Eure Meinung zu Defensive Architektur?

10 Antworten

Das kommt darauf an, was man möchte - mit Tieren machen wir das doch auch - Nist, Futter und Versteckmöglichkeiten vermeiden, damit sie sich verpissen. Mit Menschen macht man das um Publikumsbereiche Begehbar und Erholungsflächen erholsam zu halten - das Problem ist doch eher, das wir Obdachlosigkeit haben und dulden.

LordofDark1981  23.02.2024, 18:17

Ungeachtet dessen, dass ich Tieren einen sehr viel größeren Stellenwert als die Durchschnittsbevölkerung einräume finde ich deine Aussage ziemlich ungehörig, entschuldige bitte meine Direktkeit.
Du kannst du doch Obdachlose - die ja aus diversen Gründen in ihre Lage geraten sind und vielleicht auch mal sehr produktive Mitglieder der Gesellschaft waren bevor sie dort gelandet sind wo sie nun mal sind und traurigerweise von ihr fallen gelassen wurden - nicht auf eine Stufe mit Tauben und Ratten und dergleichen setzen.
Sorry, aber das finde ich ziemlich menschenverachtend, genau so wie die Wortwahl "verpissen" in einem derartigen Kontext.

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Unholdi  23.02.2024, 18:28
@LordofDark1981

Das ist aber wirklich eher ein ästhetisches als ein wirkliches Problem. Aber Du hast Recht, im Kern bin ich wohl menschenverachtend. Die acht Milliarden sind mir deutlich zu viel deutlich weniger wäre deutlich besser.

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LordofDark1981  23.02.2024, 18:36
@Unholdi

Ästhetik tritt meiner Meinung nach zurück, wenn es ums Überleben geht. Vor allem sorgt das "Vertreiben, damit man es besser ignorieren kann" mit Sicherheit nicht dazu, dass sich irgendetwas verbessert, im Gegenteil. Wenn du dann in den Vorstädten auf einmal erfrohrene Menschen liegen hast oder welche, die mangels Zugang zu Unterkünften und Versorgung einfach mal "krepiert" sind (und ja, diese Art zu sterben ist krepieren) wird es sicherlich nicht besser, nur weil die "Aristokratie" nicht mehr hinsehen muss.

Ich habe in meiner Zeit im Sicherheitsdienst öfter mit diesen Menschen zu tun gehabt und sogar die Chance gehabt, mich mal mit einigen davon auf Augenhöhe zu unterhalten. Da sind sehr viele hochanständige Leute bei, die einfach nur mehr Pech gehabt haben als wir beide möglicherweise. Und als ich mal selbst bei meinem Job in Bedrängnis geraten bin standen die auf einmal schlagartig da und haben MIR geholfen.
Einfach nur, weil ich bereit war, trotz meines Auftrages, sie wegzuschicken noch ein wenig Anstand zu bewahren und z.B. im eisigen Winter niemanden in den Kältetod zu schicken weil den Benutzern eines Parkhauses es vielleicht etwas unangenehm sein könnte, wenn dort jemand bei winterlichen zweistelligen Minusgraden mangels verfügbarer Alternative im einigermaßen beheizten Automatenraum ohne im Weg zu liegen sein Nachtlager aufgeschlagen hat.
Auch DAS ist nämlich für diese Menschen eine "überlebenssichernde Infrastruktur". Die liegen da auch nicht gerne und werden zum Blickfang für andere.
Da stören meiner Meinung nach rotzfreche Jugendliche, die im Park rumpöbeln sehr viel mehr die allgemeine Ruhe als jemand, der nur irgendwo halbwegs geschützt schlafen will.

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Unholdi  23.02.2024, 18:39
@LordofDark1981

JA, aber eine sichernde infrastruktur sollte und könnte sich diese gesellschaft auch leisten und eine dezentrale Versorgung mit dem Nötigsten - aber eben vermutlich nicht für alle.

