Kulturrelativismus: Pro und Contra?

2 Antworten

Die Bewertung des Kulurrelativismus hängt erst mal grundsätzlich ab von der eigenen metaphysischen Einstellung. Idealisten, die eher einer allgemeinen und eigenständigen Seinsweise allgemeiner Begriffe wie Wahrheit, Gerechtigkeit usw. nahestehen, die glauben, Wertungen aus einer allgemeinen Vernunft allgemeingültig herleiten zu können, stehen dem Kulturrelativismus ablehnend gegenüber. Anders sehen Epikureer und dem Epikureismus nahestendende kritische Realisten Allgemeinbegriffe wie z.B. Wahrheit und Gerechtigkeit als gesellschaftlich entstanden und geprägt. Sie sind positiv bereit, Wertungen und wahrheitsähliche Aussagen immer erst mal im Lichte der jeweiligen Kulturen - seien sie räumlich getrennt (China, Europa) oder zeitlich (Mittelalter, Moderne) zu bewerten.

Davon unabhängig gibt es keinen vernünftigen Grund, Werte zu nivellieren, nur weil sie in verschiedenen Kulturen als verschieden anerkannt werden können. Luther nur aus Sicht der Moderne zu beurteilen ohne Rücksicht auf das Welt- und Menschenbild seiner Zeit, wird ihm erst mal nicht gerecht. Dennoch kann man Luthers Wertmaßstäbe deshalb nicht so einfach als Beurteilungskriterien in der Moderne anwenden, nur weil man ihnen in ihrer Zeit eine Gültigkeit nicht absprechen kann. Handlungen und Aussagen eines Indianers aus dem tiefsten brasilianischen Urwald im tiefsten brasilianischen Urwald können wir nicht verurteilen, wenn sie den Normen und Werten und Weltauffassungen seines Stammes entsprechen. Es gibt aber keinen Grund, ihm in Hamburg zu erlauben, dass er sich Skalpe nimmt, nur weil wir seine Werte bezogen auf seinen Stamm und seine Lebensumwelt im Busch nicht so einfach verwerflich einschätzen können. Das gilt für sein Leben in seiner Gesellschaft, doch darum noch lange nicht für ein Leben in Hamburg.

Hier liegt meiner Meinung nach das große Missverständnis des Multikulturalismus. Die eigene Kultur hat genauso ein Selbstbehauptungsrecht wie jede andere Kultur - jede in ihrem Terrain. Gemeinsame Grundwerte abzustimmen, die als Menschenrechte- und Menschenpflichten für alle von allen als gültig anerkannt werden, ist ein hohes Ziel, aber schwierig, wenn es nicht zu einer einseitigen macht- und interessenbestimmten Veranstaltung werden soll. Manche Ziele (Arbeit für alle) können höchstens als erstrebenswert, nicht aber als verpflichtend gefasst werden, wenn auf die komplexen Zusammenhänge und vollkommen unterschiedlichen Ausgangslagen keine Rücksicht genommen wird. Es kann nicht erstrebenswert sein, einseitig idealistisch hochgesteckte Ziele zu formulieren, über deren Wertung und Messung man sich nicht mal in hochentwickelten Ländern einig ist (Wohlstand, Bildung).

Es gibt kein pro und kontra in dem Sinne, eher Kritik anderer Kulturen, da die Moralvorstellungen anders sind. 

Zum Beispiel:

Aus islamischen Kulturkreis stammenden Menschen das Recht zuzugestehen, die Menschenrechtenicht beachten zu müssen, weil diese ein Produkt der westlichen Kultur seien, und daher auch von Muslimen begangene Menschenrechtsverletzungen nicht angeprangert werden dürften, weil dies „rassistisch“, „ethnozentrisch“ und „eurozentristisch“ sei.

Diese Haltung wird wiederum von anderen aus der islamischen Kultur stammenden Menschen angeprangert (z.B. Bassam Tibi). Diese führen zum Beispiel an, es sei gerade rassistisch, Menschen aufgrund der ihnen per Herkunft zugeschriebenen Kultur den Anspruch auf Menschenrechte verweigern zu wollen.

Im chinesischen Kulturraum prägte der Kulturkritiker Bo Yang das Bild vom „Sojasoßenfass“, in das von außerhalb Chinas kommende kulturelle Einflüsse solange eingelegt würden, bis sie einen einheitlichen chinesischen Geschmack angenommen und ihren ursprünglichen Kern verloren haben. Er illustrierte damit die aus seiner Sicht chinesische Weise der Assimilation von aus anderen Kulturen übernommenen Konzepten.

Auf philosophischer Ebene wird gegen den Kulturrelativismus eingewandt, dass die „Selbstanwendung“ den Anspruch des Kulturrelativismus auf allgemeine Anerkennung ad absurdum führe: Schließlich sei der Kulturrelativismus selbst eine Norm, die nur innerhalb einer bestimmten Kultur anerkannt werde, oder, genauer, nur innerhalb bestimmter Strömungen der „westlichen“ Kultur. Von seinen eigenen Prinzipien her müsse der Kulturrelativismus die Allgemeingültigkeit einer solchen Norm ablehnen. Von seinen eigenen Prinzipien her könne der Kulturrelativismus keinen Anspruch auf allgemeine Anerkennung erheben. In der jüngeren Ethnologie wurde dem Kulturrelativismus deshalb vorgeworfen, selbst ein Ethnozentrismus zu sein.

(https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturrelativismus#Kulturrelativismus_in_der_Kritik)