Dürfen Katholiken Kusinen und Cousins 2. und 3. Grads ehelichen?

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Ja, ein/e Katholik/in kann und darf nach kirchlichem Eherecht seine/n Cousin oder Cousine 2. oder 3. Grades ehelichen.

Zwischen Cousinen und Cousins besteht eine Form der Blutsverwandtschaft. Blutsverwandtschaft stellt gemäß katholischem Kirchenrecht ein Ehehindernis dar (c. 1091 CIC). Die Blutsverwandtschaft wird jedoch nach gerader Linie (c. 1091 § 1) und Seitenlinie den Graden nach (c. 1091 §§ 2 u. 4) unterschieden:

  • Blutsverwandtschaft in gerader Linie in allen Graden (z. B. Mutter, Großvater, Urgroßmutter usw.): Ehehindernis, unabhängig davon, ob es sich um eheliche oder uneheliche Vorfahren oder Nachkommen handelt (c. 1091 § 1), von Rechts wegen nicht dispensierbar (c. 1091 § 4);
  • Blutsverwandtschaft in der Seitenlinie im 2. Grad (Schwester, Bruder, auch Halbgeschwister): Ehehindernis (c. 1091 § 2), von Rechts wegen nicht dispensierbar (c. 1091 § 4);
  • Blutsverwandtschaft in der Seitenlinie im 3. Grad (Tante, Onkel, Neffe oder Nichte): Ehehindernis (c. 1091 § 2), im Einzelfall dispensierbar;
  • Blutsverwandtschaft in der Seitenlinie im 4. Grad (z. B. Großtante oder Cousine 1. Grades): Ehehindernis (c. 1091 § 2), im Einzelfall dispensierbar;
  • Blutsverwandtschaft in der Seitenlinie ab dem 5. Grad (z. B. Cousin ab dem 2. Grad): kein Ehehindernis mehr
ruhrpott91  08.11.2020, 18:42

Zur Erläuterung:

Ich unterscheide deshalb zwischen können und dürfen, weil das kirchliche Recht insbesondere bei Rechtshandlungen im sakramentalen Bereich zwischen deren Gültigkeit und Erlaubtheit unterscheidet.

Eine von Rechts wegen nicht erlaubte bzw. verbotene Eheschließung kann demnach bei Verbotszuwiderhandlung dennoch gültig sein. Im Kirchenrecht gibt es Eheverbote, die eine Eheschließung verbieten (z. B. bei Wohnsitzlosigkeit), bei deren Vorliegen eine Eheschließung ohne Erlaubnis des Ortsordinarius zwar nicht erlaubt ist, aber bei Zuwiderhandlung dennoch gültig wäre.

Dagegen kennt das Kirchenrecht Ehehindernisse, bei deren Vorliegen eine Eheschließung stets ungültig ist, also keine Ehe zustande kommt. Eine solche Eheschließung kann entsprechend auch niemals erlaubt sein. Blutsverwandtschaft zwischen den Brautleuten stellt im Kirchenrecht ein solches Ehehindernis dar. Es beeinträchtigt die rechtliche Ehefähigkeit einer Brautperson und macht diese unfähig, eine Ehe zu schließen.

Das Kirchenrecht unterscheidet bei den Ehehindernissen zwischen solchen, die der kirchliche Gesetzgeber in der Schöpfungsordnung, d. h. im Willen Gottes (sog. Naturrecht), begründet sieht, und solchen, die die Kirche selbst aufgestellt hat (rein kirchliches, d. h. menschengemachtes Recht). Nach kirchlichem Verständnis sind Normen, die sich dem Naturrecht als göttlichem Recht verdanken, ihrem Geltungsanspruch universal, d. h. sie gelten demnach für ausnahmslos alle Menschen. Die rein kirchlichen Rechtsnormen hingegen gelten, weil sie menschengemacht sind, nur für Katholikinnen und Katholiken und nicht ausnahmslos. Von rein kirchlichen Ehehindernissen kann dispensiert werden.