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LordofDark1981  23.02.2024, 18:41
@Unholdi

... und genau DAS geschieht aus gutem Grund - kurze Wege, öffentliches Verkehrsnetz, Krankenhäuser und Rettungskräfte "um die Ecke" - innerhalb der Ballungszentren. Obdachlose können eben nicht einfach so á la "Pizzaservice" mal eben das Notwendige anfordern, schon mangels Handy (selbst wenn sie eins haben, an welcher Steckdose sollen sie es denn aufladen?). Diese Menschen brauchen Suppenküchen und Bahnhofsmissionen nun mal regelmäßig und haben sicherlich kein Auto um diese mal eben schnell zu erreichen. Von ärztlicher Versorgung ganz zu schweigen. Für einen Obdachlosen kann die einfache Schnodderseuche, die uns beide eine oder zwei wochen ins Bett schickt schon mal tödlich sein.
Uns selbst wenn es möglich wäre, dass die sich derartige Hilfe irgendwie holen könnten: Wer soll DAS denn dann so leisten?

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Finde es okay, wenn man das in bestimmten Teilen der Stadt macht, um das Stadtbild zu wahren, man aber gleichzeitig Alternativen schafft. Wie zum Beispiel solche Schlafpods.

LordofDark1981  23.02.2024, 18:56

Ich bin nicht bei dir.
Soll man - a la 3. Reich - "Schutzzonen" bauen (also Gettos schaffen, in denen bestimmte Menschen wegen ihrer Situation oder Herkunft - von der Straße - zusammengepfercht und am Verlassen gehindert werden)?
Gerade DAS befeuert Ausgrenzung und Stigmatisierung und beseitigt jede noch so kleine Chance, vielleicht irgendwie mal aus dieser Situation wieder rauszukommen, so diese Leute das überhaupt noch schaffen könnten.
Diese Menschen haben es ohnehin schon nicht leicht, zu ÜBERLEBEN. Aber auch ihnen steht nun mal zu, dass ihre unantastbare Menschenwürde, der Schutz ihres Lebens gewahrt und ihre körperliche Unversehrtheit im Rahmen des Leistbaren geschützt wird.
Wir diskutieren hier über unantastbare Grundrechte, deren Schutz und Wahrung oberste Maxime unseres Grundgesetzes ist.
Wenn dir der Anblick nicht gefällt... kauf ein Haus und schaffe dort ein Obdachlosenheim mit Krankenrevier und Suppenküche. Kannst du nicht, willst du nicht... dann lebe mit der Präsenz derer, die so etwas brauchen in der Nähe genau dieser staatlich bzw. kommunal und kirchlich geschaffenen Einrichtungen.

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NYlifO  23.02.2024, 19:00
@LordofDark1981

Niemand spricht von Schutzzonen.

Ich rede davon, dass bestimmte Gebiete auch ein Aushängeschild der Stadt für internationale Touristen sind.

Ich rede davon, dass man Alternativen schafft. Also wie zum Beispiel Schlafpods für Obdachlose oder offene Architektur wie zum Beispiel Berliner U-Bahnhöfe, welche im Winter offen für Obdachlose sind.

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LordofDark1981  23.02.2024, 19:05
@NYlifO

Und Touristen soll man sich dann so präsentieren, dass man die objektiven Probleme kaschiert? Ganz ehrlich... mich stört an der Tatsache, das Obdachlose z.B. in Hamburg vor der Elphi etc. sitzen nur die Tatsache, dass es diesen Menschen so geht, aber sicherlich nicht, dass sie dort sind. Genau dieser Kontrast ist das gefällige "Hallo Wach" für die selbsterklärte "Elite".
Es ist traurig genug, dass sich bei so viel unverhältnismäßigem Reichtum und Dekadenz immer noch derartige Unmöglichkeiten der Gesellschaft manifetieren können und ein Teil derer, die zweifelsohne dazugehören einfach auf der Strecke bleiben müssen. Diese jetzt auch noch "wegzulügen" und zu verstecken, damit der ja so hochwillkommene "Geldsack aus Dubai" sich gebauchpinselt und nicht in seinem Status herabgesetzt fühlt... wiederlich, sorry, wenn ich das so derbe formuliere, aber ich finde es wiederlich und einem sozialen und weißgott nicht verarmten Staat einfach nur unwürdig. Die umfunktionierung des Solis um DA mal was zu tun hielte ich übrigens für sehr sinnvoll.

