Geht es schneller als Lichtgeschwindigkeit?

Das Ergebnis basiert auf 17 Abstimmungen

Nein, geht nicht. 59%
Ja, schneller als Licht ist möglich. 41%

16 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Ja, schneller als Licht ist möglich.

Hallo rohvallion,

im Rahmen der Speziellen Relativitätstheorie (SRT), welche eine "idealisierte", geometrisch flache Raumzeit beschreibt, ist tatsächlich c ≈ 3×10⁸ m⁄s eine Grenze, der sich ein Bradyon ("langsames Teilchen", d.h. Teilchen mit Masse und innerer zeitlicher Ordnung) nur von unten beliebig nähern kann.

Sollte es Tachyonen geben, ist c auch für diese eine Grenze, allerdings eine Untergrenze. Und Tachyonen, sollten sie existieren, können keine innere zeitliche Ordnung haben, und das hängt mit der Geometrie der Raumzeit zusammen:

Geometrie der flachen Raumzeit

Zwei Ereignisse E₁ und E₂, für die es ein Koordinatensystem gibt, in dem sie "gleichortig" sind, d.h. nacheinander am selben Ort stattfinden, heißen zeitartig getrennt. Die von einer lokalen Uhr Ώ direkt gemessene Zeitspanne Δτ = τ₂ − τ₁ zwischen ihnen heißt Eigenzeit und ist ein absoluter Abstand.

Von ihr begrifflich zu unterscheiden ist die von einer als stationär angesehenden Uhr U aus ggf. auf wechselnde Distanz ermittelte Zeitspanne Δt = t₂ − t₁, die U- Koordinatenzeit. Wie die Bezeichnung schon sagt, ist sie neben Δx, Δy und Δz eine Koordinatendifferenz in einem von U aus definierten Koordinatensystem Σ.

Es stellt sich heraus, dass die Beziehung zwischen Δτ und den Koordinatendifferenzen durch MINKOWSKIs Abstandsquadrat

(1.1) Δτ² = Δt² − (Δx² + Δy² + Δz²)⁄c² =: Δt² − Δs²⁄c²

gegeben ist, und zwar unabhängig davon, wie sich U relativ zu Ώ bewegt (bzw. umgekehrt). Der Gleichung sieht man allerdings an, dass Ereignisse nur dann zeitartig getrennt sein müssen, wenn Δs < cΔt ist.

Zwei Ereignisse, für die Δs = cΔt ist, heißen lichtartig getrennt.

Für zwei Ereignisse, für die Δs > cΔt ist, würde eine imaginäre Eigenzeit herauskommen, was unphysikalisch erscheint. In der Tat gibt es für solche Ereignisse kein Koordinatensystem, in dem sie gleichortig sind; dafür gibt es eines, in dem sie gleichzeitig im räumlichen Abstand Δς voneinander stattfinden, und auch hier gilt MINKOWSKIs Abstandsquadrat:

(1.2) Δς² = Δx² + Δy² + Δz² − c²Δt²

Solche Ereignisse heißen raumartig getrennt und haben, wie man sich denken kann, keine von der Wahl des Bezugssystems unabhängige zeitliche Reihenfolge.

Bild zum Beitrag

Die Abbildung zeigt zwei Raumzeit- Diagramme mit je zwei Koordinatensystemenen; dasjenige, das als Bezugssystem ausgewählt wurde, ist "gerade" dargestellt, das andere "schief".

Für einen Beobachter, der sich überlichtschnell bewegte, müssten Ereignisse zeitartig getrennt sein, die für alle anderen raumartig getrennt ist, was der Absolutheit des raumzeilichen Abstandes widerspräche.

Geometrie der Raumzeit in der Nähe schwerer Massen

Allerdings muss man zur Beschreibung des realen Kosmos die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) heranziehen, welche die gekrümmte Raumzeit beschreibt, die Raumzeit voller Gravitationsfelder. Auch hier gibt es den Unterschied zwischen zeitartig, lichtartig und raumartig getrennten Ereignissen, aber die Formeln sind etwas komplizierter; eine Uhr auf tieferem Gravitationspotential geht langsamer als eine auf höherem, und das wirkt sich auch auf die Beurteilung der Lichtgeschwindigkeit aus.

Im einfachsten Fall haben wir eine kugelsymmetrische Massenverteilung mit der Masse M und dem Radius R; deshalb sollten wir schon einmal Sphärische Koordinaten einführen. Um den krummen Koordinatenlinien zu folgen, müssen wir eine gegebene Strecke Δs in sehr kleine, als gerade gedachte Teilstücke

(2) ds = √{dx² + dy² + dz} = √{dr² + r²dθ² + r²sin²(θ)dφ²} =: √{dr² + r²dΩ²}

zerlegen, und die MINKOWSKI- Metrik ist in diesen Koordinaten

(3.1) dτ² = dt² − (dr² + r²dΩ²)⁄c²

bzw.

(3.2) dς² = dr² + r²dΩ² − c²dt².

Die Masse verzerrt das allerdings im Außenraum (r > R) des Körpers zur SCHWARZSCHILD- Metrik

(4.1) dτ² = dt²(1 − 2м⁄r) − (dr²/(1 − 2м⁄r) + r²dΩ²)⁄c²

bzw.

(4.2) dς² = dr²/(1 − 2м⁄r) + r²dΩ² − c²dt²(1 − 2м⁄r),

wobei м := GM⁄c² der Gravitationsradius und 2м der SCHWARZSCHILD-Radius heißt.

