Der Logarithmus macht die Einheit kaputt!

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Aus Wikipedia:

Die Aktivität des Wasserstoffions aH ist das Produkt der Molalität des Wasserstoffions (mH in mol/kg) und des Aktivitätskoeffizienten des Wasserstoffions (γH) geteilt durch die Einheit der Molalität (m0 in mol/kg) (um einen dimensionslosen Wert zu erhalten).

http://de.wikipedia.org/wiki/PH-Wert

D.h. Eigentlich wird vor der Berechnung des Logarithmus noch die Einheit weggekürzt

vach77 
Fragesteller
 11.01.2012, 19:50

Zunächst einmal lieben Dank für die schnelle Antwort.

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Irgendwie bin ich jetzt durch Zufall auf die Frage gestoßen, und weil sie mich als Student auch verwirrt hat, gebe ich eine Antwort, so wie ich das Problem heute verstehe. Wem auch immer es nützen mag.

lg (0.001 mol/l) ist offenbar lg(0.001) + lg (mol/l) also –3 + irgendetwas Undefiniertes. Das ist aber kein Problem, weil man den pH ja in keine weiteren Formeln einsetzen will, sondern als Endwert verwendet. Eine Konvention (nimm mol/l, nicht mmol/l) kann das auffangen. Das ist formal OK, aber natürlich unbefriedigend.

Manche haben von der Aktivität geschrieben, die einheitenlos ist. Das ist richtig aber nutzlos. Denn auf die Frage, wie die Aktivität eigentlich definiert und berechenbar ist, kommt eher Kopfschütteln, und verschiedene Definitionen sind im Umlauf, z.B. irgendetwas mit c, oder irgendetwas mit x, oder irgendwas mit μ. In jedem Fall steckt in dem „irgendetwas“ eine Konvention, die garantiert, daß der „traditionelle pH“ als Grenzwert rauskommt.

Die richtige Definition der Aktivität folgt aus der statistischen Mechanik und lautet a=exp(μ·N), wobei N die Teilchenzahl und μ das chemische Potential pro Teilchen ist (Vorzeichen weiß ich jetzt nicht genau). Das hilft auch nicht viel weiter, weil das μ zwar wohldefiniert, aber kaum zu messen ist (man kann es allerdings im Rahmen von Molecular Dynamics berechnen, wenn man einen Supercomputer im Keller stehen hat).

Nun gibt es in der Thermodynamik noch viel mehr Logarithmen von potentiell einheitenbehafteten Größen. Dabei stellt man immer fest, daß nur die verschiedenen Konventionen (Standardbedingungen) das ganze konsistent machen.

Einfaches Beispiel: Nernstsche Gleichung für Halbreaktionen. E = E0 - RT/(zF) ln Q.

Q ist ein Konzentrationsquotient und hat als Einheit irgendeine Potenz von mol/l, je nach Stöchiometrie der Reaktion. Aber die E0-Werte sind ja unphysikalisch (nicht meßbar) und nur bis auf eine additive Konstante bestimmt; außerdem steckt die Konvention darin, daß alle Konzentrationen 1 mol/l sind.

Wenn man die Nernstsche Gleichung für die Gesamtreaktion anschreibt, dann wäre das E0 eine meßbare Größe, und das E natürlich auch, und man könnte es für Magie halten, daß die Gleichung funktioniert. Aber der Trick liegt wieder in den Standardbedingungen; ein Chemiker auf Alpha Centauri, der Längen in Bohrschen Radien a0 mißt, würde Konzentrationen als Teilchen pro a0³ angeben und hätte natürlich andere E0-Werte.

Deutlich komplizierter: ΔG = RT ln K.

Dabei ist K die Gleichgewichtskonstante und potentiell dimensionsbehaftet, alles andere ist garantiert observabel. Erschwerend kommt dazu, daß es ja verschiedene Möglichkeiten gibt, K anzugeben (mit Konzentrationen oder Partialdrücken). Welche Magie macht es, daß die Gleichung funktioniert? Das wissen die meisten Chemiker nicht, weil sie nicht wissen, woher die Gleichung kommt. Man kann sie irgendwie aus der phänomenologischen Thermodynamik heraushexen, aber ich habe das erst verstanden, als ich mir eine Vorlesung über statistische Mechanik gegeben habe.

Wir können uns der Frage annähern, wenn wir uns fragen, warum ΔG rauskommt und nicht eine andere Funktion wie ΔH, ΔU oder ΔA (die Helmholtz-Funktion A=U-TS). Dabei bemerken wir, daß die ja bis auf eine additive Konstante gleich sind. Also liegt auch da eine Konvention dahinter, die den undefinierten Logarithmus der Einheit schluckt. Wenn die Reaktion ohne Volumsänderung abläuft, dann ist K einheitenlos und es gilt H=U und A=G.