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LordofDark1981  23.02.2024, 19:10
@NYlifO

Ich habe keinen Lösungsansatz für die Probleme dieser Menschen - trauriger Weise. Aber sie zu vertreiben und als unerwünschte Elemente herabzuwürdigen, weil deren Situation beschämend und vor aller Welt peinlich ist ist definitiv keiner.

Es kann jedem von uns passieren - aus welchen Gründen auch immer - dass wir in eine solche Situation geraten. Und allein die Tatsache, dass jemand so sehr im Leben gescheitert ist, dass er sich dort wiederfindet rechtfertigt es - ungeachtet der Ursachen für sein Scheitern - niemals, den Respekt vor ihm zu verlieren.

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NYlifO  23.02.2024, 19:17
@LordofDark1981

Besteht aber die wirkliche Vertreibung nicht darin, dass selbst du, der ja ganz offen Mitleid zeigt, selbst kein Lösungsansatz enfällt?

Mit anderen Worten, obwohl du so viel Empathie für diese Menschen hast, bist du nicht in der Lage eine Lösung zu finden.

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LordofDark1981  23.02.2024, 19:30
@NYlifO

Das sehe ich nicht so.
Ersteinmal fängt jede Form der Hilfe für Menschen damit an, deren Situation nicht als gottgegeben hinzunehmen und sie als Teil derer zu sehen, die zu einer Gesellshaft gehören und uns ihrer weder zu schämen noch sie zu verbergen. Probleme erkennen und ansprechen ist der erste Schritt, auch wenn man selbst nicht in der Lage ist, mit konkreten Lösungen aufzuwarten. Es ist auch nicht zwingend meine Aufgabe als "kleiner Mann von Nebenan" gesellschaftliche Probleme im Alleingang zu lösen. Auch DAFÜR wähle ich Politiker, die sich dieser Probleme mit den dafür notwendigne Ressourcen in fachlicher, personeller und monetärer Form und Kompetenzen (insbesondere zu entscheiden) annehmen und Lösungen entwickeln.

Wir schaffen es als Gesellschaft immer und mit großem Eifer, der ganzen Welt als sicherer Hafen zu dienen, wenn sich in den Staaten derer, die zu uns flüchten die politischen Eliten, samt ihrer militärischen Institutionen "auf die Fresse hauen" und befeuern derartige Konflikte auch (insbesondere in den letzten Jahren) noch selbst ganz gut mit Waffenlieferungen, Solidaritätsbedkundungen zu einer Konfliktpartei und Sanktionen der Gegenpartei, unter denen unsere eigene Gesellschaft mehr leidet als der Adressat der Sanktion.

Wir sollten vielleicht einfach mal damit beginnen, das Recht auf Asyl (was ich als absolut gutes, richtiges und wichtiges Recht zum Schutz vor Gefahren und für das Leben in einer weltoffenen und humanistischen Gesellschaft sehe) nicht auf jene zu beschränken, die von außerhalb herkommen sondern unsere Schwächsten mit einzubeziehen und ihnen genau so unsere Solidarität und unseren Humanismus zuteil werden lassen.

Vielleicht zeigt es ja auch mal dem uns immer wieder um Unterstützung bittenden und selbst jenseits derer Bitten von uns mitfinanzierten Ausland mal, dass auch wir im eigenen Land Probleme haben, die denen in diesen Staaten in nichts nachstehen, wenn wir uns mal zu genau diesen Problemen bekennen und sie nicht weglügen und verstecken. Wenn uns das als Gesellschaft peinlich ist (und das sollte es uns bei unserem großkotzigen und über alles erhabenen Auftreten in der Welt zu Recht sein), dann sollten wir vielleicht mal anfangen, vor unserer eigenen Haustür zu kehren, bevor wir anderen unsere eigenen Werte und Verhaltensnormen aufdrängen - insbesondere wenn diese dann doch wieder so etwas zulassen.

