Darf ich im First-Responder-Einsatz mit dem Privat-PKW schneller fahren?

6 Antworten

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Ja, du darfst grundsätzlich in der Tat laut §35 der StVO von Sonderrechten Gebrauch machen.

Sonderrechte sind nicht zwangsläufig an Blaulicht und Martinshorn gebunden. Es ist auch nicht notwendig, dass das Fahrzeug überhaupt über eine Sondersignalanlage verfügt. Genau das betrifft dann vor allem die freiwillige Feuerwehr.

Allerdings solltest du darüber mit deinen Leuten selbst mal sprechen, denn die Rechtsprechung ist dabei nicht ganz eindeutig. Ich habe mich mit dem Thema sowohl im Bezug auf die Polizei (Sondereinheiten) als auch die freiwillige Feuerwehr schon einmal intensiv auseinander gesetzt und kann kurz als Fazit sagen:

Du ließt in den meisten Fällen das, was ich auch in der Realität von Polizei und Feuerwehr kenne: Es ist erlaubt, auch für den privaten PKW. Ein Freund von mir in der Feuerwehr macht davon auch regelmäßig Gebrauch. Gerichte und andere Instanzen haben das ganze auch schon mehrfach bestätigt.

Aber es gibt eben auch Urteile, die genau das Gegenteil sagen, weswegen hier immer eine große Verwirrung herrscht. Wenn du es genau wissen willst, ließ dir vor allem mal folgenden Artikel durch:

So hat das OLG Stuttgart in 2002 einem Angehörigen der Freiwilligen Feuerwehr nach Alarmauslösung auf dem Weg zum Gerätehaus Sonderrechte nach § 35 I StVO zugesprochen [1] und damit die Entscheidung des Amtsgericht Reutlingen [2] in erster Instanz bestätigt. Gleichlautend hat im Jahr 2004 auch das AG Hannover entschieden und Geschwindigkeitsüberschreitungen als durch § 35 I StVO als gerechtfertigt bezeichnet [3]. Der Auffassung des OLG Stuttgart und des AG Hannover hat sich eine breite Mehrheit in der Literatur angeschlossen [4]. Auch die Fachministerien der Länder [5], der Bund-Länder Fachausschuss für Straßenverkehrsrecht [6] sowie der Petitionsausschuss des Bundestages [7] haben sich gleichlautend geäußert.
Demgegenüber steht eine Entscheidung des AG Groß-Gerau aus dem Jahr 1991 [8], das keine Sonderrechte annehmen wollte, sondern lediglich unter Berücksichtigung des § 16 OWiG die Geldbuße weit unter den Regelsatz herabsetzte.

Quelle: https://www.anwalt.de/rechtstipps/inanspruchnahme-von-sonderrechten-durch-angehoerige-der-freiwilligen-feuerwehr-im-privat-kfz_039390.html

Den Artikel am besten komplett lesen!

Ich kann auch eine sehr wichtige/interessante Sache erzählen: Der Fall ist kein Jahr alt. Zwei Personen fuhren mit einem GTI und einer A-Klasse auf der Autobahn völlig bescheuert. Es sah aus wie ein illegales Autorennen: Rechtsüberholen, auf dem Standstreifen mit 130, kein Sicherheitsabstand, Gedrängel... Es gab einen Videobeweis dazu. Das ganze landete vor der Staatsanwaltschaft Essen (NRW). Und wurde fallen gelassen, da es keinen Anlass gab, das weiter zu prüfen, da es sich eben um Polizisten im Einsatz handelte. Die Fahrzeuge hatten keine Sondersignalanlage und waren stink normale PKW.

Wie du bereits sagst sind Sonderrechte und Wegerechte zu trennen. Für das Wegerecht muss wiederum das Sondersignal aktiviert sein, was auch logisch ist, denn sonst weiß ja niemand, dass er Platz machen soll. Da du darüber nicht verfügst, hast du auch keine Berechtigung zum Wegerecht.

Eichbaum1963  23.02.2020, 20:08

Gut "gebrüllt", Löwe. ;))

Ich sah vor etlichen Jahren auch mal einen im Rückspielel von der FFW mit seinem Dachaufsetzter von hinten über die Brücke kommen. Bin da mal schon weit vorher (30er-Zone) rechts rangefahren und hab ihm damit sogar, eigentlich nicht vorhandenen, Wegerechte eingeräumt - aber warum auch nicht, könnte ja schließlich auch meine Hütte brennen...

