannt werden.

Genau diese mathematische Beschreibung wandte EINSTEIN später auf die Raumzeit als pseudo- RIEMANNsche Mannigfaltigkeit an und entwickelte die nach ihm benannten Feldgleichungen. Sie setzen den sog. RICCI- Tensor (der Krümmung beschreibt) und den sog. Metrischen Tensor sowie den Krümmungsskalar in Beziehung zum Energie- Impuls- Tensor, der Massen- und Energieverteilung, Bewegung und sogar mechanische Spannungen enthält.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung
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Ja, man kann die Gravitation so auffassen. Aus dem Artikel zur Trägheitskraft

https://de.wikipedia.org/wiki/Tr%C3%A4gheitskraft

"Die Gravitation zählt in der klassischen Mechanik zu den spürbaren äußeren Kräften. Da aber nach dem Äquivalenzprinzip auch die Gravitation eine Massenkraft ist und sich eine konstante geradlinige Beschleunigung nicht vom Wirken eines homogenen Gravitationsfeldes unterscheiden lässt, ist es möglich, auch die Gravitation als vom Bezugssystem abhängige Trägheitskraft aufzufassen. Dies ist der Ausgangspunkt der Allgemeinen Relativitätstheorie."

Woher ich das weiß:Recherche

Das mit der Raumkrűmung ist nur ein Versuch die Gravitation zu erklären.

Niemand weis woher diese Kraft kommt.

Mit der Theorie der Raumkrűmung wird das Problem aber nicht gelöst sondern nur verschoben.

Mit welcher Kraft krűmmt Masse den Raum denn?

Aus was besteht Raum um gekrűmmt werden zu können?

Die Theorie wirft sogar mehr Fragen auf .

Fällt das Wasser der Meere in die Raumkrűmung des Mondes? Er macht mit seiner Gravitation ja Ebbe und Flut. ..

Wenn Kugelförmige Planeten und Sonnen den Raum um sich kreisförmig verbiegen, warum sind die Umlaufbahnen das elyptisch?

Das Modell mit dem Gummituch ist auch noch falsch.

Das Gummituch muss komplett um die Kugel gezeichnet werden. Dann muss sich die Raumkrűmung zur Kugel hin biegen, sonnst fällt ja nichts nach unten.

Wenn jede Masse den Raum senkrecht zu sich hinbiegt, und die andere Masse dieser biegung folgt, warum ist dann die Senkrechte vervormung einer grosen Masse stärker als von einer kleinen. Senkrecht ist senkrecht, also gleich stark gekrűmmt.....

Was gibt denn die Richtung vor, in die man senkrecht dem Raum folgt?

Der Raum ist ja nur verformt worden, man fällt aber zur Masse, also muss eine Kraft da sein die im verformten Raum eine Richtung vor gibt.

Wenn man Gravitation einfach als Kraft sieht (wie megnetismus ) dann fallen all diese Fragen weg ......

Die angebliche Raumkrűmung macht es nur komplizierter.

WarteDigga 
Fragesteller
 20.08.2021, 07:16

Das Universum ist ein Rätsel

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WarteDigga 
Fragesteller
 20.08.2021, 07:18

Die Raumzeit wird doch nicht senkrecht gekrümmt, sondern vereinfacht, in alle Richtungen. Also 4 Dimensional

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SlowPhil  20.08.2021, 23:44
@WarteDigga

Bei der Krümmung geht es um die innere Geometrie. Eine Zylindermantelfläche ist z.B. nicht gekrümmt, sondern geometrisch flach. Du könnt sie der Länge nach aufschneiden und ohne Verzerrung auf einem Tisch ausrollen.

Die Fläche eines Balles würde reißen oder sich zumindest dehnen, eine Sattelfläche würde sich in Falten legen. Erstere ist positiv und letztere negativ gekrümmt.

GAUß' Theorema Egregium sagt aus, dass sich die Krümmung einer Fläche ohne Bezug auf einen Einbettungsraum beschreiben lässt.

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SlowPhil  20.08.2021, 10:57
Das mit der Raumkrűmung ist nur ein Versuch die Gravitation zu erklären.

Nein. Elektromagnetische Felder werden auch nicht mit "Raumkrümmung" bzw. Raumzeitkrümmung erklärt, und auch Gravitation ließe sich so ähnlich beschreiben.

Das würde allerdings nicht die Tatsache berücksichtigen, dass Gravitation grundsätzlich alle Massen und sogar Energien gleich beschleunigt.

Das ermöglicht es, die Gravitation zu geometrisieren, d.h. als Eigenschaft der Raumzeit zu beschreiben.

Ziel ist es nicht, die Gravitation zu erklären, sondern von Beschreibungen, die stark von bestimmten Koordinatensystemen abhängen, wegzukommen auf Beschreibungen durch Eigenschaften, die in allen möglichen Koordinatensystemen passt.

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