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NYlifO  23.02.2024, 19:44
@LordofDark1981

Ich habe nach meinem Kommentar eine zynische Antwort erwartet. Dass du diese nicht geliefert hast, zeigt mir, dass es dir wirklich nahe geht und du es ernst meinst. Respekt dafür!

Ich bin schon auf deiner Seite, aber ich habe irgendwie das Vertrauen verloren, dass wir das als Gesellschaft schaffen. Allein schon, weil jeder Zweiter glaubt, die Bettler gehören zu irgendeiner Bettlermafia. Also viele Menschen glauben, die sind nicht wirklich arm oder eben obdachlos.

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LordofDark1981  23.02.2024, 19:49
@NYlifO

Eine kranke Gesellschaft kann sich nur aus sich selbst heraus heilen. Und dazu hilft es nichts, dass man die eigenen Probleme wegschiebt und sie - um den Schein zu wahren - unter den Teppich kehrt. Die Lösung eines gesamtgesellschaftlichen Problems ist niemals etwas, was irgendjemand im Alleingang bewältigen kann.
Bei allem Humanismus gegenüber der übrigen Welt, wir sind unseren eigenen Leuten doch sogar nocht mehr verpflichtet als allen anderen, die wir mit offenen Armen empfangen.
Ich sage nichts gegen die Kultur der offenen Arme und der Bereitschaft, die zu schützen, die in Not sind, ganz im Gegenteil. Ich selbst profitiere davon sogar in gewisser Weise, denn meine über alles geliebte Partnerin ist selbst aus der Ukraine geflüchtet. Wäre unsere Gesellschaft anders "drauf" hätte ich das Glück mit ihr nie gefunden.
Aber das schließt eben unsere eigenen Leute mit ein und sollte sogar vor allen anderen eine gewisse Priorität haben.

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LordofDark1981  23.02.2024, 19:59
@LordofDark1981

ergänzt: Genau das von dir geäußerte Mißtrauen in die Gesellschaft ist ja auch leider häufig der Grund, warum sich Menschen in derart prekären Situationen nicht mit einer Bitte um Hilfe an die zuständigen und durchaus willigen Institutionen wenden, um ihre Situation vielleicht abzumildern und gemeinsam mit diesen mögliche Auswege zu erarbeiten.

Auch wenn es darum geht ist eine Debatte darum, diese "wegzuschieben" bzw. aus den Städten zu vertreiben wenig föderlich, weil genau DADURCH die ablehnende Haltung der Gesellschaft umso mehr demonstriert wird. Eine Kultur der offenen Arme auch und gerade gegenüber Obdachlosen, die die Bereitschaft zur Unterstützung zeigt würde vielfach schon der erste Schritt sein, damit diese ihr - sicherlich noch erheblich intensiveres - Mißtrauen beiseite schieben und ihre Situation nicht als unveränderbar erkennen.

Es geht ja nicht um demonstrativ-plakatives Mitleid, das ist solchen Menschen eher unangenehm und vermittelt eher den Eindruck, dass sie nicht ernst genommen werden. Mal böse formuliert: Eine "Armes Tuck-tuck"-Mentalität hilft niemanden.
Es geht erstmal um Akzeptanz und Gewinnung des Vertrauens dieser Menschen. Nur so findet man dann einen Zugang, der Lösungen vielleicht ermöglicht.

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Nichts, weil man dadurch eine der schwächsten Geschellschaftsschichten von der ihr Überleben sichernden Infrastruktur fernhält.

Das finde ich menschenverachtend und abstoßend.

Anstatt dass man wie in Finnland ein vernünftiges, bundesweites Housing first-Programm finanziert, gibt man lieber Geld aus um den Ärmsten der Armen das Leben noch ein bisschen schwerer zu machen.

Währenddessen wird das Problem der Obdachlosigkeit in Deutschland immer größer.

Immer mehr Obdachlose in Deutschland: Sollte es ein Recht auf Wohnen geben, wie in der DDR? (Recht, Politik, Deutschland) - gutefrage https://www.gutefrage.net/frage/immer-mehr-obdachlose-in-deutschland-sollte-es-ein-recht-auf-wohnen-geben-wie-in-der-ddr

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Langjährige Erfahrung in der Parteipolitik und als Reporter