Eine Dispens ist die Befreiung von einem Gesetz rein kirchlichem Rechts in Ausnahme- und Einzelfällen durch die zuständige kirchliche Autorität. Von Ehehindernissen göttlichem Rechts kann dagegen niemand dispensieren. Eine Dispens ermöglicht bei den o. g. Eheverboten das Dürfen, bei den Ehehindernissen rein kirchlichem Rechts zuerst das Können und dann automatisch auch das Dürfen.

Wie oben ersichtlich, fällt das Ehehindernis der Blutsverwandtschaft in beide genannten Bereiche. Außerdem unterscheidet sich die Bezeichnung des Verwandtschaftsgrades im Kirchenrecht von unserem Sprachgebrauch: eine Schwester oder Halbschwester ist hier blutsverwandt in der Seitenlinie 2. Grades, ein Cousin 1. Grades ist demnach ein Blutsverwandter in der Seitenlinie 3. Grades, eine Cousine 2. Grades eine Blutsverwandte in der Seitenlinie 4. Grades usw.

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feelinginthesky 
Fragesteller
 08.11.2020, 18:58

Herzlichen Dank.

Ich dürfe also sogar meinen Cousin 1. Grads oder meinen Onkel heiraten, solange mir das genehmigt wird?

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ruhrpott91  08.11.2020, 19:20
@feelinginthesky

Gerne :)

Theoretisch schon. In beiden Fällen müsste im Zuge der Ehevorbereitung eine Dispens beantragt werden. Aber auf die besteht kein Rechtsanspruch. Es gilt also, gute und schwerwiegende Gründe vorzutragen, warum ihr von dem Ehehindernis befreit werden solltet. Mir persönlich fehlt in diesem Fall wirklich die Phantasie, welche Gründe das sein könnten. Ich habe mit solchen Fällen auch keine persönliche Erfahrung, kann also keine Prognose abgeben. Ich kann aber der Sache nach guten Gewissens mutmaßen, dass es umso schwieriger wird, je näher der Verwandtschaftsgrad ist (Onkel: 3. Grad - Cousin: 4. Grad). Ein guter Grund für die Ablehnung des Antrags auf Dispens wäre z. B., wenn die Entscheidung dem jeweiligen staatlichen Recht bzw. dem allgemein-gesellschaftlich sittlichem Befinden zuwider liefe.

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feelinginthesky 
Fragesteller
 08.11.2020, 19:26
@ruhrpott91

Herzlichen Dank noch einmal, deine Antworten haben mir sehr weitergeholfen.

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Wie das bei Katholiken ist, weiß ich nicht.

>In der Bibel wird von Ehen zwischen Cousin und Cousine berichtet: z. B. zwischen Jakob und Rahel und in Verbindung mit den Töchtern Zelophhads (1. Mose 28:2; 29:10-12; 4. Mose 36:11). Solche Ehen zwischen Cousin und Cousine waren nicht in die im mosaischen Gesetz verankerten Verbote über Inzest eingeschlossen (3. Mose 18:8-16).

Heute machen die Gesetze in dieser Sache Unterschiede. Einige Staaten und Nationen gestatten, dass sich Cousin und Cousine heiraten, andere nicht.<

(„Einsichten II“, S. 1230)

Der Pfarrer muß beim Bischof Dispens beantragen. https://de.wikipedia.org/wiki/Dispens

ruhrpott91  08.11.2020, 18:52

Im Falle von Cousins bzw. Cousinen 2. oder höheren Grades nicht mehr :)

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Ja, ausschließlich gradlinig Verwandte dürfen in Deutschland gemäß §1307 BGB nicht heiraten.

ruhrpott91  08.11.2020, 17:29

Ich denke, die/der FS bezog sich mit der Frage auf das kirchliche Eherecht, ist doch explizit von Katholiken die Rede. Womöglich ist der Verweis auf das BGB i. d. F. nicht zielführend, zumal es besagte Katholikinnen und Katholiken, auf die sich die Frage beziehen mag, nicht bloß in Deutschland gibt.

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Ersten Grades auch- ist aber nicht mehr üblich.