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CreeperNicol  24.02.2020, 18:31
@Eichbaum1963

Gut gemacht.

Mir ist sowas ähnliches letztes Jahr im Winter passiert. Da wurde ich zu nem B3 Brand (Großbrand) alarmiert, bin zur Wache gefahren, die Sirenen im Stadtgebiet haben geheult. Auf dem Anfahrtsweg zum Gerätehaus steht eine Schule mit einer Turnhalle. Davor standen mehrere Autos, Parkmöglichkeiten sind da eingeschränkt, deshalb haben die auf der Fahrbahn geparkt, haben ihre Kinder zum Sport geschafft.

Bin mit eingeschalteter Warnblinkanlage von hinten zügig rangefahren. Daraufhin sind die Eltern eingestiegen und sind an nächster Stelle rechts ran gefahren. Hat super funktioniert.

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Du siehst das richtig. Du hast Sonderrechte darfst diese aber nur in Anspruch nehmen wenn du niemanden gefährdet.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Maschinist /Servicetechniker für Feuerwehr Einsatzfahrzeuge

Nein, da dem Rettungsdienst laut Paragraph 35 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausschließlich mit Fahrzeugen des Rettungsdienstes Sonderrechte zugestanden werden, anders ist das zum Beispiel bei der Feuerwehr und bei der Polizei, hier wird in der StVO von "der Feuerwehr" und "der Polizei" gesprochen, was also deren Angehörige als Personen und nicht bestimmte Fahrzeuge dieser Institutionen betrifft, außerdem sind First Responder nicht Bestandteil des Regelrettungsdienstes. Bei akuter Lebensgefahr kann man ausnahmsweise im Rahmen des "rechtfertigenden Notstandes", Paragraph 34 des Strafgesetzbuches (StGB) bzw. Paragraph 16 des Ordnungswidrigkeitengesetzes von den Vorschriften der StVO abweichen, allerdings eben nur bei einer akuten Lebensgefahr, es muss also ein Notarzteinsatz und nicht "nur" ein Notfalleinsatz gemeldet sein, darüber muss der Disponent die First Responder bei der Alarmierung informieren, hast du diese verkehrsrechtlich wichtige Information nicht, dann weißt du nicht, ob du dich nun auf einen Notstand berufen kannst oder nicht. Ob es sich bei First Respondern, die Bestandteil der Feuerwehr sind, bei Alarmierungen um "die Feuerwehr" handelt, dann hättest du dementsprechend die Sonderrechte oder um "normale" First Responder, dementsprechend dann keine Sonderrechte sondern "nur" im Rahmen eines Notstandes, dazu ist mir keine Rechtsprechung bekannt, wobei diese Differenzierung eben von einer sehr großen Bedeutung für das Straßenverkehrsrecht ist. Wenn du Rechtsprechung findest, Sicherheit hat man hier nur bei einer höchstrichterlichen Rechtsprechung dazu, zum Beispiel durch den Bundesgerichtshof (BGH), Oberlandesgerichte, Landgerichte und die Amtsgerichte können keine bundesweit gültige Rechtsprechung schaffen, ihre Urteile sind allenfalls eine Art "Orientierung" für andere Gerichte. Kürzlich gab es erst den Fall der Blitzer mit Messfehlern, hier sind die "Knöllchen" nur in dem Bundesland ungültig, indem das OLG so entschieden hat, in allen anderen Bundesländern, gelten sie zunächst auch weiterhin. Mfg.

Rollerfreake  28.02.2020, 19:47

Da ist mir gerade noch etwas eingefallen, im Sinne von Paragraph 35 StVO, kann es sich wohl nur dann handeln, wenn bei euch im Landesfeuerwehrgesetz der First- Responder Dienst als "hoheitliche Aufgabe" der Feuerwehr definiert ist, ist dies nicht der Fall, dann wohl Notstand. Mfg.

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Die Antwort von TechnikSpezi hat eigentlich alles gesagt, was es dazu zu sagen gibt. Ich nehme auch auf der Fahrt zum Gerätehaus im Einsatzfall die Sonderrechte in Anspruch.