"Cancel Culture": Macht sich Friedrich Merz unglaubwürdig?
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat "Cancel Culture", also das Verhindern von Veranstaltungen mit unliebsamen Teilnehmern, als "größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit" bezeichnet (siehe hier). Merz sagte in einem Interview mit der Tageszeitung "Die Welt" wörtlich:
Die größte Bedrohung für die Meinungsfreiheit ist aus meiner Sicht inzwischen die Zensurkultur, die man im angelsächsischen Sprachgebrauch auch ‚Cancel Culture‘ nennt. Ich sehe mit größter Besorgnis, was an den Universitäten in den USA passiert; das schwappt jetzt auch nach Europa über.
Nun hat Merz selbst eine Veranstaltung abgesagt und damit womöglich der "Cancel Culture" Vorschub geleistet. Als Grund wird die Teilnahme des Publizisten Henryk M. Broder (so die "Zeit") bzw. des Rechtsanwaltes Joachim Steinhoefel (so die "Bild") angenommen (siehe hier).
Im Zuge der Absage von Merz hat die Berliner Landesvertretung Baden-Württembergs, wo die Podiumsdiskussion stattfinden sollte, den Mietvertrag inzwischen gekündigt, weshalb die Veranstaltung nun wohl gar nicht mehr stattfinden wird (siehe hier):
Nachdem uns der Veranstalter die weiteren Referenten des Transatlantischen Forums am 31.8. genannt hat, werden wir vom Mietvertrag zurücktreten und die Veranstaltung nicht bei uns stattfinden lassen«, schrieb die Landesvertretung auf Twitter. »Die nun genannten Referenten weisen eine starke Nähe zur AfD auf. Die Veranstaltung ist daher dazu geeignet, das Ansehen der Landesvertretung zu beschädigen.
Bereits 2018 hatte Merz einen Preis abgelehnt, weil ihm ein Vorstandsmitglied nicht gefiel (siehe hier). Macht Friedrich Merz seine Haltung zur "Cancel Culture" durch dieses Verhalten unglaubwürdig?
Das Ergebnis basiert auf 17 Abstimmungen
9 Antworten
Nein, zumindest nicht direkt:
Merz versucht hier, eine Mitte aus zwei seiner Positionen zu finden. Einerseits verurteilt er die Cancel Culture, andererseits vertritt er auch den Standpunkt, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage kommen darf.
Mit dem Fernbleiben betreibt er selbst ja keine Cancel Culture. Er fordert ja niemanden auf, diese Veranstaltung zu Boykottieren, sondern entscheidet sich aus freien Stücken dazu, selbst nicht hinzugehen. Auf die Entscheidung anderer Menschen hat er damit keinen Einfluss. Cancel culture ist erst das Verhalten des Vermieters, der nun die Veranstaltung abgesagt hat.
andererseits vertritt er auch den Standpunkt, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage kommen darf.
Es hätte gar kein AfD-Mitglied teilgenommen.
Cancel culture ist erst das Verhalten des Vermieters, der nun die Veranstaltung abgesagt hat.
Und Du glaubst da hatte Merz bzw. sein Verhalten nichts mit zu tun? Die Räume in der Landesvertretung stellt das Land Baden-Württemberg, wo die CDU an der Regierung beteiligt ist...
andererseits vertritt er auch den Standpunkt, dass eine Zusammenarbeit mit der AfD nicht infrage kommen darf.
Es ging nur um eine Podiumsdiskussion. Eine Zusammenarbeit stand nicht zur Debatte. Und genau DAS ist "Cancel Culture":
Mit Dir treffe ich mich nicht, denn Deine Meinung/Dein Weltbild passt mir nicht.
Er war als Gast geladen und hat abgesagt.
Das ist etwas völlig anderes, als die Absage des Veranstalters, weil der öffentliche Druck, meist von einer Minderheit, zu hoch geschraubt wird.
Das Beispiel schlechthin für Cancel Culture ist der abgesagte Vortrag an der Humboldt Uni in Berlin.
Ich finde, dass er Recht hat.
Nur weil er an einer Diskussionsrunde nicht teilnehmen will, macht er sich noch lange nicht unglaubwürdig. Die anderen Teilnehmer hätten ja durchaus miteinander diskutieren können, auch ohne ihn.
Es geht um den Grund, aus dem er nicht teilnimmt. Das ist Cancel Culture in Reinkultur. Man kann es nicht einerseits kritisieren und andererseits ausleben, wenn man den Anspruch hat Ernst genommen zu werden.
Entweder man ist für Cancel Culture und Spaltung oder man streckt so gut wie jeder Blase und Gruppierung die Hand aus.
Aber gut, es ist Merz. Wer den noch irgendwo ernst nimmt, dem ist auch nicht mehr zu helfen.
Und Du glaubst mit der Absage hatte Merz bzw. sein Verhalten nichts zu tun? Die Räume in der Landesvertretung stellt das Land Baden-Württemberg, wo die CDU an der Regierung beteiligt ist...