Friedrich Nietzsche: Es gibt keine Tatsachen, es gibt nur Interpretationen Was ist damit genau gemeint und gibt es hierzu pro und contra Argumente?

5 Antworten

Es geht um die Frage, wie wir äußere Dinge wahrnehmen. Nach Nietzsche nehmen wir die äußeren Dinge nur verfärbt durch unser Verständnis. Interpretari bedeutet vermitteln, auslegen. Dadurch, dass der äußere Gegenstand erst noch durch unsere Wahrnehmung, Sprache und Begriffsbildung durchgehen muss, wird er bis zur Erfassung durch uns modifiziert. Wir sehen daher nicht das Ding an sich, sondern dasjenige, was wir uns davon abgeleitet haben.

Pro-Argument: Das entspricht in etwa der neurologischen Wahrnehmung. Es gibt kein Organ, das die Substanz als solche wahrnimmt, sondern z.B. Licht tritt auf den Gegenstand, wird vom Gegenstand gewandelt und gefärbt, tritt in die Rezeptoren der Augen. Die Rezeptoren bilden einen Reiz, dieser wird an das Gehirn geleitet, dort mit anderen Reizen im Bildzentrum zu einem Bild verarbeitet. Der Intellekt versucht das Bild zu verstehen, einzuordnen und Begriff daraus abzuleiten. Noch ärger wird es, wenn wir Dinge aus der Zeitung erfahren, dann wird es noch mittelbarer, quasi Interpretation von Interpretationen.

Contra-Argument: Die Information, welche wir wahrnehmen, geht zumindest größtenteils auf den Gegenstand zurück. Auch die Interpretation ist nicht von der Tatsache unabhängig, sondern Tatsachen-bezogen. Die Überführung von Gegenständen in die interpretierte Begriffswelt hat einen ausreichend starken und immer wieder validierten und kalibrierten Bezug zur Tatsache, so dass wie behaupten dürfen, dass es für uns auch fassbare Tatsachen gibt.

Fazit: Die in der Wahrnehmung und Begriffsbildung vorgenommene häufig unausweichliche Interpretation der Tatsache muss im Auge behalten werden, wenn wir uns erkannten Tatsachen zuwenden. Dennoch ist unsere Wahrnehmung so gefestigt und entwickelt, dass wir Behauptungen über die Tatsache aufstellen können und nicht nur über unsere Interpretationen über die Tatsache.

Wir brauchen tatsachen um als sozialorga ismus zu existieren und es gibt "Ja" vordefinierte allgemein akzeptierte tatsachen . Ansonsten würde jede mörder behaupten z.B. dass er sein opfer ins paradis schicken wollte und nach seiner interpretation musste man ihn sogar prämie auszahlen

Dazu muss man zumindest das nahe Umfeld lesen (und es wäre einfacher, wenn dazu die Quelle des Zitats angegeben würde), in dem der Satz vorkommt. Es handelt sich um eine GEGENBEHAUPTUNG zum Positivismus, welcher unhinterfragt augenscheinliche Phänomene als Tatsachen ausgibt. Nietzsche bestreitet also nicht, dass es eine äußere Welt als Grundlage von Interpretationen gibt. Er bestreitet nur, dass wir zu dieser „äußeren Welt“, zu den „reinen Tatsachen“ mit unserem Erkenntnisvermögen durchdringen können. Wir sehen also „reine Tatsachen“, anders als es der Positivismus behauptet, nur im Lichte von Interpretationen und beobachtete Phänomene als Tatsachen zu behaupten, ist eine willkürliche Setzung. Nietzsche ist ein brillanter Jongleur unterschiedlicher Perspektiven.

Drittes Buch. Princip einer neuen Werthsetzung.

I.Der Wille zur Macht als Erkenntniß.

Nr. 481

Gegen den Positivismus, welcher bei den Phänomenen stehn bleibt »es giebt nur Thatsachen«, würde ich sagen: nein, gerade Thatsachen giebt es nicht, nur Interpretationen. Wir können kein Faktum »an sich« feststellen: vielleicht ist es ein Unsinn, so etwas zu wollen. »Es ist Alles subjektiv« sagt ihr: aber schon Das ist Auslegung. Das »Subjekt« ist nichts Gegebenes, sondern etwas Hinzu-Erdichtetes, Dahinter-Gestecktes. – Ist es zuletzt nöthig, den Interpreten noch hinter die Interpretation zu setzen? Schon Das ist Dichtung, Hypothese.

Soweit überhaupt das Wort »Erkenntniß« Sinn hat, ist die Welt erkennbar: aber sie ist anders deutbar, sie hat keinen Sinn hinter sich, sondern unzählige Sinne. – »Perspektivismus«.

Unsere Bedürfnisse sind es, die die Welt auslegen; unsere Triebe und deren Für und Wider. Jeder Trieb ist eine Art Herrschsucht, jeder hat seine Perspektive, welche er als Norm allen übrigen Trieben aufzwingen möchte.“

Er meint damit wohl, dass jeder Mensch die Welt anders sieht, sie also anders interpretiert. Das sagen zwar einige andere Philosophen auch, aber laut der Wissenschaft gibt es natürlich sehr wohl Tatsachen.

Ich erkläre das mal mit einem Beispiel:
Stell dir vor, dass du der einzige Mensch im Universum bist. Du lebst aber mit anderen Menschen zusammen, die du dir jedoch nur einbildest.

Die Tatsache in diesem Beispiel ist: Es gibt nur einen Menschen.
Deine Interpretation ist                    : Es gibt viele Menschen.

Also mit einem eigenen Satz erklärt: Das, was wir sehen, ist nicht automatisch das, was es ist. (irgendwie kommt mir der Satz bekannt vor aber ich habe ihn mit grad selbst ausgedacht... seltsam)