Für eine Kreisbahn in der "Äquatorebene" (θ = ½π) kann man dΩ durch dφ ersetzen und es gibt die Gleichgewichtsbedingung

(5) v²⁄c² = м⁄r,

sodass eine Uhr auf einer r- Kreisbahn einen um den Faktor 1/√{1 − 3м⁄r} längeren Zeittakt hat als eine weit entfernte. Falls der Körper extrem kompakt sein ist, d.h. R < 3м, steht r = 3м für die Photonensphäre, auf der Licht eine instabile Kreisbahn haben kann und sich aber nur mehr mit √{⅓}∙c bewegt.

Umgekehrt bewegt sich aus der Perspektive eines auf dieser Kugelschale schwebenden Beobachters entferntes Licht mit √3∙c, was dann die unerreichbare Obergrenze für entfernte Objekte darstellt.

Auch die kosmische Expansion entfernt ohnehin weit voneinander entfernte Galaxien schneller als mit c voneinander.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – + Auseinandersetzung mit Gegnern der RT
 - (Zeit, Energie, Licht)
rohvallion 
Fragesteller
 25.05.2023, 07:15

Danke für Ihre Antwort! 💪🏻

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SlowPhil  25.05.2023, 09:42

Vielen Dank für den Stern!

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Von Experte MacMadB bestätigt
Nein, geht nicht.
Anziehungskraft in diesem Fall (also die Raumzeit) schneller als Lichtgeschwindigkeit

nein, nur Änderungen der Raumzeitkrümmung haben eine Geschwindigkeit (Gravitationswellen), nicht die statische Raumzeitkrümmung selbst.

Die sogenannte Lichtgeschwindigkeit ist die Geschwindigkeit, mit der Realität sich ausbreitet. Nichts was Ruhemasse* hat kann diese Geschwindigkeit erreichen, und nur weil Photonen keine Ruhemasse haben, haben sie diese Geschwindigkeit, daher der Name.

Der Name kommt auch daher, dass man früher glaubte, das Licht brauche ein Medium, in dem sich elektromagnetische Wellen ausbreiten (so wie Schallwellen in Luft), den sog. Äther. Die Frage, woran dieser Äther räumlich festgemacht sei, führte zum Michelson-Morley Experiment, bei dem eigentlich erwartet wurde, dass mit der Geschwindigkeit der Erde durch den Äther unterschiedliche Geschwindigkeiten des Lichts in unterschiedliche Richtungen gemessen würden. Überraschung: kein Unterschied, also kein Äther (es sei denn er würde zufällig ausgerechnet an der Erde festgemacht sein). Daraus geht nicht nur hervor, dass es keinen Äther gibt, sondern dass diese Geschwindigkeit eine in allen Inertialsystemen gleiche Naturkonstante und damit nicht überholbar ist, denn wenn man versucht den Strahl einer Taschenlampe mit dem Auto zu überholen, ist er relativ zum Auto genauso schnell wie relativ zur Taschenlampe.

Erst hier setzt die spezielle Relativitätstheorie an, die mit recht einfacher Mathematik (Lorentz-Transformationen) darlegt, was das für Auswirkungen auf Zeiten und Längen (und auch die kinetische Energie*) in bewegten Systemen hat.

*) Kinetische Energie von Objekten mit Ruhemasse enthält einen Term der Lorentz-Transformation wie Zeiten und Längen. Wenn man ein Fahrzeug in die Nähe der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt, geht mit wachsender Geschwindigkeit ein immer größerer Anteil der zugeführten Energie in immer weniger Geschwindigkeitszuwachs und lässt für den äußeren Beobachter das Fahrzeug immer träger erscheinen - die Lichtgeschwindigkeit wird nie erreicht.

rohvallion 
Fragesteller
 24.05.2023, 17:32

Danke für die ausführliche Antwort!

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SlowPhil  24.05.2023, 21:35

Trotzdem kann sich etwas dank der Krümmung der Raumzeit relativ zu einem gegebenen Beobachter ggf. schneller bewegen als mit dem für diesen Beobachter lokalen Lichttempo, etwa wenn der sich in der Nähe einer schweren Masse aufhält, z.B. am ISCO. Die Obergrenze fällt natürlich nicht weg, aber sie verschiebt sich nach oben.

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Demnach ist die AnziehungsKRAFT in diesem Fall (also die Raumzeit) schneller als LichtGESCHWINDIGKEIT,

fällt dir was auf?

wie "schnell" sind denn zB 5 Newton?

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)
Nein, geht nicht.

Tachyonen sind noch nie nachgewiesen worden. Den Satz mit der Anziehungskraft kann ich nicht ganz nachvollziehen - Anziehungskraft kannst du nicht mit Raumzeit gleichsetzen und weder eine Kraft noch die Raumzeit haben eine Geschwindigkeit. Vielleicht hat es aber mit dem Phänomen zu tun dass durch die Ausdehnung der Raumzeit durchaus zwei sehr weit voneinander entfernte Punkte sich schneller als das Licht voneinander entfernen können. Trotzdem bewegt sich da nichts schneller als das Licht, denn Geschwindigkeit wird immer in Bezug auf das Bezugsysstem gemessen in dem sich etwas bewegt. Und ja, das hat mit den Rosinen zu tun.