Die genauere Antwort liegt in den Standardbedingungen und den Randbedingungen (z.B. ob Druck oder Volumen konstant sind). Bei Reaktionen mit konstantem Druck mußt Du Kp nehmen (K formuliert mit Partialdrücken) und kriegst ΔG, bei konstantem Volumen nimmst Du Kc und kriegst ΔA. Vornehm spricht man im ersten Fall vom isobar–isothermen Ensemble (T=const, p=const), im zweiten Fall vom isochor–isothermen Ensemble oder kanonischen Ensemble.

Wenn man nicht bei konstanter Temperatur sondern bei konstanter Entropie arbeitet, läßt sich die Formel so umschreiben, daß man innere Energie oder Enthalpie herausbekommt (je nachdem ob man Volumen oder Druck konstant hält).

Man spricht in der theoretischen Physik von Ensembles und meint damit, was man während der Reaktion konstant hält. Zur Auswahl steht jeweils eines aus den Paaren Druck/Volumen, Temperatur/Entropie und chemisches Potential/Teilchenzahl (das Produkt der beiden jeweils eine Energie). Jedes Ensemble hat sein „thermodynamisches Potential“, das u.a. angibt, ob eine Reaktion spontan abläuft oder nicht. ΔG ist das Potential des isobar–isothermen Ensembles mit den festgehaltenen Variablen T,p,N.

Es stecken also wieder Konventionen dahinter. Die einzelnen Potentiale unterscheiden sich ja nur durch additive Konstanten („Legendre-Transformation“, –TS, +pV etc).

Das alles ist also erstaunlich tricky. Ich habe mich das seit der Schule gefragt, es aber erst bei der Dissertation durchschaut.

Schau dir mal an, was der Logarithmus genau angibt. Er gibt die Zehnerpotenz an, also quasi die Anzahl an Stellen, um die man das Komma nach links (bei -lg) verschieben muss, um auf den Wert zu kommen. 10⁻⁵ entspricht z.B. 0,00005.

Das ist völlig unabhängig von der Einheit, -lg von 10⁻⁵ mg ist genauso 5 wie -lg von 10⁻⁵mol/l. Stattdessen entspricht der Logarithmus dem Vorsatz der Einheit. Der lg von mg wäre milli (bzw -3), der lg von mmol/l wäre auch milli (bzw -3). Der lg von mol/l ist entsprechend nix.

Mucus  11.01.2012, 20:45

0,00001 natürlich...

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vach77 
Fragesteller
 12.01.2012, 08:34

"Der lg von mol/l ist entsprechend nix."

Meine Folgerung aus Deiner Antwort: Der Logarithmus macht doch die Einheit kaputt!

So einfach kann man es sich aber leider nicht machen.

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Mucus  12.01.2012, 17:34
@vach77

Der Logarithmus macht die Einheit nicht kaputt, er gibt ihren Vorsatz an. Das kann nur ein Zahlenwert ohne Einheit sein. Die Einheit selbst ist dem Logarithmus egal, er interessiert sich nur für den Zahlenwert einer physikalischen Größe.

Anderer Versuch: Der Logarithmus ist die Frage, welchem Exponenten zur Basis 10 (dekadischer Logarithmus) z.B. der Wert 100000 entspricht. Die Lösung ist immer 5, da 10⁵ = 100000, egal ob es 100000 m oder 100000 g oder 100000 mol/l sind. Der Logarithmus von 1 mol/l ist lg 1 = 0.

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vach77 
Fragesteller
 12.01.2012, 20:55
@Mucus

Lieber Mucus, ich bin kein Mathematiker und lasse mich gerne belehren. Ich störe mich eben an folgender Schreibweise: pH = -lg 10⁻² mol/L = 2

Das Zeichen "=" bezieht doch die Einheit mit ein, sonst kann ich sie gleich weglassen; aber dann wäre es chemisch falsch, denn die Konzentration hat eben die Einheit 1 mol/L.

Meine Frage ist eben: Ist das mathematisch korrekt so wie Du es darstellst?

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Mucus  13.01.2012, 23:12
@vach77

Einen hab ich noch....

Die Umkehrfunktion vom Logarithmus ist die Potenz. y = 10^x => x = lg y. Oder c = 10^-pH. Wenn der Logarithmus eine Einheit hätte, müsste die ja in der Umkehrfunktion auch auftauchen. Wie soll das aussehen? 10^(-1mol/l)? Versuch mal auf diesem Weg am Ende auf mol/l zu kommen. Geht nicht.

Du kannst die Einheit auch weiterführen, nämlich dann als lg(mol/l).

In der Praxis stellt sich die Frage eh normalerweise nicht, da Logarithmen meistens aus Verhältnissen gezogen werden, wodurch die Einheiten schon vor dem Logarithmieren weggekürzt werden.

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Der entscheidende Hinweis kam ja schon: Definitionsgemäß ist der pH-Wert der negative dekadische Logarithmus der Wasserstoffionen-Aktivität. Das Problem mit der Einheit ergibt sich nur, wenn die Aktivität näherungsweise durch die Konzentration ersetzt wird.